Bioökonomie | Ernährung und Lebensmitteltechnologie

Eine ausgewogene Ernährung spielt für unsere Gesundheit eine große Rolle. Doch wie lassen sich nahrhafte Lebensmittel nachhaltig produzieren – vor allem vor dem Hintergrund des knapper werdenden Bodens und einer wachsenden Weltbevölkerung? Die Bioökonomie eröffnet hier zahlreiche Möglichkeiten: etwa über die Erschließung neuer klimafreundlicher Proteinquellen oder die Produktion von wertvollen Nahrungsergänzungsmitteln aus Makroalgen, die ohne Düngemittel, ohne Frischwasser und ohne Energie gedeihen.


 

Makroalgen – das neue Superfood?

Makroalgen enthalten viel Nährstoffe und wachsen auf nachhaltige Weise im Meer. Ein Forscherteam arbeitet daran, sie über die Fermentation besser nutzbar zu machen – etwa als hochwertige Zutaten in Lebensmitteln.

 

Nachhaltige Fischzucht

Fischfarmen sind meistens ökologisch wenig sinnvoll. Forscher entwickeln daher nachhaltige Anlagen für die Fischzucht, in denen das Wasser in einem geschlossenen Kreislauf geführt wird.

 

Pflanzliche Fleischalternativen

Vegetarische Würstchen, Schnitzel und Burger Patties sollen ihrem fleischlichen Vorbild möglichst nahe kommen – und zwar nicht nur was den Geschmack angeht, sondern auch in puncto Konsistenz, Saftigkeit und Bissfestigkeit. Fraunhofer-Forschende arbeiten daran, die Fleischersatzprodukte maßzuschneidern.

Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV

NewFoodSystems – Nachhaltige Proteine

Pflanzen, Algen und Insekten bieten sich als nachhaltig produzierte Alternativen zu tierischem Eiweiß an. Daran forscht das Projekt »Nachhaltige Proteinzutaten« von NewFoodSystems. Eigenschaften wie Geschmack und Mundgefühl werden dabei traditionellen Lebensmitteln nachempfunden.

 

Mikroalgen

Das Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB entwickelt Technologien und Verfahren, um Algen wirtschaftlich zu kultivieren und die wertvollen Inhaltsstoffe effizient extrahieren sowie aufreinigen zu können.

 

Was essen wir morgen?

Forscher des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI untersuchten in einem EU-Projekt, welche Trends die europäische Lebensmittelbranche in den nächsten 15 Jahren prägen werden. Eine Auswahl der wichtigsten:

Verringerung von Lebensmittelabfällen

1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel werden jährlich weltweit weggeworfen. Die Kosten von rund 750 Milliarden US-Dollar tragen vor allem Verbraucher und Landwirte. Die Forscher schätzen, dass rund zwei Drittel der Lebensmittelabfälle in Industrieländern vermeidbar wären, unter anderem durch eine Verbesserung der Produktions- und Logistikprozesse. Der steigende gesellschaftliche Druck und staatliche Vorschriften werden diese Entwicklung befördern – und die Verschwendung bekämpfen.

Alternative Proteine

Jeder Europäer isst etwa 65 Kilogramm Fleisch pro Jahr, jeder US-Amerikaner sogar 90. Die Folgen sind bekannt: Belastungen für Klima, Umwelt – und die Gesundheit des Konsumenten. Um den Proteinbedarf der Weltbevölkerung langfristig zu decken, wird sich das Nahrungsmittelsystem umgestalten müssen. Innovationen wie rein pflanzliche Fleischalternativen, Produkte auf Insektenbasis oder Fleisch aus der Petrischale sind eine Alternative. Das Fraunhofer ISI geht davon aus, dass es zu einer Koexistenz von Fleisch- und alternativer Protein-Industrie kommen wird.

Vooking — vegan — glutenfrei

Immer mehr Menschen hören auf, Fleisch zu essen – aus gesundheitlichen Gründen, aus Tierliebe oder aufgrund eines wachsenden Bewusstseins für Nachhaltigkeit. »Vooking« (Vegetarian Cooking) und das Kochen mit veganen und glutenfreien Zutaten liegen im Trend. Zwar leidet nur rund ein Prozent der Weltbevölkerung unter einer Glutenunverträglichkeit (»Zöliakie«). Quinoa, Amarant und Co. gelten jedoch als gesündere Alternative zu Weizenmehl. Die Forscher sind überzeugt: Der globale Markt für glutenfreie Lebensmittel wird bis 2025 um 13 Milliarden US-Dollar wachsen. 

Lokale Lebensmittel-Kreisläufe

Der Direktverkauf von Landwirten über OnlineShops oder Obst- und Gemüsekisten hat etliche Vorteile, darunter die Frische und bessere Rückverfolgbarkeit der Produkte, weniger Verpackungsmüll oder geringere Umweltschäden durch den entfallenden Lebensmitteltransport. Aus klimatischen und saisonalen Gründen sind allerdings nicht alle Produkte verfügbar. Lokale Lebensmittelkreisläufe könnten dazu beitragen, die Nahrungsmittelproduktion bis 2035 von zentralen Strukturen auf dezentrale und teilweise autonome Ernährungssysteme umzustellen. 

Präzisionslandwirtschaft

Neue landwirtschaftliche Produktions- und Bewirtschaftungstechniken werden die Effizienz der Produktion steigern und die Nachhaltigkeit erhöhen. Sensoren ermöglichen beispielsweise die genaue Beobachtung und Messung des Pflanzenwachstums, sodass die Stickstoff-Düngung zielgenau und variabel erfolgen kann, was den Düngemittelverbrauch insgesamt reduziert. Software identifziert und klassifiziert auf einem einfachen Handy-Foto Krankheiten, Unkraut und Insekten im Feld, liefert weitere wichtige Informationen und gibt Empfehlungen. Der weltweite Umsatz im Bereich Präzisionslandwirtschaft beträgt zurzeit 4,07 Milliarden US-Dollar. Bis 2025 soll er auf 10,23 Milliarden US-Dollar steigen.

Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen

Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen sind die Basis für »smarte Landwirtschaft«. Selbstlernende, automatisierte Maschinen unterstützen bei der Aussaat der Pflanzen (Bodenvorbereitung, Saatgutzüchtung, Wasserzufuhrmessung). Ernteroboter erkennen automatisch den Reifegrad. KI könnte auch dazu beitragen, die Qualität und Frische von Lebensmitteln zu verbessern und deren Verschwendung zu verringern, weil Kundenanforderungen und -nachfrage bereits vorher bekannt sind. 

Nachhaltige Lebensmittel für alle

Nachhaltige Lebensmittel zeichnen sich durch geringe Umweltbelastung aus und tragen zur globalen Ernährungssicherheit und einem gesunden Leben bei. Innovative Lösungen, die zu mehr Nachhaltigkeit im Lebensmittelsektor führen, sind in allen Bereichen möglich. Zum Beispiel: die Förderung regionaler und saisonaler Lebensmittel, die Steigerung des Bewusstseins über gesunde, nachhaltige Ernährung durch Kampagnen, nachhaltige Produktion durch künstliche Intelligenz oder andere neue Technologien.

Nutrigenetik

Die Genetik beeinflusst die individuelle menschliche Gesundheit und Ernährung (Nutrigenetik) und umgekehrt. Aus dieser Erkenntnis lassen sich individuelle Ernährungsempfehlungen ableiten. So können Verbraucher ihr Krankheitsrisiko reduzieren und ihre Gesundheit verbessern. Der Umsatzmarkt für Nutrigenetik wurde im Jahr 2017 auf 252 Millionen US-Dollar geschätzt und soll bis 2025 um 16 Prozent wachsen. 

Mehr Transparenz

85 Prozent der deutschen Konsumenten wollen ihre Lebensmittel zurückverfolgen können. Etiketten können Orientierung geben. Regierungen und Unternehmen reagieren, indem sie neue Etiketten einführen oder alte, wie das Tierschutzlabel, standardisieren. Die Digitalisierung wird eine größere Transparenz und Rückverfolgbarkeit des Produkts ermöglichen und der Druck auf die Anbieter steigen, Verbraucherpräferenzen zu berücksichtigen. 

Steigende Marktmacht von Einzelhändlern

Die Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel ist auf ihrem Höhepunkt. Wenige Unternehmen, die die wichtigsten Vertriebskanäle kontrollieren, dominieren den Markt. Die Folge: eine Machtverschiebung weg von den Lebensmittelproduzenten hin zu den Händlern. Im Jahr 2018 nahm beispielsweise ein europäischer Verband von sechs Einzelhändlern alle Produkte einer großen Marke aufgrund eines Preisstreits aus dem Regal und zwang das Unternehmen so zu Zugeständnissen. Es ist zu befürchten, dass die Einzelhändler ihre Macht verstärkt nutzen werden, um ihre Gewinne zu maximieren.