Intelligente Medizin - Fraunhofer-Projekte 2022

Erkennung von Tumorzellen während der OP

Das Laser-Scanning-Mikroskop des Projekts LSC-Onco ist durch den Einsatz von MEMS-Technik so klein und kompakt, dass es auch im Operationssaal direkt an der Patientin oder am Patienten eingesetzt werden kann.
© Fraunhofer
Das Laser-Scanning-Mikroskop des Projekts LSC-Onco ist durch den Einsatz von MEMS-Technik so klein und kompakt, dass es auch im Operationssaal direkt an der Patientin oder am Patienten eingesetzt werden kann.

Gemeinsam mit einem Klinikum haben Fraunhofer-Forschende eine Technologie entwickelt, mit der sich noch während der OP wesentlich schneller als bisher bestimmen lässt, ob ein Tumor vollständig entfernt wurde. Das Konsortium kombinierte dazu ein kompaktes Laser-Scanning-(LSC-)Mikroskop mit fluoreszierenden antikörperbasierten Tumormarkern. So wird unmittelbar nach der ersten Tumorentfernung erkennbar, ob noch Krebszellen verblieben sind. Zur Detektion wird Gewebe außerhalb des Körpers mit antikörperbasiertem Tumormarker angefärbt und anschließend mit dem LSC-Mikroskop direkt an der kritischen Tumorgrenze untersucht.

Technologisch wird dazu ein mit MEMS- (Mikro-Elektronisch-Mechanische Systeme) gefertigter 2D-Mikroscanner-Spiegel eingesetzt. Im Mikroskop schwingt er mehrere Tausend Mal pro Sekunde und lenkt so blaues und rotes Laserlicht simultan Punkt für Punkt mit einer lateralen Auflösung von einem Mikrometer über das gesamte Bildfeld. Gleichzeitig führt der Spiegel das vom Gewebe abgestrahlte Fluoreszenz-Licht auf hochempfindliche Fotodetektoren, aus deren Signalen ein zweidimensionales Bild konstruiert wird. Auflösung und Präzision des Systems sind so hoch, dass selbst einzelne Krebszellen erfasst werden und im Display erscheinen. Dank eines konfokalen Prinzips können auch Bilder in unterschiedlichen Ebenen aufgenommen werden. Parallel zur Geräteentwicklung wurde eine antikörperbasierte tumorspezifische Färbemethode erprobt, um Fluoreszenzbildgebung sowohl für Gehirn- als auch Hauttumore zu ermöglichen. Vereinfacht ausgedrückt bringt sie die Krebszellen im Mikroskop zum Leuchten. Das Konsortium erprobt das System im Klinikumfeld weiter. Künftig soll es zusammen mit Bildgebung, die von künstlicher Intelligenz unterstützt wird, und Robotikimplementation einsetzbar sein. 

Erstmals wurde im Projekt LSC-Onco (Laser Scanning Oncology) ein leistungsfähiges und zugleich portables LSC-Mikroskop realisiert, das im Operationssaal direkt neben der behandelten Person platziert werden kann. Die Technologie wurde gemeinsam vom Helios Klinikum Erfurt und dem Fraunhofer-Zentrum für Mikroelektronische und Optische Systeme für die Biomedizin MEOS entwickelt.

Zur Presseinformation: »Neuartiges Laser-Scanning-Mikroskop verbessert Erkennung von Tumorzellen«

Neue Generation von Diagnosesystemen durch Photonik

Optofluidische Kartusche zur Zytokin-Erkennung
© Fraunhofer IZM | Volker Mai
Optofluidische Kartusche zur Zytokin-Erkennung

Eine präzise photonische Point-of-Care-(Poc-)Plattform ermöglicht die Einführung einer neuen Generation diagnostischer Systeme. Das Kernstück der Plattform ist ein automatisches Auslesegerät auf der Basis von Mikrostrukturen aus optischen Fasern. Es gewährleistet höchstgenaue Messungen und kann gleichzeitig bis zu sechs photonische Sensoren analysieren. Damit können Krankheiten wie Tuberkulose oder das seit 1995 in Deutschland zunehmende Q-Fieber künftig frühzeitig erkannt und behandelt werden.

Photonische Sensorplattformen revolutionieren die Point-of-Care-Diagnosemethoden, indem sie hohe Empfindlichkeit, Kompaktheit und Multiplex-Fähigkeiten für den schnellen und verlässlichen Nachweis von Infektionskrankheiten erlauben. Für diese neu entwickelte innovative Plattform gelang es einem interdisziplinären Konsortium erstmals, photonische Flaschenmikroresonatoren aus Glasfasern mit einem mikrofluidischen System zu kombinieren. Letzteres ist nötig zum Transport der Testproben in der Kartusche. Die so entstandene optofluidische Konfiguration in einer Chip-Kartusche eignet sich hervorragend für eine mehrkanalige Detektion von Zielmolekülen aus zellbasierten Proben. So können beispielsweise Zytokine – Eiweiße, die eine wichtige Rolle bei Krankheitserregern und im Immunsystem spielen – in weniger als 15 Minuten ausgelesen werden. Auch andere Biomarker für weitere Infektionskrankheiten lassen sich in diesem kurzen Zeitraum quantitativ bestimmen.

Das neue patientennahe Diagnostiksystem entstand im Förderprojekt »PoC-Bo-Sens« des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM koordinierte dabei ein internationales Konsortium aus den Forschungsbereichen Photonik, Mikrofluidik, Biochemie, Elektronik und Biomedizin. Zu den nächsten Schritten auf dem Weg zur Kommerzialisierung der Plattform gehören die Hochskalierung der optofluidischen Kartusche und der Ausleseeinheit, die klinische Verifizierung und die Validierung für die CE-Kennzeichnung. 

Zur Presseinformation: »Point-of-Care-Diagnose für mehrere Krankheiten gleichzeitig mit Hilfe der Photonik«

T-Zellen gegen Zellen von Blut-, Brust- und Lungenkrebs

Fraunhofer IZI -Produktion von CAR-T-Zellen
© Fraunhofer IZI
Die Selektion von T-Helferzellen und zytotoxischen T-Zellen ist einer der ersten Schritte bei der Produktion von CAR-T-Zellen

Die chimäre Antigen-Rezeptor-T-Zelltherapie, kurz CAR-T-Zelltherapie, stellt eine innovative Form der Immuntherapie zur Behandlung von Krebspatientinnen und -patienten dar. Dabei werden T-Lymphozyten, die von erkrankten Personen gewonnen werden, gentechnisch zu sogenannten CAR-T-Zellen verändert. Deren Rezeptoren können spezifische Antigene auf der Oberfläche von entarteten Zellen erkennen und die Zerstörung initiieren – unabhängig von der natürlichen Selbst-Fremd- Unterscheidung des Immunsystems, die von Krebszellen oft unterlaufen wird.

Für das Erkennen des Moleküls ROR1, das u. a. bei Leukämien, aber auch bei Brust- und Lungenkrebs von den Krebszellen exprimiert wird, wurde am Universitätsklinikum Würzburg ein chimärer Antigen-Rezeptor (CAR) entwickelt. Durch einen nicht-viralen Gentransfer wird das genetische Material für diesen speziellen CAR in das Genom der T-Zellen eingeschleust. Die T-Zellen werden dadurch so umprogrammiert, dass sie ROR1-positive Krebszellen als »fremd« erkennen und abtöten. Mehrere Test- und Validierungschargen des CAR-T-Zellprodukts wurden vom Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI hergestellt. An ihnen wurde der Prozess für die anspruchsvolle Herstellung nach pharmazeutischen Qualitätsstandards (Good Manufacturing Practice, GMP) optimiert und die Aktualisierung der Sortimentliste nach dem Arzneimittelgesetz vorbereitet. Damit wird die am Fraunhofer IZI bestehende allgemeine Herstellungserlaubnis für neuartige Therapien (Advanced Therapy Medicinal Products, ATMPs) erweitert. Auch die präklinische Studie zur Sicherheit und Wirksamkeit der ROR1 CAR-T-Zellen wurde am Fraunhofer IZI unter den Bedingungen der Good Laboratory Practice (GLP) durchgeführt. Im nächsten Schritt kann nun die klinische Translation mit einer Phase-I/II-Studie (First-in- Human) realisiert werden. Das Projekt wurde von der Proof-of-Concept-Initiative gefördert. Initiiert wurde dieses Kooperationsprogramm 2017 von der Fraunhofer-Gesellschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft und der Deutschen Hochschulmedizin. Ziel ist es, die schnellere Überführung von innovativen Forschungsvorhaben bis zum Patientenbett zu fördern.

Weitere Informationen zum Forschungsprojekt:

Proof-of-Concept Initiative

Gutachten zur Digitalisierung im Gesundheitswesen

Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens
© iStock
Zur zügigeren Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens lieferte ein Gutachten Empfehlungen

Im Auftrag der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) untersuchte das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI das Voranschreiten der Digitalisierung im deutschen Gesundheitssystem und leitete daraus Handlungsempfehlungen für die weitere Gestaltung ab. Im Fokus standen etwa der Umsetzungsstand von Gesetzesinitiativen, die Positionen der zentralen Akteursgruppen, Datenschutz- und Cybersicherheitsaspekte sowie innovative Geschäftsmodelle. Unter anderem wurde der Stand in Deutschland mit dem in Dänemark, Estland, Spanien und Österreich verglichen.

Als Ursachen für die verzögerte Digitalisierung in Deutschland wurden neben Interessenkonflikten der vielen beteiligten Akteursgruppen, insbesondere Bürokratie, eine unzureichende digitale Infrastruktur in den Gesundheitseinrichtungen, Sicherheitsbedenken, fehlende Zuverlässigkeit der technischen Lösungen sowie regulatorische Unsicherheiten identifiziert. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Gesetzesinitiativen der vergangenen Legislaturperiode eine wichtige Grundlage für die Beschleunigung der Digitalisierung im deutschen Gesundheitssystem bilden. Empfohlen werden weitere politische Initiativen und Maßnahmen auf Ebene der Bundesländer, des Bundes und der EU: etwa beim Ausbau einer leistungsfähigen Breitbandinfrastruktur, der Entwicklung einer E-Health-Strategie für Deutschland und einer deutlichen Verbesserung der IT-Sicherheit in Gesundheitseinrichtungen. Aber auch der Aufklärung der Bevölkerung und der Verbesserung der digitalen Kompetenzen der Gesundheitsberufe sollte eine große Priorität zukommen. Ein weiteres Ergebnis der Vergleichsuntersuchung mit anderen Ländern: Dort wurden relevante Stakeholder-Gruppen frühzeitig stärker bei der Implementierung von E-Health-Prozessen eingebunden. Dadurch kann eine bessere Ausrichtung an tatsächlichen Bedarfen in der Gesundheitsversorgung und eine höhere Unterstützung zur digitalen Transformation des Gesundheitswesens gewährleistet werden. Die nächsten Schritte zur Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland sollten durch ein stetiges Monitoring die Umsetzung begleiten und in Reallaboren für E-Health-Anwendungen erprobt werden, so die Empfehlung der Expertinnen und Experten.

 

Presseinformation: »Wie kann die Digitalisierung des Gesundheitssystems beschleunigt werden?«