Projekt SmartRust

Rostige Metalloberfläche mit Spuren von abblätternder grauer Farbe.
© Akintevs/istockphoto

Materialien sind stumm. Möchte man meinen. Wie sie dennoch kommunizieren und unser Leben sicherer machen könnten, untersuchen Forschende im Projekt SmartRust.

 

Zustand? Befriedigend. So lautete das Urteil für beinahe die Hälfte aller deutschen Autobahnbrücken im Jahr 2023. Ein Viertel der Brücken war sogar nur »ausreichend« gut in Schuss, knapp fünf Prozent nicht einmal das. Die Ursachen sind vielfältig – Feuchtigkeit, schwankende Temperaturen, mechanischer Stress. Um herauszufinden, welche Umwelteinflüsse auf ein Objekt einwirken und es möglicherweise angreifen, verfolgen Forschende der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg FAU und des Fraunhofer-Instituts für Silicatforschung ISC im Projekt SmartRust nun einen neuen Ansatz.

Die Idee

Magnetische Partikel werden bei der Herstellung in Materialien integriert. Da sie zum Großteil aus Eisenoxiden – Rost – bestehen, sind sie günstig in der Herstellung und Namensgeber des Projekts SmartRust, das von der EU über den renommierten ERC Consolidator Grant gefördert wird. Die Partikel sollen Informationen darüber liefern, was in der Vergangenheit mit Materialien passiert ist – und so selbst verborgene Mängel sichtbar machen. »Wie viel Feuchtigkeit hat ein Objekt abbekommen? Wie viel Hitze? Hat es mechanischen Stress erfahren? Diese Fragen sollen uns die Partikel beantworten – wie kleine Spione«, erklärt Karl Mandel, Professor für Anorganische Chemie an der FAU sowie stellvertretender Instituts- und wissenschaftlicher Leiter am Fraunhofer ISC.

Die Überlegung

Die magnetischen Teilchen ermöglichen eine Kommunikation nach außen. »Wenn die Partikel miteinander wechselwirken, lässt sich das als Signal messen. Man könnte sagen, sie tuscheln miteinander – wie im Kindergarten «, so Projektinitiator Mandel. Um nun Umwelteinflüsse messen zu können, möchten die Forschenden zudem nicht-magnetische Teilchen in Materialien unterbringen; gemeinsam mit den magnetischen Teilchen bilden sie einen sogenannten Suprapartikel. Die nicht-magnetischen Partikel reagieren auf spezifische Umwelteinflüsse, wie etwa Kochsalz, das sich bei Feuchtigkeit auflöst. Unter dem Ein-fluss von außen verändert sich auch der Suprapartikel – und tuschelt nun anders als zuvor. Die Änderung des Signals lässt sich mit einem Hand-sensor aufzeichnen. Mit der richtigen Entschlüsselung erfahren Forschende so, was mit dem Objekt geschehen ist.

Die Anwendungsgebiete sind vielfältig

Selbst durch die verschlossene Verpackung eines Impfstoffs ließe sich prüfen, ob die Kühlkette unterbrochen und der Inhalt geschädigt wurde. In der Automobilindustrie könnte man herausfinden, ob Kunststoffkomponenten auf die vorgeschriebene Temperatur erhitzt wurden, um sie ausreichend fest zu verkleben. Gefährliche Risse, verborgen im Windradflügel, ließen sich ebenfalls frühzeitig entdecken und warten. Mandel: »Die Partikel könnten uns selbst in die unsichtbaren Tiefen eines Objekts Einblicke geben: schnell, günstig und ohne es zu zerstören.« Ist die Technologie erst einmal im Einsatz, könnte sie laut dem Projektleiter besonders drei große Zukunftsfelder bedienen: die vorausschauende Wartung und somit mehr Produktsicherheit. Effizienteres Recyceln, da sich verlässlich bestimmen ließe, ob Kunststoff noch die wünschenswerten Eigenschaften besitzt. Und mehr Kontrolle in der Industrie 4.0, da Objekte Robotern künftig Feedback geben könnten – etwa, ob die Schraube auch wirklich richtig sitzt. Mandel ist optimistisch: »Ich finde die Vorstellung faszinierend, Materie in Zukunft zum Sprechen zu bringen.«

Artikel »Schlauer Spion« im Fraunhofer-Magazin 2.2024

Pressemitteilung Fraunhofer ISC