Die Fraunhofer-Gesellschaft ist die weltweit führende Organisation für anwendungsorientierte Forschung und als solche Impulsgeber für innovative Entwicklungen und wissenschaftliche Exzellenz. Ihre interdisziplinären Forschungsteams setzen gemeinsam mit Vertragspartnern aus Wirtschaft und öffentlicher Hand originäre Ideen in Innovationen um, koordinieren und realisieren systemrelevante, forschungspolitische Schlüsselprojekte und stärken mit werteorientierter Wertschöpfung die deutsche und europäische Wirtschaft. Internationale Kooperationen sorgen für den direkten Austausch mit bedeutenden Wissenschafts- und Wirtschaftsräumen und untermauern die Rolle von Fraunhofer im globalen Innovationsprozess.
1949 gegründet betreibt die Organisation mit Sitz in Deutschland derzeit 76 Institute und Forschungseinrichtungen. Rund 30 800 Mitarbeitende, überwiegend mit natur- oder ingenieurwissenschaftlicher Ausbildung, erarbeiten das jährliche Forschungsvolumen von rund 3 Milliarden Euro. 2,6 Milliarden entfallen auf den Forschungsbereich Vertragsforschung. Rund zwei Drittel davon erwirtschaftet Fraunhofer mit Aufträgen aus der Industrie und öffentlich finanzierten Forschungsprojekten. Rund ein Drittel steuern Bund und Länder als Grundfinanzierung bei, damit die Fraunhofer-Expertinnen und -Experten schon heute Problemlösungen für die Wirtschaft und Gesellschaft von morgen entwickeln können. Hierfür setzt Fraunhofer mit strategischen Forschungsfeldern bewusste und dynamische Impulse.
Unter den deutschen Forschungseinrichtungen ist Fraunhofer Spitzenreiter bei der Anzahl der Erfindungen und neu angemeldeten Patente. Im Jahr 2022 wurden 443 Erfindungen von den Fraunhofer-Instituten gemeldet und 375 prioritätsbegründende Patentanmeldungen eingereicht.
Zukunft aktiv mitgestalten
»Das Jahr 2022 war geprägt von multiplen gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen. Dennoch ist die Fraunhofer-Gesellschaft auf einem wissenschaftlich exzellenten und wirtschaftlich stabilen Kurs,« sagt Dr. Sandra Krey, Vorständin für Finanzen und Controlling, die interimistisch die Fraunhofer-Gesellschaft bis zum Amtsantritt des neuen Präsidenten führt. »Die Transformation unserer Wirtschaft zur Klimaneutralität weiter voranzutreiben, bleibt eine der drängendsten Herausforderung unserer Zeit. Nachhaltige Innovationen im Energiesektor sind dabei der beste Weg, um die Produktivität im Rahmen der Klimaziele zu steigern, die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu verringern und die Wettbewerbsfähigkeit des Technologiestandorts Deutschland langfristig zu sichern. Durch die gezielte Bündelung wissenschaftlicher Kompetenzen treiben unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereits seit Jahren erfolgreich Forschungsprojekte zur Ressourceneffizienz und zu Klimainnovationen voran, sei es mit höchsteffizienten Solarzellen oder exzellenter Wasserstoffforschung. Damit nimmt die Fraunhofer-Gesellschaft eine Schlüsselrolle bei der erfolgreichen Gestaltung des Transformationsprozesses ein und leistet einen wichtigen Beitrag für eine wettbewerbsfähige deutsche und europäische Wirtschaft.«
Auch intern treibt Fraunhofer Klimaschutz und Nachhaltigkeit voran und intensivierte unter anderem in die Maßnahmen für das Vorhaben »Fraunhofer Klimaneutral 2030«. So werden an ausgewählten Pilotinstituten Transformationskonzepte entwickelt, um die Liegenschaften in die Klimaneutralität zu überführen und die Abhängigkeit von Gasimporten zu mindern. Im Programm des Klimafonds wurden Projekte bewilligt, die die Institute kurzfristig dabei unterstützen, Einsparpotenziale im Energieverbrauch zu erzielen sowie mittelfristig Handlungsoptionen für eine sichere und resiliente Versorgung mit Energie aus regenerativen Quellen zu erhalten.
Neue Vorstandsstruktur
2022 organisierte Fraunhofer umfassende strukturelle Change-Prozesse. So wurde die Vorstandsstruktur der Fraunhofer-Gesellschaft mit Beschluss des Senats weiterentwickelt. Diese Entscheidung reflektiert zum einen das nach wie vor starke Wachstum der Fraunhofer-Gesellschaft sowie zum anderen volatile Umfeldbedingungen im Wissenschaftssystem. Mit der neuen Struktur wird die thematische Schärfung der Vorstandsbereiche unterstützt, um dadurch interne Synergien gezielt heben zu können. Mit nun fünf statt bisher vier Vorstandsbereichen führte Fraunhofer einen neuen Bereich »Forschungsinfrastrukturen und Digitalisierung« ein. Dieser befasst sich systematisch mit den großen internen Forschungsinfrastrukturen, den Bauaktivitäten, dem Einkauf, der Digitalisierung auf SAP-Basis sowie mit dem Aufbau eines umfassenden Wissensmanagements. Zugleich wurden die im Zuschnitt angepassten Ressorts »Innovation, Transfer und Verwertung«, »Personal, Unternehmenskultur und Recht« sowie »Finanzen und Controlling« nach- und neu besetzt. Das Ressort »Unternehmensstrategie, Forschung und Kommunikation« bleibt bestehen.
Wissenschaftspolitische Rahmenbedingungen
Auch in der 20. Legislaturperiode ist die Fraunhofer-Gesellschaft wieder über ihren Präsidenten im Zukunftsrat vertreten. Dieser dient der Bundesregierung als zentrales innovationspolitisches Beratungsgremium zu relevanten Fragestellungen der Wissenschafts- und Forschungspolitik. Der Zukunftsrat analysiert neue Entwicklungen, Erkenntnisse und Trends im Innovationskreislauf und erarbeitet Vorschläge zur Stärkung der Resilienz und der technologischen Souveränität bei Schlüsseltechnologien.
Bundeskanzler Olaf Scholz initiierte mit der Allianz für Transformation einen Leitdialog zwischen der Bundesregierung und Spitzen aus Wirtschaft, Gewerkschaften, Verbänden, Wissenschaft und Zivilgesellschaft, um verlässliche Rahmenbedingungen für den Transformationsprozess Deutschlands zu schaffen. Dazu präsentierte Prof. Neugebauer eine Roadmap mit drei Teilzielen: heimische erneuerbare Energien effizient und umfassend nutzen, eine Wasserstoffwirtschaft aufbauen sowie den intelligenten Betrieb eines vernetzten Energiesystems. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, der untere anderem einen geopolitischen Umbruch hinsichtlich der Wege in der Energiepolitik erfordert, von Bedeutung.
Beteiligungen und Ausgründungen
Die Fraunhofer-Gesellschaft war zum Bilanzstichtag an insgesamt 82 Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen beteiligt und investierte im Jahr 2022 insgesamt 0,6 Millionen Euro in das Eigenkapital der Beteiligungen. Es kamen vier Unternehmen hinzu, bei denen sich die Fraunhofer-Gesellschaft am Grund- bzw. Stammkapital beteiligt. Der Buchwert aller Beteiligungen belief sich auf 9,2 Millionen Euro.
Ausgründungen sind ein integraler Bestandteil der Verwertungsaktivitäten bei Fraunhofer. Dabei unterstützt die Fraunhofer-Gesellschaft die Gründerinnen und Gründer über die Abteilung Ausgründungen und Beteiligungen, Fraunhofer Venture, bei ihren Vorbereitungsaktivitäten. Im Einzelfall übernimmt Fraunhofer im Rahmen des Technologietransfers eine gesellschaftsrechtliche Minderheitsbeteiligung. Im Jahr 2022 betreute Fraunhofer Venture 49 neue Ausgründungsprojekte; 18 Spin-offs gingen aus der Fraunhofer-Gesellschaft hervor.
Fraunhofer hat sich zum Ziel gesetzt, sowohl die Anzahl der Ausgründungen als auch den Anteil des Wirtschaftsertrags mit Spin-offs am Gesamtwirtschaftsertrag zu steigern. Unterstützt wird dieses Ziel mit zielgerichteten Maßnahmen und Programmen, die im Rahmen eines integralen Ansatzes inhaltlich gebündelt wurden.
Strukturwandel begleiten und gestalten
Eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Herausforderung der Bundesrepublik ist der Strukturwandel in den ehemaligen deutschen Kohlerevieren. Fraunhofer begleitet und gestaltet diesen Übergang aktiv mit. Bereits 2019 gründete die Fraunhofer-Gesellschaft eine Arbeitsgruppe für die besonders betroffenen Regionen Lausitz, Mitteldeutschland, Rhein-Ruhr und Helmstedt. Ihr Ziel ist es, die deutschen Kohlereviere zu international sichtbaren Modellregionen für eine nachhaltige Industriegesellschaft auszubauen. Derzeit laufen 17 Fraunhofer-Projekte in den Revieren mit den Schwerpunkten Energie-technik, Geothermie und Wasserstoff, Bioökonomie, Mikroelektronik und Leichtbau. Mit ihrer Einbindung in lokale und regionale Wirtschaftsstrukturen und der Entwicklung von kundenspezifischen Lösungen für nachhaltige Wertschöpfung vor Ort leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung eines Innovationsökosystems des jeweiligen Standorts. Im Rahmen seiner »Fokusreise Strukturwandel« präsentierte Fraunhofer-Präsident Prof. Neugebauer hierzu gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der regional verankerten Institute im November 2022 richtungsweisende Schlüsseltechnologien sowie deren innovative Anwendung.
Nachhaltigkeit Substanz geben
Als Europas größte Organisation für angewandte Forschung folgt Fraunhofer mit großem Wirkhebel einem besonderen gesellschaftlichen Auftrag. Mit Forschungslösungen für verbesserte Verfahren, neue Materialien, innovative Technologien und vielem mehr leistet Fraunhofer positive Beiträge für Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft und trägt so zu einer nachhaltigen Entwicklung im Sinne einer ökologisch intakten, ökonomisch erfolgreichen und sozial ausgewogenen Welt bei.
Einen elementaren Baustein bilden hierbei Fraunhofer-Leitprojekte wie »SUBI²MA – Nachhaltige biobasierte und biohybride Materialien«. Anfang 2022 gestartet stellt das Vorhaben die Entwicklung neuartiger Materialien mit verbesserter Abbaubarkeit sowie bislang nicht erreichbaren Funktionalitäten in den Fokus. Sie ermöglichen es etwa der Chemie- und Kunststoffindustrie, weitestgehend auf fossile Rohstoffe zu verzichten und ihren Kunden neue Hightech-Werkstoffe zur Verfügung zu stellen. Eine Digitalisierung der Entwicklungsprozesse soll zudem die Zeit bis zur Anwendungsreife verkürzen.
Im europapolitischen Kontext positioniert sich Fraunhofer in relevanten Gremien und Projekten, um die grüne und digitale Transformation voranzutreiben. Ein Beispiel hier-für ist das Horizon-Europe-geförderte Projekt »Enershare«, in dem seit 2022 drei Fraunhofer-Institute in einem internationalen Konsortium an der Realisierung eines europäischen Energiedatenraums arbeiten.
Neue Wege – neue Forschungseinrichtungen
Im Themenfeld Sicherheits- und Resilienzforschung startete 2022 das »Fraunhofer-Zentrum für die Sicherheit Sozio-Technischer Systeme SIRIOS« in Berlin. Neben den vier bestehenden Zentren erprobt Fraunhofer mit diesem Format, ob und wie eine von mehreren Instituten geführte Einheit an einem gemeinsamen Standort ihre ausgewählten Forschungskompetenzen bündeln kann, um kooperativ neue Geschäftsfelder zu entwickeln. Das Hauptaugenmerk in Berlin liegt auf der Simulation und dem Transfer von Forschungsergebnissen zu öffentlicher Sicherheit. Vier Fraunhofer-Institute bauen hierzu eine virtuelle Forschungs-, Test- und Trainingsumgebung für Sicherheitsbehörden, Rettungskräfte und Betreiber kritischer Infrastrukturen auf. Ziel ist es, das komplexe Zusammenspiel von Technik und Mensch in modernen Gesellschaften zu erforschen und sicherer zu gestalten.
Einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der technologischen Souveränität in Europa kann das Center for Advanced CMOS & Heterointegration Saxony leisten. Im Juni 2022 wurde die erste Ausbaustufe eröffnet. Das Zentrum soll zu einem Leuchtturm der Halbleiterforschung werden. Mit seiner 300-mm-Technologie ist es in Deutschland der Standort, an dem die Halbleiterforschung der Fraunhofer-Gesellschaft auf ein industrietaugliches Level gehoben und damit anschlussfähig für die Top-Player der Halbleiterindustrie wird. Mit der im nächsten Ausbauschritt geplanten 300-mm-Heterointegrationslinie entsteht ein hochwertiges Labor zur Bearbeitung von Zukunftsfeldern wie Neuromorphic- und Quantencomputing. Die Leitung des Centers obliegt den Fraunhofer-Instituten für Photonische Mikrosysteme IPMS (Center Nanoelectronic Technologies) sowie für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM (Institutsteil All Silicon System Integration Dresden).
Darüber hinaus wurden die deutschen KI-Kompetenzzentren als Teil der KI-Strategie der Bundesregierung 2022 mit einer institutionellen Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und die beteiligten Bundesländer als dauerhafte Einrichtungen verstetigt. Damit wird das bisherige Kompetenzzentrum Maschinelles Lernen Rhein-Ruhr (ML2R) zum Lamarr-Institut für Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz ausgebaut. Die Forschenden befassen sich mit leistungsfähigen, vertrauenswürdigen und ressourcenschonenden KI-Anwendungen. Die Aktivitäten sollen von ethischen Standards, Chancengleichheit, Vielfalt und Inklusion geleitet werden. Getragen wird das Lamarr-Institut von der TU Dortmund, der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn sowie den Fraunhofer-Instituten für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS und für Materialfluss und Logistik IML.