»Die Debatte um den Einsatz von Proximity-Tracing-Apps in Deutschland und Europa ist von verschiedenen Annahmen und Vorurteilen geprägt. Bei einem Instrument, das entscheidende Unterstützung bei der Eindämmung der Coronavirus-Pandemie leisten kann, ist es aber wichtig, die Diskussion sachlich und wissenschaftlich korrekt zu führen«, betont Fraunhofer-Präsident Prof. Reimund Neugebauer. »Die Fraunhofer-Gesellschaft hat einen eigenen Ansatz für eine deutsche Proximity-Tracing-App entwickelt. Für die Pandemiebekämpfung existieren in Deutschland bereits funktionierende und etablierte Maßnahmen und Abläufe. Ziel unseres Projekts ist es, ein IT-System zu entwickeln, das die vorhandenen Prozesse in den Gesundheitsämtern durch digitale Hilfsmittel ergänzt und korrespondierende Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) umzusetzen hilft. Die App selbst soll eine digitale Benachrichtigung von Personen mit dem Risiko einer SARS-CoV-2-Ansteckung durch ausgefeilte Technik und digitale Prozesse unter Berücksichtigung aller Datenschutzaspekte ermöglichen.«
Der Schlüssel für den digitalen Prozess ist eine räumlich-zeitliche Abstandsmessung mit Hilfe von Bluetooth-Technologie auf Mobiltelefonen. Die Funktionalität eines entsprechenden technischen Gesamtsystems ist aus dem gesetzlichen Auftrag von Gesundheitsämtern abgeleitet und muss zum Einsatz beispielsweise durch das RKI eine Reihe besonderer Merkmale erfüllen, die das Projekt direkt adressiert. Die Arbeiten zur deutschen App-Lösung wurden Anfang März 2020 mit Eigenmitteln der Beteiligten und mit Unterstützung durch Grundfinanzierungsmittel seitens des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) begonnen sowie durch die Finanzierung einer Machbarkeitsstudie durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) unterstützt. Bei der Umsetzung war es von Anfang an der Anspruch, eine datenschutzkonforme und pan-europäische Lösung zu schaffen. Die Funktionalität und Zuverlässigkeit des Systems wurde bereits in ersten Feldtests in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr überprüft. In den vergangenen Wochen wurde zudem bei der Entwicklung des Systems die Zusammenarbeit mit französischen Partnern intensiviert und eine vollständige Kompatibilität erreicht. Fraunhofer-seitig sind das Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik, Heinrich-Hertz-Institut, HHI, das Fraunhofer-Institut für Angewandte und Integrierte Sicherheit AISEC sowie das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS an dem Projekt maßgeblich beteiligt. Um eine möglichst große Einsetzbarkeit auf im Markt befindlichen Endgeräten zu erreichen, wird die notwendige technische Kooperation mit den Betriebssystem-Anbietern Google und Apple angestrebt.
Der gesamten Vorgehensweise im Projekt liegt die Überzeugung zugrunde, dass das staatliche Gesundheitswesen die Souveränität darüber haben muss, nach welchen Kriterien Risikoberechnungen, Handlungsempfehlungen und Rückmeldungen innerhalb eines solchen Systems erfolgen. Das konzipierte System gewährleistet, dass bei der Nutzung der App keine Daten wie Ortsangaben, Telefonnummern, Namen etc. erhoben oder verarbeitet werden. Die Nutzung des potenziellen Systems über eine zu installierende App ist freiwillig. Nutzerinnen und Nutzer können jederzeit die App deinstallieren, ohne dass der Dienst auf dem Server Kenntnis davon erhält, wer die App deaktiviert hat. Die Registrierung erfolgt ohne Angabe von Daten zur Person des Nutzers, wie Name oder Telefonnummer. Der Entwurf des Systems stellt eine datensparsame Umsetzung im Sinne des Datenschutzes dar.