Wir haben die Energie!

Webspecial Fraunhofer-Magazin 4.2021

Sonne, Wind, Wärme – bereit für die Wende

Es ist kalt geworden in Deutschland, und der Winter macht es deutlich: Energie ist lieb – und teuer. Das spürt der Autofah­rer bei deutlich gestiegenen Preisen an den Zapfsäulen. Das fühlt auch jeder, der es in der Wohnung warm haben will. Verviel­facht hat sich der Gaspreis, allein von April bis November ist er um 400 Prozent ge­stiegen. Doch wächst nicht nur der Druck, Energie intelligent zu steuern und einzu­sparen. Für den Einzelnen bieten erneuer­bare Energien dank deutlich gesunkener Preise immer mehr Chancen, billig und umweltfreundlich seinen Energiebedarf zu decken. Für die Gemeinschaft geht es ums Klima. Das Klimaschutzgesetz gibt das Ziel vor, Deutschland bis 2045 zu einem klima­neutralen Land werden zu lassen. Dafür muss die Netto-Emissionsbilanz auf null gedrückt werden. Als Zwischenziel bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um mindestens 65 Pro­zent gesenkt werden. Es gibt eine gute Nachricht. »Wir können die Klimaneut­ralität bis 2045 erreichen«, sagt Dr. Andrea Herbst. Allerdings fügt die wissenschaft­liche Mitarbeiterin am Fraunhofer-Institut für System und Innovationsforschung ISI auch gleich hinzu: »Doch ist das mit sehr großen Anstrengungen verbunden.«

 

 

Photovoltaik

Die Bedeutung der Photovoltaik wächst rasant: durchschnittlich jedes Jahr um 38 Prozent. Waren Anfang der 1990er-Jahre weltweit erst rund 100 000 Kilowatt installiert, kam der Sonnenstrom 2020 bereits auf 700 Millionen Kilowatt. Bleibt es bei diesem Wachstum, werden 2035 etwa 60 Milliarden Kilowatt installiert sein.

 

Windenergie

Windenergie ist aktuell die wichtigste Energiequelle für den Klimaschutz: Im Jahr 2020 produzierte sie in Deutschland 132 Terawattstunden Strom. Damit überstieg ihr Anteil erstmals die Summe aller fossilen Quellen und leistete den größten Anteil am deutschen Energiemix. Zudem gelten Windenergieanlagen als besonders effektiv in der Vermeidung von Treibhausgasemissionen.

 

Wasserstoff

Wasserstoff könnte überschüssige Wind- oder Solarenergie speichern und so eine wichtige Rolle bei der Energiewende spielen. Per Elektrolyse wird er emissionsfrei aus Wasser hergestellt.

 

Geothermie

Die in der Erdkruste gespeicherte Wärmeenergie kann zum Heizen, Kühlen und zur Stromerzeugung eingesetzt werden.

Deutsch­land auf dem Weg zur Klimaneutralität 2045

Dr. Andrea Herbst, Fraunhofer ISI
© Johannes Arlt
Leuchtende Zukunft: In der Ariadne-Studie sieht Dr. Andrea Herbst Deutschland auf dem Weg zur Klimaneutralität.

Zusammen mit mehr als 50 Forschenden aus diversen Institutionen hat Herbst kürzlich die Studie »Ariadne – Deutsch­land auf dem Weg zur Klimaneutralität 2045« veröffentlicht. Die Ergebnisse in Kurzform: erneuerbarer Strom, grüner Wasserstoff und grüne E-Fuels werden die wichtigsten Energieträger. Die erneu­erbaren Energien müssen bis 2030 massiv ausgebaut werden. Der Ausstieg aus der Kohleenergie wäre demnach tatsächlich 2030 möglich – was die Regierungspar­teien in ihrem Koalitionsvertrag als Ziel »idealerweise« festgeschrieben haben.

Die Forscherinnen und Forscher ana­lysierten sechs verschiedene Szenarien zur Erreichung der Klimaziele, dazu vier Tech­nologieschwerpunkte: direkte Elektrifi­zierung, Wasserstoff, synthetische E-Fuels wie Methan und einen Energiemix. Betei­ligt waren aus dem Fraunhofer-Exzellenz­cluster CINES neben dem Fraunhofer ISI auch die Fraunhofer-Institute für Solare Energiesysteme ISE, für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE sowie die Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfra­strukturen und Geothermie IEG.

Die Ziele sind ehrgeizig. In der Industrie müssten die CO2-Emissionen schon bis 2030 um 57 Prozent reduziert werden. »Sehr herausfordernd sind insbesondere Hochtemperaturprozesse wie Öfen und die Dampferzeugung, ebenso die Pro­zessemissionen, die durch chemische Re­aktionen entstehen«, erklärt Herbst, Co-Leiterin des Ariadne-Arbeitspakets Industriewende. Es sind daher schnell Investitio­nen nötig, ebenso ein Austausch von An­lagen, bevor diese ihr Lebenszeitende erreicht haben. Dazu kommt: Die Industrie muss von bisher günstigen Energiequellen auf zunächst teurere nachhaltige Energie­quellen wie Strom oder Wasserstoff um­schwenken. Dies ist nur mit einer Erweite­rung des regulatorischen Rahmens, welche deutlich über die derzeit implementierten und beschlossenen Maßnahmen hinaus­geht, möglich – Stichworte CO2-Bepreisung, Forschungs- und Investitionsförderung, Schließung der Wirtschaftlichkeitslücke und Ordnungsrecht. Wichtig auch: Strom und Wasserstoff müssen rund um die Uhr und in ausreichenden Mengen zur Verfü­gung stehen. »Die Versorgungssicherheit ist da ein ganz großes Thema«, sagt Herbst. Auch im Bereich der Wärmewende sind die Ziele sportlich: Bis 2030 muss die jährli­che Sanierungsrate auf 1,5 bis zwei Prozent steigen, fünf Millionen Wärmepumpen müssen installiert und etwa 1,6 Millio­nen Gebäude neu an das Fernwärmenetz angeschlossen sein. Kurzum: Um Deutsch­land in weniger als 25 Jahren klimaneutral zu machen, ist die neue Bundesregierung gezwungen, sehr schnell sehr viel auf den Weg zu bringen.

Wie die Energiewende gelingen kann, hat der Fraunhofer-Verbund CINES wei­terhin in einer Energiesystemanalyse untersucht – und sieben Empfehlungen für die neue Bundesregierung ausgespro­chen. So raten die Experten beispielsweise dazu, für die Industrie einen klaren Rah­men zu schaffen und Unternehmen auf diese Weise Investitionen in CO2-neutrale Produktionstechniken zu erlauben. Auch gilt es, Perspektiven für die Abscheidung und Speicherung von CO2 zu erarbeiten. Und: Ein stark beschleunigter Ausbau von Wind- und Solarenergie ist das Rückgrat der Energiewende.

Interviews

 

»Der finanzielle Rückenwind sollte spürbar sein«

Im Interview: Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger über ihren Ehrgeiz, ihre Neugier und ihre Pläne für die Forschung in Deutschland.

 

»Die Forschung hat schon Großartiges geleistet«

Erneuerbare Energien sieht Manuela Schwesig als Standortvorteil für die Wirtschaft: Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin im Interview.

Energiethematische Fraunhofer-Einrichtungen

 

Fraunhofer-Allianz
Energie

Die Fraunhofer-Allianz Energie ist das Portal zu dem Forschungs- und Dienst­­leistungs­angebot der Fraunhofer-Gesellschaft in den Bereichen Energie­technologie und Energie­wirtschaft.

 

Fraunhofer Cluster of Excellence Integrated Energy Systems CINES

Der Fraunhofer-Forschungscluster Integrierte Energiesysteme CINES adressiert die zentralen technologischen und ökonomischen Herausforderungen der Energiewende. Ziel ist die System- und Marktintegration hoher Anteile variabler Erneuerbarer Energien in das Energiesystem. Dafür bündelt CINES die Kompetenzen der Institute für angewandte Energieforschung der Fraunhofer-Gesellschaft.

 

Fraunhofer »ENIQ – Energy Intelligence by Fraunhofer«

Fraunhofer ENIQ ist das Frontend der Fraunhofer-Energieforschung in Berlin. Hier diskutieren wir mit Akteuren aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft über technologische und systemische Innovationen zur Energiesystemtransformation. Kommen Sie vor Ort oder digital vorbei für spannende Konferenzen, digitale Formate und Expert-Sessions und erleben Sie im Raum die neusten use cases aus den Fraunhofer-Energieinstituten.

Podcasts

 

Dr. Martin Dörenkämper und Dr. Steffen Czichon | Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme IWES / 10.12.2021

Quo vadis Windenergie?

»Mit dem Ausbau der Windenergie kann und wird die Energiewende gelingen. Zudem werden Wirtschaftsbranchen rund um die Windenergie gestärkt und Arbeitsplätze gesichert.«

 

Dr. Martin Weibelzahl | Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik FIT / 29.10.2021

Energiekrise: Steigen die Strompreise weiter?

»Wir müssen die erneuerbaren Energien massiv ausbauen, um die Unabhängigkeit von ausländischen Energielieferanten zu verbessern.«

 

Prof. Dr.-Ing. Holger Seidlitz | Leiter des Forschungsbereichs »Po lymermaterialien und Composite PYCO« / 17.9.2021

Wasserstoffkraftwerk

»Unsere Vision ist es, Privathaushalten die Möglichkeit zu geben, eigenen grünen Wasserstoff zu erzeugen.«

 

Sven Möller | Fraunhofer IOSB, Institutsteil für angewandte Systemtechnik / 30.7.2021

Energiewende managen – Redispatch 2.0

»Die Einspeisung erneuerbarer Energie muss geplant, gesteuert und gemanagt werden, um Engpässe zu vermeiden. Eine große Herausforderung, mit der wir uns beschäftigen und für die wir Lösungen anbieten.«

 

Prof. Dr. Alexander Böker | Fraunhofer IAP und Dr. Markus Wolperdinger | Fraunhofer IGB / 1.7.2021

Forschungsquartett | detektor.fm

Den Wandel gestalten

Null-Grad-Ziel, Klimaabkommen, European Green Deal: CO2-Neutralität und nachhaltiges Wirtschaften sind alternativlos. Die Bioökonomie erforscht, mit welchen neuen Verfahren, Techniken und Materialien diese Ziele erreicht werden können.

 

Jana Köberlein und Stefan Roth | Fraunhofer-Institut für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV / 5.3.2021

Energieflexible
Fabrik

»Im SynErgie-Projekt haben wir mit der energieflexiblen Fabrik einen Lösungsbaustein, der die Integration von erneuerbaren Energien unterstützen kann. SynErgie ist ein Wegbereiter für die Industrie, die mit neuen Digitalisierungslösungen befähigt wird, nachhaltig und wirtschaftlich zu agieren.«

 

 

Prof. Dr. Albert Heuberger | Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS / 18.3.2021

Forschungsquartett | detektor.fm

Mit Wasserstoff in die nachhaltige Energiewirtschaft

»Letztlich geht es darum, dass wir langfristig eine Kreislaufwirtschaft brauchen. Darum, dass wir eben nicht die Rohstoffe aus der Erde holen, sondern dass wir sie im Kreislauf führen.«