»Wir haben mitten in die Pandemie hinein gegründet«
Gründer brauchen Mut und Durchhaltevermögen, insbesondere in Corona-Zeiten. Diese Eigenschaften wurden von Claas Blume und seiner Clous GmbH gefordert.
Claas Blume hatte einen Traum. »Mein Traum«, erzählt er, »war immer ein Hightech-Start-up!« Und Blume beließ es nicht beim Träumen. Bereits während seines Maschinenbau- Studiums gründete er seine erste Firma: Er ließ in Gefängnissen Sticker für MacBooks produzieren. Doch die Idee trug nicht auf Dauer. Für seine Masterarbeit bewarb er sich am Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK in Berlin. »Denn: Wo kann man besser eine Technologie finden, mit der man gründen kann, als bei Fraunhofer?«, fragt er – und strahlt beim Videointerview in die Laptop-Kamera. Bei zahlreichen Forschungsprojekten des Fraunhofer IPK im Bereich Werkzeugbau merkte er: Der Maschinen- und Anlagenbau ist aufgrund der Globalisierung mit einem immensen Zeit- und Kostendruck konfrontiert. »Die Industrie 4.0 haben wir mitgestaltet und große Erfolge erzielt. Aber wirft man einen Blick auf die Prozessschritte vor der Produktion, so merkt man: Es hat sich in den letzten 30 Jahren wenig bis nichts getan. Da sitzt ein hochqualifizierter, teurer Ingenieur, der seine wertvolle Zeit auch mit Aufgaben vergeuden muss, die eigentlich gar nicht so komplex sind«, fasst der junge Gründer zusammen. »Und da habe ich Lunte gerochen.«
Der Traum eines Start-ups wird Realität
Wie könnte man – fragten sich Blume und sein Fraunhofer-IPK-Kollege Thomas Vorsatz, den er von seiner Idee überzeugte – solche Aufgaben in Algorithmen überführen und automatisieren? Da eine Vollautomatisierung zu teuer ist und als Geschäftsidee wenig taugte, entwickelte der Maschinenbauer Algorithmen, die die umfassenden Engineering-Prozesse in mehrere einfache Schritte aufsplitten. Diese Aufgaben lassen sich unabhängig voneinander und damit gleichzeitig lösen. Der größte Kostenfaktor für ein konstruierendes Unternehmen, also die Zeit von der Idee bis zum erfolgreichen Prototypentest, reduziert sich somit auf einen Bruchteil.
Die Idee erwies sich als tragfähig: Mittlerweile können Ingenieure weniger komplexe Aufgaben mithilfe der Algorithmen isolieren und an die von Blume und Vorsatz gegründete clous GmbH geben. Diese lässt sie etwa von einem deutschen Masterstudenten oder auch über Nacht von einem indischen Ingenieur bearbeiten, die künftig ebenfalls per Algorithmus ermittelt werden sollen. Damit bietet die clous GmbH gleich zwei Lösungen an: Erstens hat der Ingenieur mehr Zeit für seine eigentlichen Aufgaben, zweitens wird es für das Unternehmen unter dem Strich kostengünstiger. »Wir vergleichen das oft mit einem Chefchirurgen: Er überlässt die Narkose dem Anästhesisten und fokussiert sich auf seine Kernaufgabe, etwa eine Operation am Herzen. Auch die Ingenieure können und sollen weiter am Herzen arbeiten. Doch wir können ihnen alle einfacheren Aufgaben drum herum abnehmen – auf Knopfdruck und zum Festpreis«, verdeutlicht Blume.
Rat und Tat standen immer zur Verfügung
Beim Gründungsprozess fand Blume Unterstützung bei der Fraunhofer-Gesellschaft. So war er bei den FDays® – kurz für Fraunhofer Days, bei denen die Geschäftsmodelle systematisch entwickelt und evaluiert werden – das erste Mal mit professioneller Gründerkultur konfrontiert. Das spornte ihn weiter an. »Einen großen Anteil daran, dass wir dann tatsächlich loslaufen konnten, hatte das Fraunhofer Transferförderprogramm AHEAD, das seinerzeit ins Leben gerufen wurde: Die beiden Ansprechpartner von Fraunhofer Venture standen uns immer mit Rat und Tat zur Verfügung, sei es hinsichtlich juristischer Fragen, sei es beim Zugang zum Venture Capital«, erinnert sich der Geschäftsführer der clous GmbH.
Dennoch begann der Traum mit Hindernissen. »Wir haben mitten in die Pandemie hineingegründet«, berichtet der 34-jährige Blume. Genauer gesagt: im Dezember 2019. Bereits im März 2020 zog sich die Schlinge zu – der Industriesponsor, der mündlich zugesagt hatte, machte einen Rückzieher. Woraufhin auch der Co-Investor absprang. »Das war natürlich ein tiefes Tal in der Achterbahnfahrt: Wir konnten die Verträge der ersten Hilfswissenschaftler nicht verlängern«, erzählt Blume betreten. »Dennoch waren wir fest entschlossen, es zu schaffen!« Fraunhofer Venture blieb an der Seite der Gründer, und es ging wieder bergauf: Im Mai 2020 gewann das junge Gründerteam die Axel Springer Porsche GmbH & Co. KG als Investor, im September 2020 wurde zudem eine Frühphasenfinanzierung der Investitionsbank Berlin bewilligt. Die Firma konnte weitere Business-Angels gewinnen, Venture Capital aufnehmen und ihre Reichweite vergrößern. Und: Sie soll wachsen, von zwei Gründern und zwei Hilfswissenschaftlern am Anfang auf zwölf Mitarbeiter bis Ende 2021. »Im nächsten halben Jahr liegt das Ziel darin, robuste Prozesse aufzubauen – von der Kundenansprache bis hin zum glücklichen Kunden«, sagt Blume. »Das macht den Reiz eines solchen Start-ups aus.«