Quantentechnologien

Abenteuer Zukunft – es hat begonnen!

Webspecial zur Titelstory des Fraunhofer-Magazins 4.2019

Willkommen in der Welt der Quanten, wo nichts logisch, aber alles möglich scheint. Hier beginnt für uns die Reise in ein neues Zeitalter, in dem Quantentechnologien uns helfen, die Welt besser zu verstehen und zu organisieren. Fraunhofer bringt sie in die Anwendung.

 

Die Intuition kann sie nicht fassen. Albert Einstein, 1879 geboren, fand sie »spukhaft«. Doch nun erreicht die Quantenphysik die Lebenswirklichkeit. Selten waren sich Experten so einig, dass Quantentechnologien zum »Game Changer« werden, zu einem Faktor, der die Welt verändert. Beispiel Medizin: Quantensensoren könnten bislang ungeahnte Einblicke in Gehirnfunktionen geben. Quantenoptische Verfahren die Diagnose von Krankheiten revolutionieren. Quantencomputer könnten neue Einblicke in die Wirkungen von Molekülen schaffen und dazu beitragen, Medikamente effizienter zusammenzusetzen und kostengünstiger herzustellen.

Wenn Quantentechnologien in die Anwendung kommen, sind die Möglichkeiten noch kaum absehbar, so gewaltig ist das Potenzial. Gibt es neue Chancen für das Klima, wenn sich die Veränderungen genauestens messen und vorherberechnen lassen? Welche neuen Produkte wird es geben, wenn sich Materialien schneller und günstiger entwickeln und prüfen lassen? Ist der Verkehrsstillstand in den Städten Geschichte, wenn Quantencomputer für jeden einzelnen die Fahrwege optimieren? Wird es abhörsichere und souveräne digitale Infrastrukturen für Wirtschaft und Privatpersonen geben?

Die Erwartungen sind gigantisch, die Einsätze groß. Bis 2022 stellt die Bundesregierung 650 Millionen Euro für die Erforschung von Quantentechnologien zur Verfügung. Die EU fördert mit ihrer Quantum-Flagship-Initiative die europäische Forschung mit einer Milliarde Euro in den kommenden zehn Jahren. Und die Fraunhofer-Gesellschaft bringt zusammen mit dem US-Unternehmen IBM den ersten kommerziellen Quantencomputer als offene Forschungsplattform nach Europa. Bis Ende 2021 soll er vor Ort in Deutschland verfügbar sein. Professor Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, erwartet einen »entscheidenden Fortschritt für die deutsche Forschung und Unternehmen aller Größenordnungen«, und das »unter vollständiger Datenhoheit nach europäischem Recht«.

Video: Die Welt der Quanten

 

Quantencomputing

IBM und die Fraunhofer-Gesellschaft, die führende Organisation für angewandte Forschung in Europa, gaben am 10.9.2019  eine Vereinbarung über eine Partnerschaft bekannt, die die Forschung auf dem Gebiet des Quantencomputings in Deutschland fördern und entscheidend voranbringen wird. Ziel ist es, die Kompetenzen und Strategien rund um das Thema Quantencomputing für die Industrie und anwendungsorientierte Verfahren voranzutreiben.

 

Quantenkommunikation

Digitale Souveränität und Datensicherheit sind grundlegende Voraussetzungen für eine funktionierende digitale Gesellschaft. Quantenkommunikation schafft eine neue Qualität der Sicherheit. Forschende entwickeln derzeit quantenbasierte Verschlüsselungsverfahren, die Datenleitungen künftig abhörsicher machen.

 

Quantenimaging

Weitreichende Auswirkungen auf alle Bereiche der Optik wird das Quantenimaging haben: In der biomedizinischen Bildgebung und medizinischen Diagnostik, der Sicherheitstechnik und der autonomen Mobilität schaffen Quanten Durchblick, wo bislang blinde Flecken sind.

Quanten-KI

Auf dem Sprint zur Quanten-KI

Echte Sprunginnovationen liefern soll der Quantencomputer bei der künstlichen Intelligenz (KI). Durch die Verbindung der zwei Schlüsseltechnologien entsteht aktuell ein neues interdisziplinäres Forschungsgebiet: das Quanten-Maschinelle Lernen (QML).

 

Quantensensorik

Neue Chancen für die Medizin durch Quantensensorik

Messen lässt sich in der Quantenwelt nicht nur mit Photonen, sondern auch mit Elektronen. Ein Forscherteam am Fraunhofer IAF in Freiburg entwickelt mit den kleinsten Teilchen genaueste Quantensensoren.

 

Interview mit Professor Tünnermann, Fraunhofer IOF

 »Deutschland ist in einer sehr guten Ausgangsposition«

Prof. Andreas Tünnermann leitet das Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF in Jena und ist einer der führenden Köpfe im Bereich der Quantentechnologien bei Fraunhofer.

Fraunhofer-Leitprojekte und Initiativen zum Thema Quantentechnologie

Fraunhofer-Leitprojekt

QUILT – Quantum Methods for Advanced Imaging Solutions

Seit einigen Jahren konnten Quantenforscher eine Reihe wissenschaftlicher Durchbrüche erzielen. Ihnen gelingt es nun, exotische Quantenzustände gezielt zu erzeugen, sie zu manipulieren und in richtungsweisenden Experimenten disruptives Anwendungspotenzial zu demonstrieren. Wissenschaftler sprechen von einer »zweiten Quantenrevolution«, in der die Quantentechnologie zur Schlüsseltechnologie der modernen Informationsgesellschaft aufsteigen wird. Insbesondere im Bereich des Quantenimagings ist die Fraunhofer-Gesellschaft mit ihren Instituten und Partnern aus Wissenschaft und Industrie exzellent aufgestellt, diese Revolution proaktiv zu gestalten. Auf dieser Basis entwickelt QUILT neue Abbildungs- und Detektionsverfahren.  

Fraunhofer-Leitprojekt

QMag – Quantenmagnetometrie

Die Freiburger Fraunhofer-Institute IAF, IPM und IWM wollen die Quantenmagnetometrie aus dem universitären Forschungsumfeld in konkrete industrielle Anwendungen überführen. Im Schulterschluss mit den Fraunhofer-Instituten IMM, IISB und dem Fraunhofer Centre for Applied Photonics CAP entwickelt das Forscherteam hochintegrierte und bildgebende Quantenmagnetometer mit höchster Ortsauflösung und optimierter Empfindlichkeit.

QuNET – Abhörsichere Quantenkommunikation

Im Rahmen der BMBF-geförderten Initiative QuNET werden die Fraunhofer-Gesellschaft, die Max-Planck-Gesellschaft und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt ein Pilotnetz zur Quantenkommunikation in Deutschland aufbauen, das der abhör- und manipulationssicheren Datenübertragung dient.

 

Fraunhofer Strategisches Forschungsfeld Quantentechnologien

Willkommen in der Quantenwelt

Willkommen in der Quantenwelt

Quantenphysik ist in unserem Alltag praktisch kaum erlebbar. Alles für uns direkt Erfahrbare – alle makroskopischen, größeren Dinge – gehorcht den Prinzipien der klassischen Physik. Doch im Kleinen, auf atomarer Ebene, werden diese auf den Kopf gestellt: Denn dort zeigen sich die Gesetze der Quantenphysik. Und die erscheinen nicht nur auf den ersten Blick merkwürdig: Elementarteilchen, Atome und Moleküle können sich wie Teilchen oder Wellen verhalten. Sie können sich überlagern und damit mehrere Zustände gleichzeitig einnehmen. Und sie lassen sich miteinander verschränken, so dass ein Teilchen immer die komplementäre Information zu seinem Zwilling besitzt – egal wo dieser sich befindet. Vor allem die Unsicherheit des Zustands eines Teilchens ist in der Quantenmechanik fundamental. Es befindet sich in einer sogenannten Superposition von verschiedenen möglichen Zuständen. Kurz: Nichts steht fest, aber alles ist möglich. Es geht also um Wahrscheinlichkeiten, genauer um Wahrscheinlichkeitswellen. Erst wenn man ein Teilchen beobachtet oder misst, weiß man, an welcher Position, in welchem Zustand es sich genau befindet – und zerstört damit gleichzeitig den Quantenzustand.

Welle-Teilchen-Dualismus

Welle-Teilchen-Dualismus

Elementarteilchen wie Photonen oder Elektronen, sogar Atome oder Moleküle verhalten sich manchmal wie Wellen und manchmal wie Teilchen. Während ein klassisches Teilchen nur an einem Ort sein kann, breitet sich eine klassische Welle im Raum aus und kann sich mit anderen Wellen überlagern.

Quanten-Tunneleffekt

Quanten-Tunneleffekt

Teilchen können sich aufgrund ihrer Welleneigenschaften durch Energiebarrieren bewegen als würden sie durch Wände gehen. Da Menschen aus Atomen bestehen, gibt es eine theoretische Wahrscheinlichkeit ungleich Null, dass jedes einzelne Teilchen im menschlichen Körper die Potentialbarrieren einer Wand überwindet. Der Versuch, das zu beweisen, könnte jedoch schmerzhaft werden.

Schrödingers Katze

Schrödingers Katze

Das vielleicht berühmteste Gedankenexperiment, um Quantenphysik zu erklären. In einer Kiste sitzt eine Katze zusammen mit einer Giftgasampulle. Durch einen Mechanismus, der durch ein radioaktives Teilchen ausgelöst wird, besteht zu jedem Zeitpunkt die Wahrscheinlichkeit, dass das tödliche Gift freigesetzt wurde. Der radioaktive Zerfall bietet dabei einen idealen Zufallsgenerator für diesen Zeitpunkt. Ohne Wechselwirkung mit der Außenwelt befindet sich Schrödingers Quantenkatze also in einer Superposition, verschränkt mit dem Zustand des radioaktiven Teilchens. Sie ist quasi sowohl lebendig als auch tot. Erst wenn jemand in der Kiste nachschaut, wird das Tier auf einen von beiden Zuständen festgelegt. 

Quantenverschränkung

Diesen Effekt nannte Einstein noch »spukhafte Fernwirkung«. Sind zwei Teilchen miteinander verschränkt, ergänzen sie sich immer in ihren Eigenschaften. Sie sind untrennbar verbunden, auch wenn sie Lichtjahre voneinander getrennt sind. Misst man zum Beispiel bei einem Zwillingsphoton eine vertikale Polarisation, dann ist das andere Photon sofort horizontal polarisiert. Und das, obwohl sein Zustand unmittelbar vorher noch nicht festgelegt war und kein Signal zwischen den beiden Teilchen ausgetauscht wurde.

Zeitstrahl: Die Geschichte der Quantenphysik

1900

Geburtsstunde der Quantenphysik – Max Planck stellt die Quantentheorie auf: Licht besteht aus winzigen, unteilbaren Energiepaketen, den Quanten

1913

Niels Bohr entwickelt erste Vorstellung von einem quantisierten Atom

1915

Einstein stellt Allgemeine Relativitätstheorie auf und geht von Lichtphotonen als Teilchen aus

1924

Louis-Viktor de Broglie begründet den Welle-Teilchen-Dualismus

1925

Erwin Schrödinger beschreibt Materiewellen als Wahrscheinlichkeitswellen und erstellt eine grundlegende Gleichung der Quantenmechanik, die Schrödingergleichung

1927

Werner Heisenberg formuliert Unschärferelation: Ort und Geschwindigkeit eines Elektrons sind nicht zugleich bestimmbar.

1935

Gedankenexperiment Schrödingers Katze

1938

Erste Kernspaltung durch Otto Hahn, wenig später Bau der ersten Atombombe

1953

Gründung des CERN (Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire) zur Untersuchung subatomarer Teilchen

Seit den 50er Jahren

Beginn der ersten Quantenrevolution durch praktische Nutzung von Effekten makroskopischer Quantensysteme

1954

Erste Mikrowelle

1958

Erster Mikrochip

1960

Erster Laser

1966

John Bell erstellt Bellsche Ungleichung: Es gibt keine lokalen verborgenen Parameter, die das Verhalten eines Quantensystems bestimmen

1974

Doppelspaltexperiment mit einzelnen Elektronen beweist Theorie des Welle-Teilchen-Dualismus

1982

Alain Aspect beweist mit Experimenten die Hypothese der Quantenverschränkung

Seit den 90ern

Beginn der zweiten Quantenrevolution durch Manipulation und Kontrolle einzelner Quanten

1997

Erste Quantenteleportation durch Zeilinger an Universität Innsbruck

In den 90ern

Erste experimentale Quantencomputer mit 3, 5 und 7 Qubits

2014

fehlerfreier Datentransfer durch Teleportation als Grundlage für das Quanteninternet

2016

China schießt ersten Quantenverschlüsselungssatellit Micius zu Forschungszwecken ins All

2017

China baut erstes Quantenkommunikationsnetzwerk auf

2018

EU fördert im Quantum-Flagship Quantentechnologien mit 1 Mrd. Euro,
Fraunhofer-Leitprojekt QUILT startet

2019

IBM stellt ersten kommerziellen Q-Computer Q System One vor

Initiative QuNet von Fraunhofer, Max Planck und DLR startet

Fraunhofer-Leitprojekt QMAG startet,

Fraunhofer und IBM kündigen an, den ersten Quantencomputer nach Europa zu holen

5 Branchen, die Quantentechnologien künftig verändern könnten:

Medizin und Gesundheitswesen

Bessere Einblicke in biologische Prozesse, effizientere Entwicklung von Medikamenten, Verbesserung von Diagnoseverfahren

Logistik und Verkehr 

Optimale Verkehrs- und Logistikrouten, effizientere Standortentscheidungen z.B. für Lagerhäuser, Optimierung von Energienetzwerken

Finanzbranche 

Optimierung von Finanzportfolios, Risikoanalysen, Betrugserkennung und -prognose, sichere Kommunikation und Datentransfer z.B. für Onlinebanking

Materialwissenschaften

Simulation völlig neuer Materialien auf molekularer Ebene, schnellere Entwicklung, genauere Materialprüfverfahren

IT und Sicherheit 

Leistungsfähigere Rechner für bislang unlösbare Probleme, abhörsichere Kommunikationsnetze