Mit verschränkten Quanten Unsichtbares sichtbar machen
Dr. Markus Gräfe und Marta Gilaberte Basset vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF nutzen die Fähigkeiten verschränkter Photonen im noch jungen Forschungsgebiet des Quantenimaging. »Mediziner kämpfen bislang mit dem Problem, dass menschliche Zellproben äußerst lichtempfindlich sind. Vor allem UV-Licht schädigt die Zellen. Das schränkt die Untersuchungszeit ein«, sagt Gilaberte Basset. Künftig könnten durch Quantenbildgebung mit minimaler Strahlungsdosis Gewebezellen viel länger mit hoher Auflösung zerstörungsfrei beobachtet und analysiert werden – sogar bei Zellprozessen, die sich über Minuten oder Stunden erstrecken.
Im Labor in Jena blitzen blaue Laserstrahlen zwischen aufwendigen Apparaturen auf. Gräfe erklärt: »Wir nutzen verschränkte Photonen, die das gesamte optische Spektrum von Infrarot bis Ultraviolett abdecken, in unseren mikroskopischen Systemen. Damit können wir Objekte auch in Wellenlängenbereichen sichtbar machen, die bislang unsichtbar waren. Vereinfacht gesagt, wird für die Untersuchung des Objekts ein anderer Lichtstrahl genutzt als für die Bildgebung in der Kamera. Während die einen Photonen zum zu detektierenden Objekt im unsichtbaren Wellenlängenbereich geschickt werden, werden die Zwillingsphotonen im sichtbaren Spektrum von einer Kamera eingefangen. Da die verschränkten Lichtteilchen die gleiche Information in sich tragen, entsteht ein Bild, obwohl das Licht, das die Kamera erreicht, das eigentliche Objekt nie »gesehen« hat.«
Für die Physikerin und Weltraumforscherin Marta Gilaberte Basset sind solche Effekte in der Quantenwelt faszinierend. »Mit unserer Vorstellung können wir die Quantenwelt nur schwer erfassen. Dennoch erleben wir im Labor täglich, dass ihre Gesetzmäßigkeiten funktionieren. Letztlich geht es darum, die Existenz zweier unterschiedlicher Einheiten zuzulassen.« Basset glaubt an Anwendungen in der Praxis, um etwa hochqualitative Aufnahmen für die Diagnose von Krebs zu ermöglichen. Damit beschäftigt sie sich aktuell auch in ihrer Dissertation.
Ihre Freude an der Anwendungsentwicklung hat das Forscherteam des IOF weltweit dokumentiert – mit dem ersten Quantenvideo der Welt. Als allererstes Objekt in einem Quantenvideo filmten sie – ohne dass die Kamera darauf gerichtet war! – einen Smiley: Sinnbild für den Gemütszustand der Forscherinnen und Forscher angesichts dieses Meilensteins der Quantenbildgebung.
Wirtschaftsnähe hat für das IOF-Team oberste Priorität. Als eine der wichtigsten Herausforderungen nennt Markus Gräfe, Quantentechnologie in bestehende Mikroskopie-Systeme zu integrieren. Damit will er die Hürden für Anwender aus der Industrie senken. »Kein Mensch will schließlich mit mehreren oder überdimensionierten Systemen arbeiten«, erklärt Gräfe. »Deshalb sind wir in ständigem Austausch mit Mikroskopherstellern wie Carl Zeiss Jena und arbeiten gemeinsam an praktikablen Lösungen.« Ihre Forschungsarbeit bei der Quantenbildgebung bündelt das IOF mit den Kompetenzen fünf weiterer Fraunhofer-Institute im Leitprojekt QUILT – Quantum Methods for Advanced Imaging Solutions. Um die Anwendungsnähe der Entwicklungen sicherzustellen, ist auch ein aus mehreren Unternehmen bestehender Industriebeirat am Konsortium beteiligt. Ziel ist es, quantenbasierte Lösungen für Bildgebung, Spektroskopie und Analytik zu entwickeln.
Ein Erfolg, den Gräfe, Gilaberte Basset und ihre Fraunhofer-Kollegen bereits erreicht haben, ist ein tragbares Demonstrator-Mikroskop für Life-Science-Anwendungen. Zudem entwickelte ein Forscherteam am Fraunhofer IPM in Freiburg im Rahmen von QUILT erstmals ein Quantenspektrometer für den mittleren Infrarotbereich. Neben dem Medizinbereich lassen sich solche Ansätze auch auf andere Bereiche übertragen, zum Beispiel Materialwissenschaften. So könnten etwa in der Automobilbranche bessere Detektoren Lackschichten im Terahertzbereich genauer prüfen.