Der Recyclingansatz für Kunststoffe vom Fraunhofer UMSICHT und vom Fraunhofer Cluster CCPE bietet großes Potenzial. »Unser Ziel ist eine Technologieplattform, mit der wir aus Altkunststoffen einen Rohstoff erzeugen können, der Neuware-Qualität hat«, fasst Hofmann zusammen. Gelungen ist das zum Beispiel bereits bei Rotorblättern von Windkraftanlagen – einem Abfallstrom, der einen großen Kunststoffanteil enthält. Die Schwierigkeit: Es handelt sich um Faserverbundstoffe. Die Experten zerschneiden das Rotorblatt in Flakes von wenigen Zentimetern Größe, die sie dann ebenso wie bei der Rückgewinnung der seltenen Metalle behandeln. Die Glasfasern werden aus der Kunststoff-Matrix herausgelöst, sie werden verwendet, um daraus Schaumglas zu erzeugen. Das Pyrolyse-Öl wiederum enthält die Kunststoff-Grundbausteine, die je nach Ausgangsmaterial entweder als Moleküle oder als Monomere im Öl vorliegen. Durch entsprechende Aufreinigungsverfahren gewinnen die Forscherinnen und Forscher daraus reines Styrol oder Phenol. Diese sind von ihrer chemischen Struktur von Neuware nicht zu unterscheiden und können der Kunststoffindustrie somit als Rohstoff dienen.
Mit der Frage, wie man Faserverbundstoffe im Kreislauf führen kann, befasst sich auch das Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU gemeinsam mit 21 Partnern aus sieben EU-Ländern im bereits 2017 gestarteten EU-Projekt FiberEUse. Drei verschiedenen Grundprinzipien widmet sich das Team: dem thermischen Recycling, dem mechanischen Recycling und der Wiederverwendung von Bauteilen. »Wir vom Fraunhofer IWU haben gemeinsam mit den Firmen EDAG und INVENT wiederverwendbare Strukturen entwickelt«, erläutert Justus von Freeden, Wissenschaftler am Fraunhofer IWU. »Faserkunststoffverbunde mit Kohlenstofffasern eignen sich dafür sehr gut: Sie sind langlebig, haben eine sehr hohe Ermüdungsfestigkeit und korrodieren nicht.« Umgesetzt wurde das Vorhaben beispielhaft an zwei designunabhängigen Fahrzeugstrukturen: einer Sitzunterstruktur, die sich neu bepolstern lässt, und einem Grundrahmen für die Plattform eines Elektroautos. Um die Qualität der Verbundwerkstoffe zu überprüfen, nutzen die Forscher als Übergangstechnologie zerstörungsfreie Prüfung wie Ultraschall und Thermografie.
Das Ziel, Kohlenstoff aus Kunststoffen zu hundert Prozent im Kreislauf zu führen, verfolgen sieben Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft im Leitprojekt Waste4Future. Aktuell werden knapp 50 Prozent der Kunststoffe verwertet, etwa PET-Flaschen, der Rest wird verbrannt. »Wir betrachten die Stoffströme, unterteilen sie in Teilströme und ermitteln die passende, günstigste Aufbereitungsroute«, sagt Dr. Sylvia Schattauer, stellvertretende Institutsleiterin des Fraunhofer-Instituts für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS und Leiterin des Projekts Waste4Future. »Die einzelnen Technologien, die dafür nötig sind, müssen nicht neu entwickelt, sondern nur hochskaliert und geschickt miteinander kombiniert werden.«
Dafür hat das Forscherteam eine Technologiehierarchie aufgebaut – die jeweiligen Kompetenzen sind an den Instituten vorhanden. Das heißt: Alles, was mechanisch getrennt werden kann, wird aufbereitet. Was sich mechanisch nicht separieren lässt, kommt in die nächste Stufe, das physikalisch-chemische Trennen – hier lassen sich Re-Granulate und Primärketten herstellen. Und der letzte Rest geht in die chemisch-thermische Verwertung, heraus kommen Pyrolyse-Öl und Synthesegas, die sich mit grünem Wasserstoff zu neuen Kunststoffen verarbeiten lassen.
»Das gesamte Material in das chemische Recycling zu schieben, macht keinen Sinn, da der Energieaufwand dafür sehr hoch ist. Das lohnt sich nur bei Stoffströmen, die anders nicht verwertet werden können«, sagt Schattauer. Idealerweise entsteht somit ein Bewertungsmodell, mit dem Firmen ihre Stoffströme beurteilen können. Wichtig und neu dabei: Die Plattform berücksichtigt auch kostenwirtschaftliche Bewertungen. So fließen die Knappheit von Ausgangsstoffen, der Preis des Erdöls oder der Kunststoffgranulate als Neuprodukt in die Berechnungen ein, ebenso die Auslastungen der Produktionswege.