Unzählige Schiffstypen und ihr unterschiedlicher Aufbau sowie die Besonderheiten des Einsatzes auf dem Wasser stellen für die klassische Feuerwehr seltene und daher schwierige Einsatzbedingungen dar und bergen viele Risiken. So müssen sich die Einsatzkräfte bei einem Feuer im Maschinenraum mitsamt ihrer Ausrüstung und schwerem Schlauch in der Hand durch mehrere Decks, Rauch und Hitze bis ins tiefste Innere des Schiffes vorkämpfen.
Diese Risiken zu minimieren ist das Ziel vom »Einsatzunterstützungssystem für Feuerwehren zur Gefahrenbekämpfung an Bord von Seeschiffen« (EFAS). Das Verbundprojekt wird im Themenfeld „Zivile Sicherheit– Innovative Rettungs- und Sicherheitssysteme“ im Rahmen des Programms „Forschung für die zivile Sicherheit 2012-2017“ der Bundesregierung gefördert. Nach drei Jahren Forschung haben die Projektpartner nun ein System entwickelt, das die Brandbekämpfung auch über solche Einsätze hinaus optimieren kann.
Neben dem Fraunhofer FKIE mit im Verbund sind das Institut für Sicherheitstechnik/Schiffsicherheit, die Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung Denkendorf, der Software-Hersteller MARSIG, der Sicherheitstechnik-Anbieter ATS Elektronik und der Feuerwehr-Schutzkleidungshersteller S-GARD. Als Sparringspartner für praktische Einsätze war die Feuerwehr Wilhelmshaven eng in das Projekt miteingebunden.
»Eine der wichtigsten Neuerungen von EFAS ist, dass Führungskräfte der Feuerwehr, also Einsatz- und Abschnittsleiter, Tablets mit einem Lagedarstellungssystem nutzen«, erklärt Verbundkoordinator Dr. Daniel Feiser – und damit den Arbeitsanteil des Fraunhofer FKIE. Über ein Darstellungssystem erhalten die Führungskräfte permanent ein elektronisches Lagebild über alle Aspekte der Situation vor Ort, das ihm weitere Handlungsempfehlungen gibt.
Bessere Informationslage: mehr Sicherheit und schnellere Brandbekämpfung
Die erste zu lösende Frage war daher, wie der Schiffsaufbau ist und wo sich die Feuerwehrleute während des Einsatzes befinden, damit die Führungskräfte die Brandbekämpfung optimal dirigieren können. Bisher muss er sich auf mündliche Informationen und einen ausgedruckten Grundriss der Decks verlassen. Und sind die Kollegen erst einmal im Bauch des Schiffes, ist kaum nachzuvollziehen, wo sie sind und es kann zu einem Ausfall des Funkkontakts kommen.
In dieses System werden zu Einsatzbeginn die verpflichtend an Bord hinterlegten Schiffspläne eingespielt, als Grundlage für die per Software bereitgestellte digitale Lagedarstellung. Ebenfalls hier eingespeist werden ab diesem Zeitpunkt alle Informationen, die der sogenannte »Angriffstrupp« auf seinem Weg zum Brand sammelt.
Clevere Datenerhebung
Da GPS im Schiffsinneren nicht verfügbar ist, gelingt die Positionsbestimmung dieses Trupps nun durch Beschleunigungs- und gyroskopische Sensoren, die in die Schuhe integriert sind. Ausgehend von einem Startpunkt kann das System die jeweils aktuelle Position der Einsatzkräfte berechnen und auf dem digitalen Schiffsplan markieren.
Die zweite Frage, die sich die Führungskräfte stellen, ist, welche gefährlichen Stoffe ausgetreten sind und wie hoch die Temperatur in der Umgebung der Einsatzkräfte ist. Auch hier helfen Sensoren im Anzug, die Gefahrstoffe detektieren sowie die Körper- und Umgebungstemperatur messen können. Die Feuerwehrleute müssen dafür nicht noch extra Messgeräte mitführen.
»Schutzkleidung ist heute oft so gut, dass Einsatzkräfte die Hitze gar nicht mehr spüren, sondern erst merken, dass sie sich in viel zu heißen Bereichen befinden, wenn ihre Kleidung zu schmelzen beginnt. Man könnte also sagen, die heutige Schutzkleidung ist ›zu gut‹.« Durch die Übertragung der Temperaturwerte an die Führungskräfte können diese entscheiden, per Knopfdruck etwa ihre Einsatzkräfte dann aus gefährlichen Bereichen zurückzurufen. In diesem Fall leuchten an den Ärmeln der Schutzkleidung LED-Leuchten auf: der Befehl zum sofortigen Rückzug. Mit den Sensoren ist es auch möglich, die Temperaturverteilung unter Deck und daraus gegebenenfalls die Lage des Brandherdes zu lokalisieren.
Sicherheit über das Schiff hinaus
Zusätzlich zu dem deutlich verbesserten Schutz für die Einsatzkräfte steht auch die Sicherheit für die unmittelbare Umgebung der im Hafen liegenden Schiffe im Fokus des Projekts. Ein Übergreifen des Feuers auf benachbarte Schiffe wie auch Infrastrukturen und die Gefährdung von Menschen an Land gilt es zu verhindern.
Zur besseren Visualisierung der Gefahrenlage werden zwei Typen von Systemen entwickelt: Sämtliche Informationen zum Lagebild werden im stationären System des Einsatzleitwagens visualisiert. Dem Einsatzleiter und den Abschnittsleitern an Bord hingegen werden mobile Systeme zur Verfügung gestellt. Via Tablets erhalten sie alle relevanten Angaben über das Vorankommen und die Brandbekämpfungsmaßnahmen ihrer Einheiten im Einsatz. Der Vorteil: »Die mobilen Systeme werden so konzeptioniert, dass Empfänger nur die für sie relevanten Informationen erhalten«, erläutert Projektkoordinator Dr. Daniel Feiser. Hierdurch werden die Einsatzkräfte weniger belastet.
Praxistest bestanden
Um die praktische Tauglichkeit des Systems zu testen, wurde im Rahmen einer großen Abschluss-Evaluation ein Test in einem realen Einsatzszenario durchgeführt. Die Berufsfeuerwehr Rostock stellte sich für einen Test auf dem Traditionsschiff »Dresden« zur Verfügung – und zog ein »begeistertes« Fazit.
»Von Ablauf, Organisation und Ergebnissen her war die Evaluation ein großer Erfolg«, zieht Feiser Bilanz. »Einsatz- und Abschnittsleiter konnten die neue Lagedarstellungssoftware nach kurzer Einweisung nutzen und bewerteten sie als intuitiv, effizient und ansprechend. Das größte Lob für unsere Arbeit.«
Weites Spektrum an Einsatzmöglichkeiten
Die grundsätzlichen Vorteile von EFAS sollen auch andere Feuerwehren und Einsatzkräfte bei anderen Einsatzorten bei ihren Aufgaben unterstützen. Dr. Feiser: »Das langfristige Ziel ist, EFAS nicht nur für Schiffe im Hafen anzuwenden, sondern zum Beispiel auch auf Schiffen auf hoher See, für die Brandbekämpfung in Stadien, Industrieanlagen oder in öffentlichen Gebäuden.«