»Das Ding muss man in den Markt bringen!«
Ein weltweiter Bedarf in der Medizin – und eine innovative Lösung: Das macht die Cellbox Solutions GmbH so erfolgreich.
Zellen nicht mehr einzufrieren«, sagt Prof. Kathrin Adlkofer, »das ist unsere Zukunft.« Dabei spricht sie nicht vom Steak in der Tiefkühltruhe, das ja ebenfalls aus biologischen Zellen besteht, sondern von Zellsystemen, wie Forscherinnen und Forscher sie im Bereich der Biotechnologie verwenden. Anwendungen für solche Zellsysteme gibt es zahlreiche: So kann mit organoiden Systemen – also Zellverbänden, die einem menschlichen Organ möglichst nahekommen – die Zahl der Tierversuche bei der Testung von Medikamenten deutlich reduziert werden. Und mit Blutzellen, die Krebspatienten entnommen, genetisch verändert und wieder zurück in den Patienten gespritzt werden, könnte man auf Dauer eine schärfere Waffe gegen Tumore haben. Problematisch war bislang jedoch der Transport solcher biologischen Materialien – sei es von Biotechnologie- zu Pharmafirmen, sei es von der Klinik ins Labor und wieder zurück. Während die Zellen im Labor unter stets gleich bleibenden Temperaturen, CO2- Gehalten und Luftfeuchten in einem Inkubator gezüchtet und gelagert werden, mussten sie für den Transport bislang in flüssigem Stickstoff eingefroren werden, man spricht dabei von Kryokonservierung. Für das Gewebe ist dies mit Stress verbunden, die Zellen ändern sich physiologisch. Strukturen, die für dieses Prozedere zu empfindlich sind, ließen sich bislang schlicht nicht transportieren.
Inkubator »to go«
Adlkofer hat die Lösung gegründet: die Cellbox Solutions GmbH. »Mit unserer Cellbox lassen sich biologische Materialien erstmalig lebend verschicken – in exzellenter Qualität und international«, schwärmt die Unternehmerin, die zudem einen Lehrauftrag an der Universität zu Lübeck innehat. »Für den Bereich der regenerativen Medizin macht das einen Riesenvorteil für Forscher und Patienten.« Die Idee hinter der Ausgründung: Das Team hat den Inkubator transportabel gemacht. Für den Transport im Auto, Zug oder Lkw stellen sie den nötigen CO2-Gehalt über CO2-Kartuschen ein, im Flieger nutzen sie Trockeneis als CO2-Quelle.
Der Kerngedanke entstand an der Fraunhofer-Einrichtung für Marine Biotechnologie EMB. »Nachdem ich bereits verschiedene Firmen im Gesundheitsbereich gegründet hatte, habe ich mich von Prof. Charli Kruse, dem Leiter der Fraunhofer EMB, überreden lassen, die Leitung der Abteilung Zelltechnik zu übernehmen«, erinnert sich die Molekularbiologin. Dort wurde ihr auch ein frühes Konstrukt der Cellbox zur Weiterentwicklung in die Hände gelegt. »Je mehr wir daran gearbeitet haben, desto klarer wurde mir: Das Ding muss man in den Markt bringen«, begeistert sich die Unternehmerin, die auch bei ihrem Hobby, dem Segeln, erstaunlich viel Biss zeigte: Zweimal nahm sie an den Olympischen Spielen teil, weitere zweimal holte sie sich den Weltmeister-Titel. Gemeinsam mit Kruse beschloss sie, den Weg eines Spin-offs zu gehen.
Zwar hatte Adlkofer Gründungserfahrung. Dennoch gab es viele Dinge, die sie rückblickend anders machen würde. »Eine Technologie, ein Produkt in den Markt zu bringen, ist eine andere Sache, als eine App zu vermarkten oder einen Antikörper zu lizensieren. Bis hin zur Serienproduktion eine robuste Pipeline aufzubauen war eine wirklich große Herausforderung. Da ist es extrem wichtig, sich die richtigen Leute zu holen«, sagt Adlkofer. Sie suchte daher einen Firmenpartner, der internationale Vertriebserfahrung hat – und fand ihn in Wolfgang Kintzel. Was fasziniert den heutigen Chief Executive Officer daran, in einem Start-up zu arbeiten? Er nennt das junge und internationale Team. Und fügt hinzu: »Wir haben eine extrem reizvolle Kombination aus Produktgeschäft, Verbrauchsmaterialien und dem Bereich der komplexen biologischen Strukturen.«
»Fraunhofer war vom ersten Tag an dabei«
Auf dem Weg von der Idee zum serienreifen Produkt erhielt das Team viel Unterstützung seitens der Fraunhofer EMB und Fraunhofer Venture. »Fraunhofer war vom ersten Tag an dabei – und ist nun aktiver Gesellschafter und begleitet uns mit Know-how, internationaler Erfahrung und finanziellen Beiträgen.« Mittlerweile verkauft das derzeit 15-köpfige Team den transportablen Zellinkubator weltweit, die Kunden kommen aus Deutschland, Europa, den USA, Asien mit Schwerpunkt China. »Dass wir in so kurzer Zeit international Fuß fassen konnten, macht mich schon sehr stolz«, sagt Kintzel. Vor ein paar Wochen hat die Cellbox Solutions GmbH sogar eine Tochterfirma an der Ostküste der USA gegründet. Und sorgt somit nun auch vom anderen Ende der Welt aus für einen sicheren Transport biologischer Materialien.