Wie lässt sich ausreichend (grüner) Wasserstoff herstellen?
Das Nadelöhr hinsichtlich der Wasserstoff-Mobilität liegt in der H2-Herstellung, dieses gilt es deutlich zu weiten. »Hatten wir 2015 eine installierte Leistung von 21 Megawatt, so ist 2050 das 3000-Fache davon nötig – wenn auch nicht allein für die Mobilität. Bereits 2030 ist eine jährliche Zubaurate von ein bis fünf Gigawatt erforderlich«, sagt Prof. Ralf B. Wehrspohn, Fraunhofer-Vorstand für Technologiemarketing und Geschäftsmodelle. Bislang jedoch werden die Elektrolyseure, die mithilfe von Strom Wasserstoff erzeugen, weitestgehend manuell hergestellt. Für die künftig erforderlichen Stückzahlen und Leistungen gilt es, die Systemzuverlässigkeit zu erhöhen und entsprechende Produktionstechnologien zu entwickeln – also die Herstellung solcher Anlagen zu automatisieren, sie in den industriellen Maßstab zu überführen und die Herstellungskosten zu senken. Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE beispielsweise setzt gleich an mehreren Punkten an, um die Kosten für die Elektrolyseure zu reduzieren: Die Forscherinnen und Forscher entwickeln neue Membranmaterialien, verlängern die Lebensdauer der Zellen durch eine Anti-Korrosions Beschichtung und führen entsprechende Lebensdauertests durch. Die Kollegen des Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien und Systeme IKTS kombinieren die Hochtemperaturelektrolyse mit der Fischer-Tropsch-Synthese – ein großtechnisches Verfahren zur Kohleverflüssigung. Die Kombi Pilot-Anlage soll an einem Kalkwerk der Johann Bergmann GmbH & Co. KG nun zunächst auf zehn Kilowatt hochskaliert werden und als Basis für ein weiteres Scale-up dienen.
Elementar bei all den Entwicklungsaufgaben hin zu größeren Elektrolyseuren ist es, diese zu erproben – und zwar im industriellen Maßstab. Möglich ist dies in der Elektrolysetest-und Versuchsplattform ELP in Leuna, die das Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS und das Fraunhofer-Zentrum für Chemisch-Biotechnologische Prozesse CBP derzeit aufbauen. Anfang 2021 soll sie in Betrieb gehen. »ELP ist die erste Versuchsplattform, die Systemtests in dieser Größenordnung technologieoffen anbietet«, sagt Dr. Sylvia Schattauer, stellvertretende Leiterin des Fraunhofer IMWS. »Die Kapazität unserer vier Außenstellplätze liegt mit insgesamt sechs Megawatt Anschlussleistung deutlich über der Testkapazität der Herstellerfirmen.« Die Infrastruktur ist ebenfalls deutschlandweit bislang einmalig: Der erzeugte Wasserstoff – bei einer Anschlussleistung von sechs Megawatt können das durchaus ein paar Tonnen sein – wird in die 157 Kilometer umfassende H2-Pipeline der Linde AG eingespeist. Auf diese Weise kann er nicht nur effizient erzeugt, sondern auch optimal transportiert und in den Chemieparks Mitteldeutschlands, H2-Tankstellen sowie in weiteren Projekten genutzt werden. Mit der an die ELP angeschlossenen Skalierungsplattform Hy2Chem kann der im Großmaßstab erzeugte Wasserstoff zur nachhaltigen Herstellung von Grundchemikalien und Kraftstoffen genutzt werden.
Wenn es sich um »grünen« Wasserstoff handelt, die Elektrolyseure also aus regenerativen Energiequellen betrieben werden, macht die Wasserstoff-Mobilität ökologisch Sinn. Dies führt jedoch zu einer weiteren Herausforderung: Die Energie aus Wind und Sonne schwankt stark, die Elektrolyseure laufen also in unterschiedlichen Teillasten. Wie wirkt sich das auf die Elektrolyseure aus? Und wie wiederum lassen sich die Elektrolyseure nutzen, um die Windräder bei einem Überangebot an Strom nicht wie bisher abschalten zu müssen, sondern die überschüssige Energie in Form von Wasserstoff speichern zu können? Dies untersuchen Experten vom Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme IWES in einem Testfeld: Geplant ist eine Zwei-Megawatt-Elektrolyseureinheit, die bis zu einer Tonne Wasserstoff pro Tag erzeugt. Hier haben Industriekunden ab 2022 die Möglichkeit, ihre Elektrolyseure und das Gesamtsystem in verschiedenen Netzszenarien zu testen.