Bausteine für die Zukunft

Kreislaufwirtschaft

Webspecial Fraunhofer-Magazin 3.2021

Rohstoffe sind knapp. Immer wieder zwingt der Mangel Unternehmen, ihre Produktion zu drosseln. Kreislaufwirtschaft findet Auswege – und ist viel mehr als Klimapolitik.

Ein Mittelklasse-Auto mit Verbrennungsmotor braucht um die 25 Kilogramm Kupfer. In ei­nem Elektrofahrzeug können auch mehr als 80 Kilogramm verbaut sein. Mit dem Bedarf steigen die Preise. Kupfer kostete in diesem Sommer 44 Prozent mehr als noch Anfang 2020. Lithium ist sogar um 77 Prozent teurer geworden. Die Nachfrage wächst – und mit ihr nehmen die Probleme zu. Zwei Drittel der deut­schen Industrieunternehmen leiden aktuell unter Liefer­schwierigkeiten. Einer Umfrage des IFO-Instituts zufolge stieg der Anteil der betroffenen Unternehmen von April bis Juli 2021 von 45 Prozent auf 63,8 Prozent – besonders stark trifft der Materialmangel die Elektrobranche und die Autoindustrie. Wertstoffe werden immer wertvoller.

Die Deutsche Rohstoffagentur DERA hat beim Fraun­hofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI und beim Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM bereits zum dritten Mal die Studie »Rohstoffe für Zukunftstechnologien 2021« in Auftrag gegeben. »Deutschland ist als Hochtechnologiestandort wegen seiner großen Importabhängigkeit von Rohstoffen besonders anfällig«, erklärt Jana Rückschloss, Wissen­schaftlerin am Fraunhofer IZM. »In der Studie gehen wir der Frage nach, wie sich die Rohstoffnach­frage durch den Einsatz neuer Tech­nologien verändern könnte. Welche Rohstoffe könnten zum einen be­sonders bedeutsam, zum anderen besonders knapp werden?«

Rückschloss widmete sich den Rechenzentren und damit einer der ausgewählten 33 Technologien, die den Markt breit abdecken. Im Fo­kus standen vor allem die Speicher­medien: Festkörperspeicher SSDs, Festplattenlaufwerke HDDs und Magnetbänder. »Vor allem die Ver­sorgung mit Platin und Ruthenium könnte künftig kritisch werden: Im Jahr 2018 lag die Weltproduktion von Ruthenium bei 33 Tonnen. Im schlimmsten Szenario würden wir 2040 allerdings 592 Tonnen verbrauchen, und zwar nur für die Festplattenlaufwerke – der Bedarf anderer Tech­nologien ist darin noch nicht enthalten. Selbst im nach­haltigsten Szenario wären es immerhin noch 33 Tonnen«, fasst die Forscherin ihre Ergebnisse zusammen. Berück­sichtigt man auch die restlichen 32 Technologien, die in der Studie untersucht wurden, so ergibt sich ein hoher Bedarf bei Ruthenium, Scandium, Dysprosium, Terbium, Lithium, Iridium, Platin und Kobalt.

Hoffnung Kreislaufwirtschaft

Kritikalität von Selten-Erd-Metallen

Seltene Erden

Der Mangel an Seltenen Erden trifft besonders die Elektronikbranche und die Autoindustrie. In der Elektronik stecken sie in LEDs, Lasern oder Displays, bei E-Autos vorwiegend in Akkus und Magneten. Zwar sind die Seltenen Erden nicht gar so selten, wie der Name vermu­ten lässt. Das Problem liegt vor allem in der Abhängigkeit von den fördernden Ländern: Die Selten-Erd-Metalle stam­men zu etwa 80 Prozent aus China. Zu welchen Kompli­kationen das führen kann, zeigt der drastische Preisan­stieg, der vor etwa zehn Jahren stattfand, als Peking einen Exportstopp verhängte. Es gilt also, die Abhängigkeit zu reduzieren und mögliche Engpässe zu minimieren.

»Deutschland ist als Hochtechnologiestandort wegen seiner großen Importabhängigkeit von Rohstoffen besonders anfällig.«
Jana Rückschloss, Wissenschaftlerin am Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM.

Rohstoffe, die vom Himmel regnen? Noch braucht das Hilfestellung.
Dr. Alexander Hofmann vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT arbeitet an skalierbaren Lösungen.

Aus Altkunststoffen neue Rohstoffe erzeugen

Kunststoff-Granulate

Unter Rohstoffmangel und hohen Rohstoffpreisen leiden nicht nur Hersteller, die auf Seltene Erden angewiesen sind, sondern auch Produzenten von Gummi- und Kunst­stoffwaren: 79 Prozent werden durch die hohen Preise von Kunststoff-Granulaten ausgebremst. Ein weiteres Ar­gument für Kreislaufwirtschaft bei Kunststoffen ist die Abhängigkeit der Unternehmen von den erdölfördernden Ländern und deren Preispolitik. Außerdem wird der Ex­port von Kunststoffmüll schwieriger. Verschiedene Ab­nehmerländer wie China lehnen die Entsorgung unserer Kunststoffe inzwischen ab.

Innovative Recycling-Verfahren für Bauschutt

Baustoffe

Ganz neuer Bedarf entsteht auch in anderen Berei­chen. Für den Laien scheint Gips alles andere als rar zu sein – schließlich begegnet man diesem Baustoff aller­orten. Allein die deutsche Industrie benötigt jährlich zehn Millionen Tonnen. Doch: 60 Prozent des Gipses stammen aus Kohlekraftwerken, die 2040 geschlossen werden. Stand heute werden dann jährlich also rund sechs Millionen Tonnen Gips fehlen.

Selbst Bausand gibt es längst nicht mehr wie Sand am Meer. So herrscht in Dubai bereits ein großer Bausand- Mangel, denn der Wüstensand eignet sich nicht – der gesamte Bausand wird aus Australien importiert. Auch andernorts ist Bausand heiß begehrt.

Mit einem nasschemischen Verfahren können die Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer IBP den Gips wirtschaftlich aus der Feinfraktion herauslösen.

»Die Methode ist relativ einfach – und das Interesse dementsprechend groß.«

Dr. Volker Thome, Abteilungsleiter am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP.

 

Projekte

FUNMAG − Funktionelles Magnetrecycling für eine nachhaltige E-Mobilität

Das Fraunhofer IWKS in Hanau erforscht in diesem Projekt die Erstellung eines Eigenschaftsportfolios für recycelte Nd-Fe-B-Hochleistungspermanentmagnete. Im Projekt werden gemischte Altmagnet-Ströme mit effizienten Recyclingtechnologien in neue Hochleistungsmagnete überführt. Diese werden in Demonstratoren eingebaut, getestet und einer kompletten Nachhaltigkeits- und Kostenbetrachtung unterzogen.

sustainablySMART

Sustainable Smart Mobile Devices Lifecycles through Advanced Re-design, Reliability, and Re-use and Remanufacturing Technologies

In der Vergangenheit wurden gebrauchte Elektronikkomponenten ausschließlich in Low-Cost-Produkten wiederverwendet. Die zunehmende Digitalisierung bringt zahlreiche neue Produktkonzepte mit sich, die Teile und Komponenten aus gebrauchten Smartphones und Tablets perfekt verwerten könnten. sustainablySMART demonstriert die Machbarkeit eines »Design for Circular Economy«-Ansatzes für konventionellere mobile IT-Designs.

MoDeSt − Smartphones länger nutzen

Aktuell verwenden mindestens 57 Mio. Menschen in Deutschland ein Smartphone (laut Bitkom). Diese enthalten eine Vielzahl wertvoller Metalle, aber auch Konfliktrohstoffe. Der größte Teil der Umweltwirkung wird durch die Herstellung der Smartphones verursacht. Die durchschnittliche Nutzungsdauer beträgt aber nur 2 Jahre. Im Proekt MoDeSt werden technische, soziale und wirtschaftliche Voraussetzungen für Modulkonzepte untersucht und Lösungsansätze für kreislauffähige und sozialökologisch sinnvolle modulare IKT entwickelt.

FiberEUse

Large-scale demonstration of new circular economy value-chains based on the reuse of end-of-life fiber reinforced composites

Glas- und carbonfaserverstärkte Komposite werden mehr und mehr als Strukturmaterialien in vielen Sektoren wie Transport, Bau und Energie verwendet, da sie leichter und korrosionsbeständiger sind als Metalle. Solche Kompositmaterialien zu recyceln ist eine Herausforderung.

Das Projekt FiberEUse bündelt verschiedene Innovationspfade, um das Recycling von Kompositen zu verbessern und profitabel zu machen. Das recycelte Material soll in Form von neuen Produkten in Wertschöpfungsketten wiederverwertet werden.

»Waste4Future«

Aus Abfall werden »grüne« Moleküle für die Chemie

Kohlenstoff im Kreislauf führen, und somit Plastikmüll und Emissionen vermeiden: Das ist das Ziel im Projekt »Waste4Future«. 7 Fraunhofer-Institute und -Einrichtungen bündeln darin ihre Kompetenzen, um ein entropiebasiertes Bewertungsmodell für kohlenstoffhaltige Abfallströme und neue Technologien für Sensorierung, Sortierung sowie das werkstoffliche und chemische Recycling zu entwickeln. Die angestrebten Ergebnisse tragen zur verbesserten Energie- und Ressourceneffizienz beim Einsatz von Kunststoffen bei und ebnen den Weg für eine Chemieindustrie, die weniger fossile Rohstoffe benötigt und weniger CO2 ausstößt.

ENSUBA − Entsulfatisierung von Bauschutt

Er steckt in Wänden, Decken und Böden von Gebäuden: der Baustoff Gips. Und das in erheblicher Menge: Schon heute besteht die Gebäudesubstanz Deutschlands bis zu zehn Prozent aus Gips, schließlich lässt sich dieses Material angenehm verarbeiten. Doch hat es auch einen gravierenden Nachteil, und zwar in puncto Recycling. Denn Gips ist chemisch gesehen nichts anderes als Calciumsulfat-Dihydrat – also ein Sulfat. Und genau dieses bereitet Probleme, wenn es um die Wiederverwendbarkeit von Bauschutt geht.

BauCycle − Recycling von feinkörnigem Bauschutt

Entgegen dem Sprichwort, nach dem etwas so häufig wie Sand am Meer ist, ist dieser endlich und in manchen Ländern sogar knapp, denn Strand- oder Wüstensand sind für den Bau nicht geeignet; er ist zu klein und zu rund. Doch der weltweite Bauboom benötigt Unmengen an Kies, anderen Gesteinen und eben Bausand für die Herstellung von Beton, Mauersteinen oder Putzen. Um dieser Ressourcenverknappung entgegenzuwirken, haben sich vier Fraunhofer-Institute im Rahmen des Projekts »BauCycle« mit der Verwertung von mineralischen Baustoffen aus Abbruchmaterialien beschäftigt.

FAVRE − Mineralische Werkstoffe und Baustoffrecycling

Im Projekt FAVRE bereiten Dr. Thome und sein Team ein neues Verfahren zum Recycling von Bauschutt für die industrielle Anwendung vor. Den Forschenden ist es gelungen, mithilfe von »ultrakurzen Blitzen« Altbeton in seine Bestandteile zu zerlegen und ihn so aufzubereiten, dass die Fraktionen als klimafreundliche und ressourcenschonende Ersatzstoffe für die Zementherstellung zur Verfügung stehen.

 

6.10.2021

Recycling von Mund-Nasen-Schutz-Masken

Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT

 

 

12.10.2021

Bioaktive Papierbeschichtung ersetzt Kunststoffverpackungen bei Lebensmitteln

Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV | Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB

Studien

Auftragsstudie der Deutschen Rohstoffagentur DERA

Studie »Rohstoffe für Zukunftstechnologien 2021

Studie »Circular Economy in Familienunternehmen – Herausforderungen, Lösungsansätze und Handlungsempfehlungen«

Bisher wird Kreislaufwirtschaft oft vorwiegend unter dem Aspekt Klimapolitik betrachtet. Durch den weltweiten Rohstoffmangel wird sie zunehmend wirtschaftlich inte­ressant.

Der Frage nach Potenzialen sind das Fraunhofer- Center for Responsible Research and Innovation CeRRI, das Fraunhofer-Zentrum für Internationales Manage­ment und Wissensökonomie IMW und das Fraunhofer- Institut für Umwelt-, Sicherheits-und Energietechnik UMSICHT gemeinsam mit der Stiftung 2 Grad und der Stiftung Familien­unternehmen nachgegangen in der Studie »Circular Economy in Familienunternehmen – Heraus­forderungen, Lösungsansätze und Handlungsempfehlungen«.

Weitere Informationen

Fraunhofer Cluster of Excellence Circular Plastics Economy CCPE

Recyclingverfahren für kunststoffhaltige Verbundma­terialien

Werthaltige Metalle und Seltene Erden befinden sich auch im Elektroschrott, etwa in LCD-Panels. Allerdings sind die kunststoffhaltigen Schredderreste mit zahlrei­chen Verunreinigungen wie Flammschutzmitteln behaf­tet – sie landen deshalb in der Müllverbrennung. Metalle wie Indium, Gallium, Palladium, Silber und Co. gehen dabei verloren. Forscherinnen und Forscher des »Fraun­hofer Clusters of Excellence Circu­lar Plastics Economy CCPE« wollen das ändern.

Fraunhofer
Strategisches Forschungsfeld
Ressourceneffizienz & Klimatechnologien

Natürliche Ressourcen sind begrenzt, werden aber von der wachsenden Weltbevölkerung immer schneller verbraucht. Die Folgen sind zunehmender Wettbewerb, insbesondere um Rohstoffe wie Erdöl, Kobalt oder Seltene Erden, und steigende Preise. Gleichzeitig bringt die Nutzung von Rohstoffen Umweltbelastungen mit sich wie die Freisetzung von Treibhausgasen, Schadstoffeinträge in Luft, Wasser und Boden oder den Rückgang der Biodiversität.