Brandgefährlich
Aktuell fehlen Warngeräte für Rauch gerade an den bedrohtesten Stellen in der Wohnung. Geruchsexperten der Fraunhofer-Institute IIS und IVV arbeiten an einer Lösung – mit Sinn(en).
Riechen wir schon den ersten Holzkohlen-Grill an einem warmen Frühlingstag? Das letzte gemütliche Kaminfeuer, weil’s abends eben doch noch kalt wird? Oder ist es der Kabelbrand aus der Küche des Nachbarn? Der Mensch ist ein toller Typ. Er unterscheidet spontan, schnell und absolut sicher – er hat einfach eine Nase dafür, gerade wenn es um die großen Eckpunkte seines Lebens und Überlebens geht: Genuss und Gefahr. Und die Technik?
Rauchmelder sind in allen 16 Bundesländern vorgeschrieben für Privatwohnungen, allein Sachsen begnügt sich noch mit der Pflicht für Neubauten. Sie sind installiert in Flur und Wohnzimmer, Kinder- und Schlafzimmer. Sie fehlen in Küchen. Dabei hat die »Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes« im Jahr 2020 sehr eindeutige Zahlen aus der Brandschadenstatistik öffentlich gemacht. Klarer Risikoschwerpunkt in Privatwohnungen ist die Küche. 48 Prozent der Brände in Wohnungen brechen rund um Herd und Ofen aus. In 24 Prozent der Fälle greift das Feuer von Müllbehältern aus um sich. Genau dort also, wo die Brandgefahr am höchsten ist, fehlen aktuell die automatischen Warner – obwohl, und das ist ein weiteres Ergebnis der Untersuchung, die Brände weniger weit fortgeschritten waren, wenn der Alarm durch eine Meldeanlage ausgelöst war. Auch die Schadenssumme blieb dann geringer.
Damit Rauchmelder auch am gefährlichsten Ort warnen können, müssen sie unterscheiden lernen, ob das Schnitzel in der Pfanne angebrannt ist oder gerade der Küchenvorhang in die Gasflamme gerät. Aktuell aber detektieren die allermeisten Warngeräte nicht die verschiedenen Gase in ihren unterschiedlichen Konzentrationen. Im Kooperationsprojekt »Campus der Sinne« arbeiten das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS und das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV an einer Lösung. Sie wollen mit technischen Sensoren und KI-basierter Auswertung die Sicherheit beim Wohnen erhöhen und die Zahl von Fehlalarmen reduzieren. Sebastian Hettenkofer ist fasziniert von dieser Aufgabe, einer Maschine beizubringen, die komplexe Welt der Moleküle zu verstehen – und ein lernendes System zur Erkennung von Bränden an den Gerüchen zu ermöglichen.
Der Mathematiker am Fraunhofer IIS in Erlangen kommt von der Bildverarbeitung. Da hat er erlebt, wie weit die Technik inzwischen fortgeschritten ist, wenn es darum geht, das menschliche Auge in seiner Leistungsfähigkeit nachzubauen – oder zu übertreffen. »Die Analyse von Gerüchen ist ein ungleich schwierigeres Gebiet«, hat er gelernt. Aber auch: »Gerade im Rauch schlummert ein unglaubliches Potenzial.«
Gewaltig aber sind auch die Probleme. Rauch ist flüchtig. Datengrundlagen fehlen. Mit hohem Aufwand müssen Brände in speziellen Brandräumen simuliert werden, um die Zielgase ausmessen und Vergleichbarkeiten herstellen zu können. Schließlich geht es um hochindividualisierte Bereiche: Welche Wohnung ist mit ihren Stoffen, ihren Bodenbelägen und Ausstattungen schon absolut vergleichbar mit der des Nachbarn? Trotz aller Probleme, die noch zu lösen sind, ist Sebastian Hettenkofer fest überzeugt von den Vorteilen einer innovativen technischen Lösung gegenüber dem althergebrachten Rauchmelder Nase. »Die Technik«, sagt er, »ist unglaublich stark bei Objektivität, Reproduzierbarkeit und Kontinuität.« In ein, zwei Jahren hofft er gemeinsam mit seinem Team für Fraunhofer schon einen Prototypen präsentieren zu können, der echten Sicherheitsnutzen verspricht. Der Fraunhofer-Mann vom IIS: »Das gibt der Gesellschaft etwas wirklich Positives.«
Drei Fragen an Sebastian Hettenkofer
Ich habe mich in meiner Forschung schon viele Jahre damit beschäftigt, wie man die emotionale oder affektive Wirkung von Sinneseindrücken erfassen kann. Dabei habe ich insbesondere an Verfahren zur Mimikanalyse mitgewirkt. Hier ging es unter anderem darum, Maschinen empathisch werden zu lassen, sodass sie sich an die Gefühle des Menschen anpassen können. Als Forscher bin ich dann natürlich auch neugierig geworden: Wie verarbeitet ein Mensch eigentlich verschiedene Sinneseindrücke? Und wie kann ich das mit Methoden der künstlichen Intelligenz nachbilden?
Ich arbeite in der angewandten Forschung und habe in der Vergangenheit schon an einigen erfolgreichen Produktentwicklungen mitgewirkt. Es hat für mich einen ganz besonderen Reiz, wenn das Ergebnis jahrelanger Forschung und Entwicklung dann sozusagen »im Laden steht«. Ähnliches erhoffe ich mir von unserer Forschung an der Digitalisierung der Sinne: Wenn wir es z. B. schaffen, einige der spektakulären Eigenschaften unseres Geruchssinns in einen KI-gestützten Sensor zu überführen. Der könnte dann einen Zimmerbrand nicht nur früher erkennen, sondern auch die Brandart unterscheiden, sodass die passenden Löschmittel zum Einsatz kommen.
Die Stärken des Menschen sind Anpassungsfähigkeit und Spezialisierung auf das, was für ihn individuell wichtig ist (wie zum Beispiel Sicherheit). Die Technik hingegen punktet durch Objektivität und Kontinuität und ist nicht zwingend auf das begrenzt, was für den Menschen unmittelbar wichtig oder erfassbar ist. Das Ziel ist natürlich, diese Stärken miteinander zu kombinieren.