Interview
Herr Professor Müller-Groeling, was hat Sie gereizt, für die Aufgabe als Vorstand ins Rennen zu gehen?
Die Fraunhofer-Gesellschaft bietet meines Erachtens weiterhin enormes Potenzial, unsere Wirksamkeit weiter zu erhöhen, und zwar für unsere Kunden ebenso wie für uns selbst. Gerade an den Schnittstellen zwischen Instituten und Zentrale habe ich mir gesagt, hier kann man im Interesse durchgängiger Prozesse weitere Verbesserungen anstreben. Aber auch durch die beständig weiter verstärkte Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft kann Fraunhofer nur gewinnen. Jetzt bot sich mir die Chance, eine Position zu ergreifen, in der ich in ebendiesen Themenfeldern übergreifend mitgestalten und beitragen kann – diese Gelegenheit konnte ich nicht auslassen.
Sie leiten den neu geschaffenen Vorstandsbereich Forschungsinfrastrukturen und Digitalisierung.
Was sind Ihre Aufgaben und Ziele?
In meine Zuständigkeit fallen der zentrale Einkauf, Forschungs- und Bürobauten sowie der gesamte IT-Bereich, also der Eigenbetrieb, aber auch SAP, sowie die Themen Nachhaltigkeit und Klimaneutralität. Für diese breit gefächerten Aufgaben verfolge ich strategische, operative und kulturelle Ziele. Auf der strategischen Ebene geht es mir darum, dass Fraunhofer Vorreiter in der Nutzung digitaler Methoden und Tools sein muss, gleichzeitig möchten wir qualifizierter Akteur und Ansprechpartner von Politik und Wirtschaft für den Betrieb großer Forschungsinfrastrukturen sein. Auch in Sachen Klimaneutralität großer Organisationen können wir beispielgebend werden. Operativ geht es mir darum, Prozesse zu verbessern und gute Schnittstellen zu schaffen, um Effizienz und Endproduktorientierung in den Vordergrund zu stellen. Hinsichtlich kultureller Aspekte liegt mir am Herzen, eine diskursive Teamkultur und eine Zusammenarbeit zu fördern, bei der Widerspruch erwünscht und Fehler erlaubt sind. Dabei muss ich an mich selbst und meine Mitarbeitenden hohe Ansprüche stellen.
Sie haben in Physik promoviert, haben danach bei der Unternehmensberatung McKinsey gearbeitet.
Sie sind also in zwei unterschiedlichen Welten – der Wissenschaft und der Wirtschaft – zu Hause.
Angewandte Forschung braucht Management. Fraunhofer kann der Ort sein, an dem Forschungskreativität mit wirtschaftlichem Verständnis in besonderer Weise zusammentrifft, gepflegt und auch gelehrt wird. Das könnte und sollte ein ganz großer Wettbewerbsvorteil sein.
Welche Erfahrungen bringen Sie aus den Instituten, die Sie geleitet haben, mit an die Zentrale?
Die Institute sind die Orte der Wertschöpfung und benötigen die bestmöglichen Rahmenbedingungen, um erfolgreich zu sein. Ich sehe die Zentrale im besten Sinne als Dienstleisterin und Unterstützerin der Institute auf Augenhöhe: Man versucht gemeinsam, das Optimum für den individuellen Impact und den der gesamten Fraunhofer-Gesellschaft zu erreichen. Dann können wir die Erfolge auch in der Zentrale erlebbar machen und feiern.
In Ihre Verantwortung fällt auch die fortlaufende SAP-Einführung bei Fraunhofer. Welches Resümee ziehen Sie bisher?
Seit Januar 2022 werden insgesamt 46 SAP- und sieben Partnerlösungen sowie 40 SAP-Cloud-Anwendungen neu implementiert. Es handelt sich dabei nicht nur um das größte Veränderungsprojekt der weitgehend dezentral organisierten Fraunhofer-Gesellschaft, sondern auch um das größte IT-Lösungspaket, das jemals in der SAP-Historie implementiert wurde. Diese Transformation stellt nicht nur eine datentechnische Umstellung dar, es geht in erster Linie darum, unsere wichtigsten wertschöpfenden Geschäftsprozesse neu zu organisieren. Dies bindet naturgemäß viel Zeit und beträchtliche Ressourcen – und verlangt von allen Mitarbeitenden enormen Einsatz und andauernde Leistungsbereitschaft.
Die Einführung dieser hochkomplexen SAP-Gesamtsystemlandschaft erfolgte de facto auf einen Schlag. Rückblickend hätte sich möglicherweise eher eine modulare Vorgehensweise empfohlen. Wir verstehen dies als wichtigen Lerneffekt. Insgesamt schreitet die SAP-Implementierung trotz aller Schwierigkeiten und Belastungen kontinuierlich und erfolgversprechend voran, auch wenn wir von der gewünschten Effizienz und Nutzerfreundlichkeit noch ein gutes Stück entfernt sind. Doch wir leben im Zeitalter der Digitalisierung und wir werden bei Fraunhofer dieses ERP-System als Vorreiter in der Forschungslandschaft erfolgreich einführen.