Wasserstoff

So wichtig die Stromerzeugung auch ist: Sie reicht nicht aus, um Deutschland kli­maneutral werden zu lassen. Denn: Einige Bereiche lassen sich nur via Wasserstoff defossilisieren – etwa die Stahlherstel­lung. Auch diverse Hochtemperaturpro­zesse sind auf dem Weg zur Emissions­freiheit auf Wasserstoff angewiesen. Zusätzlich zum Ausbau der erneuerbaren Energien im Zuge der Stromerzeugung braucht es daher Erneuerbare-Energie-Anlagen, die rein für die H2-Herstellung genutzt werden. Dabei trennen Elektro­lyseure Wasser via (grünem) Strom in Wasserstoff und Sauerstoff.

Auf dem Weg zur Wasserstoffgesell­schaft hat die Bundesregierung kürzlich drei Leitprojekte gestartet – mit etwa 740 Millionen Euro die in Summe größte För­derinitiative des Bundesforschungsminis­teriums für die Energiewende. Auch Fraun­hofer bringt sein Know-how in puncto Wasserstoff in diese Projekte ein. Das größ­te dieser drei Leitprojekte, H2Giga, widmet sich den Elektrolyseuren. Es soll den bis­herigen Manufakturbetrieb ablösen und eine automatisierte Großfertigung der Elek­trolyseure auf die Beine stellen. Das Leit­projekt H2Mare, koordiniert von Siemens Energy und dem Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS, soll die offshore erzeugte Windenergie vor Ort zur Wasserstoffherstellung nutzen. Das dritte Leitprojekt, TransHyDE, koordiniert von der Entwicklungsgesellschaft cruh21 des Projekts AquaVentus, dem Max-Planck-In­stitut für Chemische Energiekonversion und der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG, zielt auf den Transport von Wasserstoff ab: Wie lassen sich bestehende Gaspipelines umwidmen, welcher Neubaubedarf an Was­serstoff-Pipelines wird erforderlich und welche Container-basierten Lösungen sind geeignet, um H2 zu transportieren?

Eine Herausforderung auf dem Weg zur Wasserstoffgesellschaft: Wasserstoff muss in ausreichender Menge produziert werden. Hierfür braucht es genügend grü­nen Strom, große Elektrolyseure sowie Transportmöglichkeiten für den Wasser­stoff – Themen, die unter anderem in den Leitprojekten vorangetrieben werden. Deutschland wird, aller Anstrengung zum Trotz, nicht genügend Wasserstoff produ­zieren können, um die erwartete große Nachfrage bedienen zu können. Es geht daher kein Weg an Wasserstoff-Importen vorbei. Doch wie realistisch ist es, einen solchen Import bis 2030 auf die Beine zu stellen? Dies hat das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energie­technik UMSICHT gemeinsam mit dem Institut der deutschen Wirtschaft und dem Wuppertal Institut für Klima, Um­welt, Energie untersucht. Das Ergebnis: »Die anvisierten Mengen der Nationalen Wasserstoffstrategie an grünen Wasser­stoffimporten im Jahr 2030 in Höhe von 76–96 TWh/a wären technisch zwar mög­lich, aber nur mit teils erheblichen Ab­strichen in Sachen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit. Ingenieurtechnische wie die Umstellung beziehungsweise der Neubau von Pipelines oder die Ver­fügbarkeit von Schiffen, aber vor allem planungs- und genehmigungsrechtliche Zeithorizonte stehen der großskaligen Umsetzung im Weg«, sagt Dr. Christoph Glasner, Wissenschaftler am Fraunhofer UMSICHT.

Während sich das Wuppertal-Institut die ausgewählten Zielländer Chile, Marokko, Spanien und Niederlande angeschaut hat, nahmen die Fraunhofer-Forschenden vor allem den Transport des Wasserstoffs nach Deutschland via Pipeline, Lkw und Schiff ins Visier. Wie steht es um die technische Realisierbarkeit? Gibt es genehmigungs­rechtliche Einschränkungen, die Impor­te verhindern können? Über Lkw könnte man die benötigten Mengen transpor­tieren, allerdings wären dafür bis zu 1,5 Millionen Lastwagenfuhren pro Jahr nö­tig – eine wenig klimafreundliche Option. Der Seeweg ist zurzeit keine Alternative: Es gibt schlichtweg noch keine zugelasse­nen Schiffe, die Flüssigwasserstoff trans­portieren könnten. »Zwar arbeitet Japan an einem kleinen Pilotschiff. Doch bis die Tests gelaufen, der Ansatz auf große Schif­fe übertragen und diese gebaut sind, dürf­te das Jahr 2030 bereits verstrichen sein«, ist sich Dr. Bärbel Egenolf-Jonkmanns, Wissenschaftlerin am Fraunhofer UM­SICHT, sicher. Auch die Umwandlung von Wasserstoff in Ammoniak oder die Spei­cherung als flüssige organische Wasser­stoffträger LOHC bietet keine kurzfristige Lösung: Bis 2030 dürfte es kaum gelingen, die nötige Anlagentechnik sowie die In­frastruktur an den Häfen aufzubauen. »Langfristig jedoch sind die technischen Potenziale für erneuerbare Energie in den vier untersuchten Ländern ausreichend hoch, sodass sie große Mengen grünen Wasserstoffs nach Deutschland liefern könnten«, sagt Egenolf-Jonkmanns. Bis dahin gilt es, den Wasserstoff verstärkt verbrauchsnah zu erzeugen. Sprich: in Deutschland.

Aufschluss über künftige Importmög­lichkeiten gibt ein PtX-Atlas des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE: Dieser zeigt erstmals die welt­weiten Power-to-Liquid-Potenziale. Als PtL werden synthetische Kraftstoffe be­zeichnet, die via Wasserstoff aus Strom hergestellt werden. Aufgrund der Um­wandlungsverluste ist dafür äußerst güns­tiger regenerativer Strom vonnöten.

Hoffnungsträger Wasserstoff

Dr.-Ing. Andreas Menne vom Fraunhofer UMSICHT will ihn langfristig speicherbar und für den Import über weite Strecken transportierbar machen.

»Gehen wir davon aus, dass wir in 20 bis 30 Jahren etwa zwei Drittel unserer Energie in Form von Wasserstoff importieren werden, dann wird Ammoniak zu einer sehr spannenden Substanz.«

 


Dr.-Ing. Andreas Menne, Fraunhofer UMSICHT

Deutschland und Europa sind daher in diesem Bereich eher nicht konkurrenzfä­hig. »In diesem offenen, interaktiven Werk­zeug kann man sich alle Länder der Welt anschauen: Welches Potenzial haben sie, aus Strom synthetische Kraftstoffe herzu­stellen? Zu welchen Bedingungen und Kos­ten?«, fasst Maximilian Pfennig zusammen, Wissenschaftler am Fraunhofer IEE. Dabei berücksichtigten die Forscherinnen und Forscher Flächenressourcen, Wetterbedin­gungen, die lokale Wasserverfügbarkeit, Naturschutz sowie die Investitionssicher­heit. Der Atlas zeigt: In vielen Regionen der Welt können große Mengen an den ver­schiedenen Power-to-X-Energieträgern re­generativ produziert werden – langfristig, wohlgemerkt.

Unter die vielversprechendsten Power-to-X-Energieträger fällt Ammoniak: Er bietet eine gute Option für den langen Transport sowie für eine langfristige Spei­cherung von Wasserstoff. »Gehen wir da­von aus, dass wir in 20 bis 30 Jahren etwa zwei Drittel unserer Energie in Form von Wasserstoff importieren werden, dann wird Ammoniak zu einer sehr spannenden Subs­tanz«, sagt Dr.-Ing. Andreas Menne, Ab­teilungsleiter am Fraunhofer UMSICHT. Allerdings ist es derzeit noch herausfor­dernd, Ammoniak wieder zurück in Was­serstoff und Stickstoff umzuwandeln – da­zu ist viel Energie nötig. Das Forscherteam rund um Menne bringt die für diese Um­wandlung benötigte Wärme nicht wie bis­her üblich von außen ein, sondern direkt in den Katalysator. Auf diese Weise kann die Umwandlung deutlich energieeffizi­enter stattfinden und der apparative Auf­bau wird vereinfacht. »Wir gehen davon aus, dass wir die Effizienz auf diese Weise um wenigstens 20 Prozent verbessern kön­nen – was in der Verfahrenstechnik ein wahrer Quantensprung wäre«, freut sich Menne. Im Frühjahr 2022 soll der erste Prototyp stehen: Er wird etwa ein Kilo­gramm Wasserstoff pro Stunde herstellen können. Schlussendlich, so das Ziel der Forscher, wollen sie importierten Wasser­stoff auf diese Weise an dezentralen Stand­orten günstiger bereitstellen als über einen lokalen Elektrolyseur.

Thermochemisches Spei­chern

Wie wertvoll warmes Wohnen ist, zeigt gerade dieser Winter überdeutlich. Ein nachhaltiger Weg des Heizens sind So­larkollektoren. Das Manko: Die Wärme entsteht vor allem im Sommer. Einen Weg, die Energie für die kalte Jahreszeit zu speichern, hat ein Team des Fraunhofer-Instituts für Organische Elektronik, Elektronenstrahl- und Plasmatechnik FEP verbessert und das thermochemische Spei­chern im Projekt ZeoMet optimiert. Das Forschungsfeld entwickelt sich rasant. Die Idee: Zeolithe sind hochporös und in der Lage, Wärme praktisch verlustfrei über ei­nen langen Zeitraum zu speichern. So ließe sich die Wärme des Sommers im Winter nutzbar machen. Ein Problem: Bislang lie­ßen sich nur jene Zeolith-Kügelchen er­wärmen, die direkt mit der Energiequelle in Verbindung kamen. »Wir beschichten das Zeolith-Granulat mit Aluminium – so konnten wir die Wärmeleitfähigkeit be­reits im ersten Anlauf verdoppeln, ohne dass dadurch die Wasseraufnahme und -abgabe beeinträchtigt wird. Aktuell stre­ben wir durch Anpassung der Schichten eine Steigerung um den Faktor fünf bis zehn an«, sagt Dr. Heidrun Klostermann, Projektleiterin am Fraunhofer FEP. Um Hunderttausende Kügelchen gleichmä­ßig mit Aluminium zu beschichten, hat das Institut eine Spezialanlage entwickelt.

Nicht nur das Heizen, auch das Kühlen von Räumen ist ein großer »Energiefres­ser«: So wurden für die Kühlung von Wohn- und Geschäftsgebäuden im Jahr 2016 rund 2000 Terawattstunden verbraucht – das entspricht Schätzungen zufolge etwa zehn Prozent des gesamten weltweiten Strom­verbrauchs. Bis 2050 könnte sich diese Menge verdreifachen. »Wenn man in Be­standsgebäuden eine vorhandene Wärme­pumpe, also den Wärmeerzeuger, im re­versiblen Betrieb zum Kühlen einsetzen könnte, ließe sich für die Kühlung das glei­che System verwenden, das bereits zum Heizen installiert ist«, sagt Sabine Giglmeier, Wissenschaftlerin am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP. Klimageräte bräuchten dann nicht mehr neu ange­schafft zu werden, auch ließe sich Energie einsparen.

Das Team führte eine Potenzialana­lyse mit zwei Heizsystemen durch: Unter­sucht wurde, ob Radiatoren und Fußbo­denheizungen Klimageräte ersetzen können. »Alles in allem konnten wir nach­weisen, dass die über Radiatoren abgege­bene Kühlleistung bei einem moderaten Fensterflächenanteil ausreichend ist«, re­sümiert Giglmeier. Wärmepumpen mit Kühlfunktion könnten in Bestandsgebäu­den somit eine Alternative zu teuren Kli­mageräten sein.