Unkraut ist auch in Baumschulen, Gemüsegärten oder Obstplantagen eine echte Plage. Gerade in den frühen Phasen des Wachstums der Nutzpflanzen nehmen die Unkräuter Licht, Wasser und Nährstoffe weg. Die Entfernung durch manuelles Hacken ist arbeitsintensiv und der Einsatz umweltschädlicher Herbizide nicht erwünscht. Nun hat das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart gemeinsam mit Partnern ein mobiles, mechanisches System entwickelt, das Unkraut zuverlässig, kostengünstig und umweltfreundlich entfernt. Das autonome Raupenfahrzeug AMU-Bot (AMU, autonome mechanische Unkrautbekämpfung) fährt in der Baumschule zwischen den Reihen an den Gehölzen entlang und entfernt das Unkraut – auch Beikraut genannt – mit Kreiseleggen. Die rotierenden Messer sind an einem höhenverstellbaren Manipulator befestigt. Am Ende der Baumreihe wendet das Raupenfahrzeug und biegt selbstständig in die nächste Baumreihe ein.
Navigation mit LiDAR-Scannern
Zur Navigation setzt das Projektteam um Kevin Bregler, Fachthemenleiter Agrarrobotik der Abteilung Roboter und Assistenzsysteme, gemeinsam mit den Partnern Bosch und KommTek optische Sensoren ein. Die darin verbauten LiDAR-Scanner (Light Detection and Ranging) senden während der Fahrt kontinuierlich Laserimpulse aus, die von den Objekten in der Umgebung reflektiert werden. Aus den unterschiedlichen Laufzeiten berechnen sich die Entfernungen. So entsteht eine 3D-Punkte-Wolke der Umgebung. Das Robotersystem nutzt diese, um seinen Weg zu finden und die Position von Pflanzen oder Bäumen zu erkennen. Kevin Bregler erklärt: »Der Roboter AMU-Bot ist noch nicht in der Lage, sämtliche Pflanzen zu klassifizieren, sondern erkennt Nutzpflanzen wie Bäume und Büsche in den Reihen der Baumschulkulturen. Außerdem werden die Abstände zwischen den einzelnen Nutzpflanzen ermittelt, um auf Basis dieser Informationen die Beikräuter entfernen zu können. Der Roboter nutzt diese Daten, um durch die Reihen zu navigieren, während der Manipulator das Beikraut entfernt.«
Auch dem Beikraut in den Zwischenräumen der Pflanzen oder Bäume wird zuverlässig der Garaus gemacht. Dazu fährt der Manipulator in die Pflanzenzwischenräume ein. Das Unkraut muss nicht extra eingesammelt werden, es bleibt auf dem Boden liegen und vertrocknet. Der fahrende Unkrautkiller bewegt sich dank Raupenantrieb sehr stabil und sicher über den Boden. Auch Löcher im Boden, die entstehen, wenn in der Baumschule eine Pflanze entnommen wurde, stören ihn nicht. Die AMU-Bot-Plattform ist wirtschaftlich, robust, einfach zu bedienen und gleichzeitig hocheffizient. Die Kreiseleggen beispielsweise haben sich bereits in der Landwirtschaft bewährt. Dort dienen sie häufig zur Auflockerung des Bodens vor dem Aussäen.
Fraunhofer-Experte Bregler sagt: »Das Entfernen von Unkraut ist ein sehr aktuelles und durchaus komplexes Thema. Man kann es ausreißen, abschneiden, hacken, abflammen oder mit Herbiziden behandeln. Doch gerade in der ökologischen Landwirtschaft und in Baumschulen oder Obstplantagen sind Herbizide heute nicht mehr erwünscht. Unsere Methode verzichtet vollständig auf Chemie.«
Robust, zuverlässig und kostengünstig
Die Projektverantwortlichen haben sich bewusst für eine scheinbar einfache Lösung entschieden. »Ein System, das die verschiedenen Einzelpflanzen klassifiziert, müsste mit hochauflösenden Kameras, KI-gestützten Bilderkennungsalgorithmen und Pflanzenprofilen arbeiten, die in einer Datenbank hinterlegt sind. Solche Systeme sind aufwendiger und teurer, und sie können auch nicht ohne weiteres in neuen Kontexten arbeiten«, erläutert Bregler. Die AMU-Bot-Plattform dagegen setzt auf das ausgeklügelte Zusammenspiel dreier ausgereifter Module: Raupenfahrzeug, Navigations-System und Manipulator. AMU-Bot ist auch das Ergebnis einer funktionierenden Partnerschaft. Für Navigation und Sensorsystem ist Bosch verantwortlich, die Firma KommTek hat den Raupenantrieb entwickelt. Das Fraunhofer IPA hat den höhenverstellbaren Manipulator samt Kreiseleggen konstruiert und die Gesamtkoordination übernommen. Unterstützt wird das Projekt vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Projektträger ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung.
Die Fraunhofer-Expertinnen und -Experten planen bereits den nächsten Schritt. Gemeinsam mit sieben weiteren Fraunhofer-Instituten arbeiten IPA-Experte Kevin Bregler und sein Team an einem neuen, leistungsfähigen Ökosystem namens COGNAC (Cognitive Agriculture). COGNAC basiert auf der Vernetzung von digitalen Diensten und Daten, die auch die Wechselwirkungen zwischen Biosphäre und Produktion einbeziehen. Es kombiniert diese mit intelligenter Sensorik und Robotik. Ziel ist der Aufbau einer flexiblen und intelligenten Automatisierung einer nachhaltigen Landwirtschaft – inklusive Unkrautvernichtung.