Der Experte für Innovationen und Geschäftsmodelle Marc Tobias ist Zeit seines Lebens viel in den Bergen unterwegs. Mit seinem Projekt »Kinder der Berge« will er Kindern, die langwierige Intensivtherapien hinter sich haben, großartige Erfahrungen in der Natur ermöglichen. Zwischen 2008 und 2009 leitete er am Fraunhofer IMW die Abteilung Unternehmen und Internationale Märkte. Anschließend war er als Unternehmensberater für ein Spin-off der Universität St. Gallen und als Senior-Experte für EU-Projekte tätig. Auch heute sind Geschäftsmodelle und Transferstrategien sein berufliches Hauptthema und seit 2018 entwickelt er diese als Referent Transferstrategien in der Zentrale der Fraunhofer-Gesellschaft weiter.
Herr Tobias, sie sind zur Fraunhofer-Gesellschaft in den Bereich Geschäftsmodellentwicklung, Transferstrategien, Strategie-Consulting zurückgekehrt, was ist der Kern Ihrer Tätigkeit?
Wir versuchen das Denken in Geschäftsmodellen und den Transfer frühzeitig in Forschungsprojekten an Instituten zu etablieren. Die Kollegeninnen und Kollegen sind oft sehr auf die Forschung fokussiert und so gab es in der Vergangenheit immer wieder Beispiele, bei denen erst gegen Ende des Forschungsprojektes Überlegungen zum Transfer in die Wirtschaft angestellt wurden. Nicht selten war es dann zu spät, um das Projekt in die richtige Richtung zu lenken. Unser Anliegen ist, dass die Forschung frühzeitig den Transfer mitdenkt. Wir bei Fraunhofer neigen dazu, erst »fertig zu entwickeln« und dann an den Markt heranzutreten. Das sind häufig sehr gute Ansätze, weil wir natürlich ein gutes Gespür für den Markt haben. Aber das funktioniert nicht in jedem Fall und in dieser Frage möchten wir die Projekte und Institute unterstützen.
Es geht darum, frühzeitig die Relevanz für die Industrie aufzuzeigen?
Das ist sicherlich ein wichtiger Punkt. In vielen Fällen ist es aber meist noch zu früh, um über die Relevanz für die Industrie zu entscheiden. Wir haben es mitunter mit frühphasigen Entwicklungen zu tun, die nahe an der Grundlagenforschung sind. Entscheidend ist, die Industrie von Anfang an mitzunehmen. Beispiel Programmierbare Materialien: Dieses Thema könnte in fünf bis zehn Jahren in die Serienreife kommen. Wenn man jetzt die Industrie darauf vorbereitet, dass wir in einigen Jahren Lösungen haben, steigen die Chancen, diese auch umsetzen zu können.
Wie genau kann man sich das vorstellen?
Wir begleiten die Wissenschaftler und wollen eine andere Denkweise bei den Projektteams erreichen. In einem Workshop etwa haben wir uns zusammen mit den Forschenden intensiv mittels Design Thinking als Ansatz gearbeitet. Dabei geht es unter anderem um das Thema »Sich hineindenken« beziehungsweise »Empathie entwickeln« - vor allem geht um das »Hineindenken in das gesamte Ökosystem«. Bei einem neuen Sensor etwa gibt es in der Regel nicht nur einen Anwendungsfall, sondern es ergeben sich neue Wertschöpfungsketten. Nehmen wir das Thema »seltene Erden«: Hier ergibt sich eine deutlich höhere Komplexität. Wir stehen vor dem Problem, dass für die Umsetzung der Energiewende aktuell zu wenige dieser Erden verfügbar sind. Wir beschäftigen uns dann beispielsweise mit Fragestellungen wie: Welche Auswirkungen auf das Ökosystem hat die Entwicklung eines Recycling-Systems für solche Metalle? Aktuell wird auch mit großem Engagement an der Nutzung von Methan als Ressource geforscht. Mit der Entwicklung einer neuen Technologie ist es aber noch nicht getan. Wir sehen große Chancen in der frühzeitigen Entwicklung neuer Wertschöpfungsketten. Eine Frage, die man hier stellen kann ist welche Auswirkungen hat es, wenn Landwirte in Deutschland künftig auf diese Weise zu Energieproduzenten werden?
Gibt es weitere Formen der Unterstützung?
Wir bieten Templates und Vorlagen, um den Transfer systematisieren zu können. Darüber hinaus beraten wir in Fragen, wie man Kundenakquise aufbaut, wie man mit der Zielgruppe in Kontakt kommt oder wir bieten mehrstufige Transferformate an.
Dazu zählt zum Beispiel ein Transferkatalog mit Best Practices für Transferpfade. Wir zeigen auch wie Institute kooperieren können, etwa bei gemeinsamen Technologie-Tagen, Enterprise Labs oder Shared Labs. Neben diesen transferstrategischen Angeboten haben wir beispielsweise die Leistungszentren und den Leitmarkt-Ansatz entwickelt.
Mein Thema sind Innovations- und Geschäftsmodell-Methoden. Mit dem großartigen Team in der Abteilung Transferstrategien entwickeln wir Transfermethoden in allen Bereichen. Detaillierte Ansätze zu Fachthemen liegen bei den Fachabteilungen, wie etwa bei Weiterbildungen, für die wir mit Fraunhofer Academy kooperieren. Vielleicht kann man uns als eine Art Think-Tank für Technologietransfer verstehen.