Quantensensorik

Neue Chancen für die Medizin durch Quantensensorik

Dr. Jan Jeske forscht am Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF an winzigen Quantensensoren auf Basis von Diamant.
© Dominik Büttner
Dr. Jan Jeske forscht am Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF an winzigen Quantensensoren auf Basis von Diamant.

Messen lässt sich in der Quantenwelt nicht nur mit Photonen, sondern auch mit Elektronen. Ein Forscherteam am Fraunhofer IAF in Freiburg entwickelt mit den kleinsten Teilchen genaueste Quantensensoren.

Das Grundprinzip der Quantensensorik ist simpel: Um Atomkerne fliegen Elektronen, die sich wie ein Kreisel um sich selbst drehen. Diese Drehung heißt Spin – eine quantenmechanische Eigenschaft. Durch den Elektronenspin bildet sich ein magnetischer Dipol um das Elektron, der von anderen magnetischen Feldern angezogen oder abgestoßen wird. So entsteht der kleinste Magnet der Welt.

Für diese so genannte Quantenmagnetometrie nutzt das Fraunhofer IAF Diamanten. Der dortige Quantenexperte Jan Jeske erklärt das Verfahren: »Wir messen die Zustände von Elektronen eines ganz bestimmten Defekts im Diamantgitter, einem sogenannten Stickstoff-Vakanz (NV)-Zentrum in Diamant. Dieses NV-Zentrum erlaubt es uns, den Elektronenspin optisch zu messen. Ein Magnetfeld verschiebt die Energien der Spin-Zustände, was wir durch eine Änderung der Helligkeit messen. Dadurch entsteht der Sensor. Das Material Diamant ist dafür gut geeignet, weil es auch bei Raumtemperatur sehr stabil ist und lange Kohärenzzeiten ermöglicht. Um NV-Zentren zu erzeugen geben wir Stickstoff-Atome in den Diamanten und erzeugen dann nebenan eine Leerstelle.«

Krankheiten besser erkennen

Enorme Fortschritte können solche Quantensensoren in der Medizintechnik bringen, zum Beispiel für eine schnellere und bessere Krebsdiagnostik. Das Freiburger Forscherteam will dafür das gängige MRT-Verfahren mit einem sogenannten Polarisator aus Nanodiamanten verbessern. Dieser wird mit Biomarkermolekülen kombiniert, die den Menschen vor der MRT-Untersuchung injiziert werden. Die Bildgebung wird dank dieses Verfahrens 10 000-fach empfindlicher. Quantensensorik soll auch helfen, eine der häufigsten Todesursachen zu bekämpfen. Bei der Diagnose von Herz-Kreislauf-Erkrankungen können Risiken dank der Messung kleinster Magnetfelder bei Stoffwechselprozessen des Herzgewebes besser erkannt werden. Im Projekt MetaboliQs entwickeln die Forschenden am IAF derzeit einen Diamant-Polarisator, der bei Raumtemperatur eine 160-fach höhere Effizienz, eine 40-fach schnellere und vierfach billigere Polarisation ermöglicht als bislang.

Der medizinischen Diagnostik öffnet die Quantensensorik neue Türen – sie stößt aber auch neue Tore für Industrie und Produktion auf. Zum Beispiel, um kleinste Materialrisse oder Verformungen über ihre Magnetfeldsignatur zu messen. So lassen sich künftig mikro- und nanoelektronische Bauelemente zerstörungsfrei prüfen. Um Magnetometer für solche Anwendungen zu optimieren, rief die Fraunhofer-Gesellschaft 2019 das Leitprojekt QMAG ins Leben, an dem sechs Fraunhofer-Institute und zwei Universitäten beteiligt sind.

In den nächsten zehn bis zwanzig Jahren werden wir also einige Quantensprünge in den unterschiedlichsten Bereichen erleben. Es wird möglich, Materie in all ihren Facetten zu verstehen und zu nutzen. Nicht nur Zustände, auch Interaktionen auf atomarer Ebene lassen sich mit unglaublicher Genauigkeit messen, analysieren und berechnen. Kurz: Wir können mehr messen, deshalb mehr wissen und mit diesem Wissen anders umgehen. Das Abenteuer Zukunft – es hat begonnen.