Zusammen mit mehr als 50 Forschenden aus diversen Institutionen hat Herbst kürzlich die Studie »Ariadne – Deutschland auf dem Weg zur Klimaneutralität 2045« veröffentlicht. Die Ergebnisse in Kurzform: erneuerbarer Strom, grüner Wasserstoff und grüne E-Fuels werden die wichtigsten Energieträger. Die erneuerbaren Energien müssen bis 2030 massiv ausgebaut werden. Der Ausstieg aus der Kohleenergie wäre demnach tatsächlich 2030 möglich – was die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag als Ziel »idealerweise« festgeschrieben haben.
Die Forscherinnen und Forscher analysierten sechs verschiedene Szenarien zur Erreichung der Klimaziele, dazu vier Technologieschwerpunkte: direkte Elektrifizierung, Wasserstoff, synthetische E-Fuels wie Methan und einen Energiemix. Beteiligt waren aus dem Fraunhofer-Exzellenzcluster CINES neben dem Fraunhofer ISI auch die Fraunhofer-Institute für Solare Energiesysteme ISE, für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE sowie die Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG.
Die Ziele sind ehrgeizig. In der Industrie müssten die CO2-Emissionen schon bis 2030 um 57 Prozent reduziert werden. »Sehr herausfordernd sind insbesondere Hochtemperaturprozesse wie Öfen und die Dampferzeugung, ebenso die Prozessemissionen, die durch chemische Reaktionen entstehen«, erklärt Herbst, Co-Leiterin des Ariadne-Arbeitspakets Industriewende. Es sind daher schnell Investitionen nötig, ebenso ein Austausch von Anlagen, bevor diese ihr Lebenszeitende erreicht haben. Dazu kommt: Die Industrie muss von bisher günstigen Energiequellen auf zunächst teurere nachhaltige Energiequellen wie Strom oder Wasserstoff umschwenken. Dies ist nur mit einer Erweiterung des regulatorischen Rahmens, welche deutlich über die derzeit implementierten und beschlossenen Maßnahmen hinausgeht, möglich – Stichworte CO2-Bepreisung, Forschungs- und Investitionsförderung, Schließung der Wirtschaftlichkeitslücke und Ordnungsrecht. Wichtig auch: Strom und Wasserstoff müssen rund um die Uhr und in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen. »Die Versorgungssicherheit ist da ein ganz großes Thema«, sagt Herbst. Auch im Bereich der Wärmewende sind die Ziele sportlich: Bis 2030 muss die jährliche Sanierungsrate auf 1,5 bis zwei Prozent steigen, fünf Millionen Wärmepumpen müssen installiert und etwa 1,6 Millionen Gebäude neu an das Fernwärmenetz angeschlossen sein. Kurzum: Um Deutschland in weniger als 25 Jahren klimaneutral zu machen, ist die neue Bundesregierung gezwungen, sehr schnell sehr viel auf den Weg zu bringen.
Wie die Energiewende gelingen kann, hat der Fraunhofer-Verbund CINES weiterhin in einer Energiesystemanalyse untersucht – und sieben Empfehlungen für die neue Bundesregierung ausgesprochen. So raten die Experten beispielsweise dazu, für die Industrie einen klaren Rahmen zu schaffen und Unternehmen auf diese Weise Investitionen in CO2-neutrale Produktionstechniken zu erlauben. Auch gilt es, Perspektiven für die Abscheidung und Speicherung von CO2 zu erarbeiten. Und: Ein stark beschleunigter Ausbau von Wind- und Solarenergie ist das Rückgrat der Energiewende.