Die Gesamtanlageneffektivität OEE ist eine entscheidende Kennzahl in der Produktion. Sie definiert den Prozentsatz, zu der eine Anlage in einer vorgegebenen Geschwindigkeit Qualitätsprodukte produziert. Zugleich bildet sie die Grundlage für Verbesserungen der Prozesse durch die Identifizierung von Produktionsverlusten. Mit MOEE, kurz für Maximize Overall Equipment Effectiveness, haben Forscherinnen und Forscher am Fraunhofer IPA in Stuttgart ein Software-Tool entwickelt, die Produktionsverluste in Bezug auf die drei Parameter Leistung, Qualität und Verfügbarkeit in komplexen, vernetzten, automatisierten Anlagen erkennt.
Implementierte Algorithmen analysieren das Verhalten der Anlage automatisch und erstellen daraufhin ein individuelles Prozessmodell. Dabei werden die verschiedenen Prozessschritte eines Produktionszyklus visualisiert und beurteilt. »Die Algorithmen berechnen, welche Abläufe wann und in welcher Reihenfolge stattfinden und wie lange sie jeweils dauern. Erfolgen Prozessschritte nicht in der gewünschten Geschwindigkeit und sind sie nicht optimal aufeinander abgestimmt, so sagt dies etwas über die Leistung aus. »Kurzzeitstopps der Roboter etwa werden meist nicht erkannt, ihre Auswirkungen lassen sich nur schwer quantifizieren. Summieren sich jedoch mehrere solche Stopps, führt dies zu Fehlern«, erläutert Brandon Sai, Leiter der Gruppe »Autonome Produktionsoptimierung« am Fraunhofer IPA die Funktionsweise der Software an einem Beispiel. Würden Maschinen stillstehen, sage dies etwas über die Verfügbarkeit aus, ein weiteres Kriterium für eine unzureichende Effektivität von Anlagen. Darüber hinaus liefern die eigens entwickelten, selbstlernenden Algorithmen Informationen zur erzielten Qualität. Ziel ist es, die identifizierten Verluste den Komponenten zuzuweisen und so die konkreten Schwachstellen zu erkennen.
Automatische Prozessmodellerstellung kombiniert mit maschinellen Lernverfahren
Eine häufige Ursache für Störungen sind zu groß kalkulierte Sicherheitspuffer. Mit dem bloßen Auge nicht wahrnehmbar, erfasst MOEE minimalen Stillstand ebenso wie dynamische Engpässe – verursacht durch einen Produktionsstau. Fehlfunktionen wie das Klemmen eines Maschinenbauteils oder der unzureichende Auftrag einer Fettschicht werden ebenfalls registriert, indem die Software jeden Zustand minutiös codiert. »Durch eine Kombination aus automatischer Prozessmodellerstellung und maschinellen Lernverfahren erkennen wir Produktivitätsverluste zum Zeitpunkt ihres Auftretens und tragen so zu einer schnellen Beseitigung der Störung bei«, sagt der Ingenieur. Der Werker soll mit all diesen Informationen nicht belastet werden, er wird ausschließlich bei Problemen direkt benachrichtigt. Alternativ kann er sich den Effizienzgrad und das Verhaltensmodell der Anlage visuell am Dashboard darstellen lassen.
Produktivitätsverluste auf Signalebene erfassen
Für die Analysen nutzt MOEE die I/O-Schnittstelle der Steuerung. »Die Input-/Output-Schnittstelle ist das Gehirn der Maschine. Die Beobachtung der Anlage findet direkt an der Steuerung statt. Hier lässt sich das Verhalten optimal und feingranular erfassen«, sagt Sai. So ist es möglich, Produktivitätsverluste auf Signalebene zuzuweisen, die Verfügbarkeit zu erhöhen, die Leistung zu steigern und Qualitätsabweichungen zu identifizieren. Leistungs- und Qualitätsverluste können bis auf die Komponentenebene – etwa ein Ventil – erfasst werden.
MOEE ist bereits in Produktionsunternehmen im Einsatz und hat sich vielfach bewährt. Messebesucher können sich auf der diesjährigen Hannover Messe vom 12. bis 16. April 2021 über das Leistungsspektrum der Software informieren.