»Nimmt man an, dass sich die Menschheit als Ganzes für die kostengünstigste Alternative entscheidet, kommt man zu dem Ergebnis, dass die Photovoltaik die wichtigste Energiequelle werden wird«, sagt Dr. Jan Christoph Goldschmidt, langjähriger Mitarbeiter am Fraunhofer ISE und seit Kurzem Professor für Experimentalphysik an der Philipps-Universität Marburg. »Rund die Hälfte des weltweiten Stroms muss langfristig von der Sonne kommen. Das heißt: 2050 sollten 20 bis 80 Terawatt Photovoltaik-Leistung installiert sein, 2100 dann 80 bis 170 Terawatt.« Zum Vergleich: Ein Atomkraftwerk hat eine Leistung von etwas über einem Gigawatt, also 0,001 Terawatt.
Doch ist mit einem solchen Ausbau der Photovoltaik ein hoher Ressourcenbedarf verbunden. Eine neue Studie des Fraunhofer ISE und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung PIK beleuchtet dieses Manko. Das Ergebnis: Ein derart rasantes Wachstum der Photovoltaik ist durchaus möglich. Doch braucht es dafür sowohl effizientere Herstellungstechnologien als auch Recyclingstrukturen für die Altanlagen. »Um das Ziel zu erreichen, müssen wir mit voller Kraft die heutigen Solarzellen installieren und gleichzeitig die Innovation vorantreiben«, betont Goldschmidt. Die Entwicklung bei den Solarzellen lässt sich über Lernkurven beschreiben: So ist nicht nur der Preis stetig gesunken, sondern auch der Energiebedarf bei der Herstellung sowie der Silberverbrauch.
Allerdings dürfte im Jahr 2100 mehr Glas für die Photovoltaikproduktion benötigt werden, als derzeit weltweit hergestellt wird. Kritisch könnte die Versorgungslage bei Metallen wie Silber werden: Der Gesamtverbrauch könnte sich bestenfalls nahe dem heutigen Niveau von rund 2860 Tonnen pro Jahr bewegen – ein gleichbleibendes Innovationstempo vorausgesetzt. Auch in puncto Herstellungsenergie macht die Studie Mut: Der Energieverbrauch für die Produktion von Photovoltaiksystemen dürfte sich bei etwa vier Prozent des Stroms einpendeln, den die Solarzellen liefern. Damit würde er in der gleichen Größenordnung liegen wie der Eigenenergieverbrauch bei den fossilen Energieträgern.
Aber auch hier ist Innovation notwendig: Würden viele Photovoltaik-Module mit Kohlestrom hergestellt, würde dies einen signifikanten Teil des CO2-Budgets aufbrauchen. Doch ist Photovoltaik nicht gleich Photovoltaik, was den CO2-Rucksack angeht. »Mit PV-Modulen, die in der EU hergestellt wurden, spart man 40 Prozent an CO2-Emissionen im Vergleich zu Modulen, die aus China importiert wurden«, erklärt Neuhaus, Abteilungsleiter am Fraunhofer ISE. Das ergab eine weitere Studie des Fraunhofer ISE. Allerdings: Im Jahr 2019 wurden 76 Prozent aller Solarzellen und 71 Prozent der PV-Module in China produziert.
Die Grundlage für die Studie bildete ein Tool des Fraunhofer ISE zur Kostenkalkulation, das jeden einzelnen Herstellungsschritt abbildet – vom Rohsilizium über die Waferherstellung bis hin zur Solarzellen- und Modulherstellung. »Wir können klare Aussagen dazu treffen, wie viel Energie für die Herstellung eines speziellen Moduls benötigt wird und wie groß sein CO2-Rucksack in verschiedenen Ländern ist«, erläutert Dr. Holger Neuhaus, Abteilungsleiter am Fraunhofer ISE. »Den Unterschied macht vor allem der Energiemix, auf den das jeweilige Land setzt. Während in China ein großer Teil der Energie über Kohleverbrennung erzeugt wird, stammen in Deutschland mittlerweile über 50 Prozent des benötigten Stroms aus erneuerbaren Energiequellen.« Der Transport der Solarzellen von China nach Deutschland schlägt dagegen nur mit drei Prozent höheren Emissionen zu Buche. Unterschiede in der CO2-Bilanz weisen auch die verschiedenen Solarzellen-Typen auf: So werden bei der Herstellung der rahmenlosen Glas-Glas-Module 7,5 bis 12,5 Prozent weniger klimaschädliche Gase emittiert als bei PV-Modulen mit Rückseitenfolien. Rechnet man noch die deutlich längere Lebenszeit der Glas-Glas-Module mit ein, so entstehen sogar 22 bis 27 Prozent weniger CO2-Emissionen. Dennoch gilt es ob dieser Untersuchungen eines zu betonen: Obwohl Solarzellen aufgrund ihrer Herstellung natürlich nicht vollkommen emissionsfrei sind, ist diese Emission 40-mal geringer als die, die bei der Förderung und Verbrennung von Braunkohle entsteht.
Das Fraunhofer ISE belässt es jedoch nicht bei der Theorie der Studien, sondern entwickelt auch die nötigen Technologien, um das Innovationstempo aufrechtzuerhalten. Etwa im Bereich des Silberverbrauchs. So konnte der Materialverbrauch von Silber um etwa 20 Prozent reduziert und der Wirkungsgrad um ein Prozent gesteigert werden, indem die Kontakte dünner gestaltet wurden. Diese Technologie wird mittlerweile von der Fraunhofer-Ausgründung Highline weiter vorangetrieben. Die Fraunhofer-ISE-Ausgründung PV2plus dagegen konnte die Silberkontakte gänzlich durch Kontakte aus Kupfer ersetzen. Dabei würde allein die Menge an Kupfer, die in Deutschland recycelt wird, für den zukünftigen globalen Bedarf in der Solarzellenherstellung ausreichen. Der energieeffizienten Herstellung von Photovoltaikmodulen widmet sich die Firma NexWafe, die ebenfalls aus einer Technologie des Fraunhofer ISE hervorgegangen ist. Mithilfe eines innovativen Produktionsverfahrens ist es ihnen gelungen, Silizium-Wafer, das Herzstück jeder Photovoltaikzelle, wesentlich effizienter herzustellen als bisher möglich.