GreenUp Sahara gewinnt Fraunhofer-Alumni-Award 2020

Die 10.000 Euro Preisgeld sollen in die Entwicklung einer Nährstofflösung fließen, die den Anbau von Gemüse in wassersparenden Hydroponik-Anlagen in Wüstenregionen ermöglicht. Größte Herausforderung: Der Dünger muss lokal und mit einfachen Mitteln und Rohstoffen herzustellen sein.

Taleb Brahim und Mark Beckett
Taleb Brahim und Marc Beckett entwickeln ein Hydrokultur-System in der algerischen Wüste, das auch unter extremen klimatischen Bedingungen funktionieren kann. Der Ingenieur Taleb lebt mit tausenden anderen Sahrawi-Flüchtlingen in einem Camp bei Tindouf in der algerischen Wüste.
In diesen Camps herrscht seit teilweise seit Jahrzehnten Lebensmittel- und Wasserknappheit. Zusammen mit dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (World Food Programme, WFP) hat Taleb ein wassersparendes Hydrokultursystem entwickelt, mit dem Gerste als Tierfutter gekeimt werden kann. Somit ist zuminedest frische Milch von Ziegen und Kamelen gesichert.
Das Grundprinzip dieser hydroponischen Anlagen ist vergleichsweise simpel und eigentlich überall auf der Welt gleich. Das Keimen von Gerste ist unproblematisch. Doch wenn die Pflanzen Früchte ausbilden sollen, sind spezielle Nährstoffe nötig. Und genau diese Nährstofflösung will Marc Beckett mit seinem Projekt speziell für den Anwendungsfall in der algerischen Wüste voranbringen.

Überraschend deutlich stimmten Fraunhofer-Alumni im Award »TECHNOLOGY4DEVELOPMENT« für das Forschungsprojekt »GreenUp Sahara«. Rund 61 Prozent der Stimmen gewann das ambitionierte Hilfs- und Forschungsprojekt.

Insgesamt bewarben sich vier Projekte um den Fraunhofer-Alumni-Award. Alle Teams orientieren sich an den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG) der Vereinten Nationen. Eine nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit ist neben der Förderung der Wissenschaft eines der zentralen und festgeschriebenen Ziele des Fraunhofer-Alumni e.V.. Projekte wie GreenUp Sahara sind dem besonderen Engagements der Mitarbeitenden zu verdanken. Und dieses soll der in 2020 erstmalig vergebene Preis würdigen. Der Preis wurde im Rahmen der virtuell abgehaltenen Mitgliederversammlung des Fraunhofer-Alumni e.V. überreicht.

Die ehemaligen Mitarbeitenden der Fraunhofer-Gesellschaft waren daher aufgerufen, über ein Online-Tool das Projekte zu bestimmen, das die 10.000 Euro Preisgeld erhalten soll.

Ziel des Gewinnerteams »GreenUp Sahara« ist es, die Ernährungslage in Regionen zu verbessern, in denen konventionelle Landwirtschaft nicht möglich ist. Zusammen mit dem Ingenieur Taleb Brahim, der in einem algerischen Flüchtlingscamp bereits mehrerer Anlagen für die Erzeugung von frischem Tierfutter errichtet hat, bauen und konzeptionieren die Wissenschaftler*innen um Marc Beckett, Experte für Wassertechnologien und Wertstoffrückgewinnung am Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB, nun hydroponische Anlagen, um darin Gemüse zu kultivieren.

Eine zentrale Herausforderung dabei ist die Bereitstellung spezieller Nährstofflösungen. Solche Lösungen sind zwar verfügbar, jedoch für die Bewohner der Region nicht erschwinglich und kaum zu beschaffen. Daher versucht das Team um Marc Beckett eine Alternative zu entwickeln, die sich mit einfachen Mitteln lokal herstellen lässt. Derzeit laufen unter anderem Versuche, Stein-, Knochen- und Blutmehl mit Hilfe von Hefe- und Joghurt-Kulturen zu vergären und so die Nährstoffe für die Pflanzen verfügbar zu machen. Die Ergebnisse dieser Mixturen wollen die Forscher*innen im zweiten Schritt in Pflanzversuchen mit kommerziellen Düngern vergleichen.

Für ein gesundes Pflanzenwachstum sind vor allem Stickstoff, Phosphor und Kalium nötig, außerdem brauchen die Pflanzen verschiedene Mikronährstoffe wie Eisen, Molybdän und andere Elemente. Das aus der Schlachtung von Ziegen anfallende Blutmehl ist reich an Stickstoff. Knochen können Phosphor- und Calcium für die Nährstofflösung beisteuern. Ebenfalls für die Bewohner des Camps leicht verfügbar ist Steinmehl, das andere wichtige Mineralien enthält. Eine zusätzliche Herausforderung ist die hohe Anfälligkeit für Verunreinigungen. Eine einfache Desinfizierung etwa mit Chlor würde auch »nützlichen Mikroorganismen« zerstören.

Die Forschenden dieses Projektes arbeiten dabei auch mit dem Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen zusammen. Das Preisgeld von 10.000 Euro, das aus Mitgliedsbeiträgen und Fördermitgliedschaften des Fraunhofer-Alumni e.V. stammt, ermöglicht den Wissenschaftler*innen weitere Versuche und die Weiterentwicklung des Anbaukonzepts.

 

 

 

Weitere Informationen und Videos zu den Teams, die beim Fraunhofer-Alumni-Award mitgewirkt haben, finden Sie hier.  

Derzeit untersuchen Marc Beckett und Taleb Brahim, welche Materialien sich für die Zubereitung einer geeigneten Nährstofflösung eigenen. Die Alternative wäre, sich am Weltmarkt mit speziellen Düngern einzudecken. Doch das ist für die unter präkeren Bedingugen lebenden Bewohnder des Camps schlicht zu teuer.
Die hohe variabilität der Ausgangsstoffe und auch die unterschiedlichen Anforderungen verschiedener Pflanzenarten stellen für die Forscher*innen eine große Herausforderung dar.
Die Fraunhofer-Alumni konnten rund vier Wochen lang abstimmen, welches Projekt die 10.000 Euro Preisgeld des Fraunhofer-Alumni-Awards bekommt. Mit diesen Mitteln will Marc Beckett weitere Versuche umsetzen, und - sobald das wieder möglich ist - nach Algerien reisen, da sich die Bedingungen vor Ort im Labor nur bedingt simulieren lassen.

Die Ergebnisse des Teams, zu dem auch Wissenschaftler*innen des Fraunhofer UMSICHT und des Fraunhofer ISE zählen, werden nicht auf eine Region beschränkt bleiben, sondern über die digitale Plattform h2grow einer größeren wissenschaftlichen Community zugänglich gemacht. So können diese auch in anderen Regionen zur Anwendung kommen.

Allerdings werden sich die Ergebnisse wohl nicht vollstäding übertragen lassen, wie Marc Beckett betont. Ursache dafür ist, die hohe Variabilität der Nährstoffe in den Ausgangsmaterialien.  

Mit Hilfe des Preisgeldes will das Team von GreenUp Sahara noch einmal nach Algerien reisen, um unter realistischen Bedingungen nach neuen Möglichkeiten zu suchen. Wie Beckett erklärt, war die Reise in diese Flüchtlingscamps bereits vor der Corona-Pandemie mit erheblichem Aufwand und sehr viel Bürokratie verbunden. Geplant ist auch, Taleb nach Deutschland einzuladen, um mit Ihm zusammen die nächsten Schritte zu planen.

Die zweitplatzierten Teams in alphabetischer Reihenfolge.

■      »BiNiFe« – Kostengünstige und robuste Batteriespeicher für die Energieversorgung in Südafrika (Fraunhofer UMSICHT)

■      »Ich liebe Fisch« – Aquakultur zur Ernährungssicherung der Landbevölkerung in Malawi (Fraunhofer EMB)

■      »Roberta« trifft die »Impacters« – Programmier-Workshops als Türöffner speziell für Mädchen und junge Frauen in Nepal. (Fraunhofer IAIS)

 

Weitere Informationen zu den Projekten sowie Video-Botschaften der Teams finden Sie auf unser Seite zum Award.

 

Der Fraunhofer-Alumni-Award wird wieder im Jahr 2022 verliehen. Ehemalige Mitarbeitende der Fraunhofer-Gesellschaft bilden die größte MINT-Community für angewandte Forschung in Europa. Der Fraunhofer-Alumni e.V. bietet ein internationales branchen- und fachübergreifendes Experten*innen-Netzwerk. Dank zahlreicher Veranstaltungsformate, vergünstigten Schulungen, exklusiven Karriere- und Vernetzungsmöglichkeiten wächst die Zahl der Mitglieder des Vereins seit der Gründung 2016 kontinuierlich. Mehr Informationen zum Fraunhofer-Alumni e.V. finden Sie hier.