Andre Schult hat vom Fraunhofer IVV in Dresden heraus ein Unternehmen gegründet, das ein digitales, selbstlernendes Assistenzsystem für Produktionsumgebungen anbietet. Die Idee für das Produkt entstand in einer Sinnkrise, der Entschluss zur Gründung reifte im Laufe seiner Tätigkeit als Gruppenleiter am Fraunhofer-Standort des IVV. Warum der Maschinenbauer in Europas größter Organisation für angewandte Forschung für Gründer ideale Rahmenbedingungen sieht und wo es aus seiner Sicht noch Raum für Verbesserungen gibt, erklärt er in diesem Interview.
Wie haben Sie den Schritt in die Unternehmensgründung bei Fraunhofer erlebt?
Als Projektleiter Assistenzsysteme bei Fraunhofer IVV in Dresden leitete ich ein Team von zuletzt 13 Mitarbeitenden. Das war eine tolle Zeit, in der ich schnell Ideen umsetzen konnte. Ob das eine Besonderheit unseres Instituts ist, kann ich nicht beurteilen, jedoch die enorme Gedankenfreiheit ist in dieser Form sicherlich einzigartig: Als ich die Idee zu dem Assistenzsystem für Produktionsumgebungen hatte, waren weder Psychologie noch Informatik im Kompetenzprofil des Institutes. Dennoch bekam ich von meinen Vorgesetzten Prof. Jens-Peter Majschak und Dr. Marc Mauermann Unterstützung und Zuspruch für meine Idee. Zusammen mit Psychologen starteten wir zunächst einige Forschungsprojekte und bauten ab 2019 um eine lizenzierte Fraunhofer-Technologie mit Maddox ein Softwareprodukt, mit dem wir inzwischen nicht nur bei Pilotkunden erfolgreich sind, sondern auch einen Transferpreis gewonnen haben. Auch heute stehen wir mit unserem Unternehmen Peerox in intensivem Austausch mit Fraunhofer IVV sowie mit anderen Instituten und diese Zusammenarbeit ist sehr wichtig.
Mein ehemaliger Gruppenleiter hatte zuvor ein eigenes Unternehmen gegründet, da dachte ich zum ersten Mal über diese Option nach. Das AHEAD-Programm bereitete mich mental auf den Gründungsprozess vor. Zudem lernte ich dabei zahlreiche spannende Gründerinnen und Gründer von anderen Instituten kennen, mit denen ich auch heute noch im Kontakt stehe.
Wie bewerten Sie die Möglichkeiten einer Ausgründung bei Fraunhofer?
Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bietet Fraunhofer viele Möglichkeiten. Man kann auf hochaktuellem Stand technologische Entwicklungen und nahe an den Bedürfnissen der Industrie experimentieren. Man muss vor Industriepartnern pitchen, präsentieren und verkaufen, muss Gegenwind aushalten, kleinere Aufträge abarbeiten und man lernt den Umgang mit Finanzen. Aus meiner Erfahrung ist für Gründer Fraunhofer daher die bessere Karrierestufe als etwa die Gründung aus einer Universität heraus. Solche Jobs sind aber in der Regel nicht bis zur Rente ausgelegt, das ist eher »Überholspur«. Ich rate daher: Wenn du etwas Cooles voranbringen möchtest und eine Finanzierung haben willst, bekommst du das nicht bei einem großen Industrieunternehmen oder einem Mittelständler. Das bekommst du bei Fraunhofer!
Was könnte besser laufen?
Personen, die eine eigene Idee verfolgen, sind überdurchschnittlich motiviert. Fraunhofer sollte daher Kräfte, die gründen wollen, aktiv unterstützen, Führungspersönlichkeiten und Mitarbeitende noch stärker zur Gründung ermutigen. Fraunhofer bietet mit spannenden Aufgaben bei gleichzeitiger maximaler Sicherheit optimale Rahmenbedingungen für einen Job bis zur Rente. Aus dieser Sicherheit heraus muss man plötzlich sehr unternehmerisch denken, sobald man Interessenten für eine Gründung vor sich hat. Erfolgreiche Ausgründungen können für Fraunhofer einen guten Return on Invest bedeuten, auch wenn nicht jedes Start-up ein Erfolg wird. Gleichzeitig kenne ich Projekte, die forschungsseitig abgeschlossen sind, aber nicht weiterverfolgt werden. Die Überführung in den Markt ist ein großer Schritt, nicht immer finden sich dafür geeignete Kandidaten. Mit Peerox beispielsweise benötigten wir rund drei Jahre, um ein vermarktbares Produkt zu bekommen.