Zwölf Millionen Tonnen Lebensmittel landen Jahr für Jahr in Deutschland im Müll – viele nur deshalb, weil sie in Form oder Farbe nicht der Norm entsprechen. Dabei schmecken krumme Gurken, divers geformte Äpfel und Tomaten ebenso gut wie ihre Ebenbilder im Standardmaß. »Wir brauchen zwingend neue Geschäftsmodelle und alternative Verwertungswege – um Verschwendung einzugrenzen und den Lebensmitteln wieder ihren Wert zu geben, den sie verdienen «, ist Prof. Büttner überzeugt. Forscherinnen und Forscher am Fraunhofer IVV arbeiten daher gemeinsam mit dem Berliner Start-up Sprk GmbH daran, krumme Lebensmittel für hochwertige Produkte zu verwenden. Die Basis bildet die Mikrowellenvakuumbehandlung von Obst – ein Verfahren, das am Fraunhofer IVV entwickelt wurde. »Anders als bei der Gefriertrocknung, bei der meist langweilige, weiche Produkte herauskommen, erhalten wir ein knuspriges Produkt, das ähnlich wie Kartoffelchips als Snack verzehrt werden kann«, erläutert Prof. Peter Eisner, stellvertretender Leiter des Fraunhofer IVV.
Während üblicherweise 80 Prozent der Kosten im Rohstoff liegen und mit 10 bis 20 Euro pro Kilo zu Buche schlagen, sinken diese gegen null, wenn man ein Nebenprodukt als Grundlage nimmt. »Indem wir auf Lebensmittel setzen, die ansonsten weggeworfen würden, sinken nicht nur die Kosten, sondern es steigt gleichzeitig die Nachhaltigkeit und Wertschöpfung – bei einem tollen Aroma und Knuspereffekt «, verspricht Eisner. Da diese Früchte jedoch auch mal eine braune Stelle haben können oder bei Erdbeeren eine unreife weiße, bringen die Forschenden die verschiedenen Früchte in zerkleinerter Form zusammen und produzieren gewissermaßen einen gepufften Smoothie zum Knabbern. Durch die schonende Verarbeitung bleiben die Vitamine zu 50 bis 80 Prozent erhalten, Proteine und Mineralien sogar zu 100 Prozent. Auch könnte Presskuchen aus der Saftgewinnung verwendet werden, etwa von Ananas – der aufgrund des hohen Ballaststoffanteils ernährungsphysiologisch sehr wertvoll ist – und mit Minze und Ingwer oder Mango und Paprika verfeinert werden.
Anfang 2023 sollen die gesunden Snacks aus »krummen Dingern« auf den Markt kommen. Lebensmittelverluste vermeiden wollen die Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer IVV auch im Projekt »SHIELD – Sichere heimische (Bio-)Lebensmittel durch sensorische Detektionsverfahren«. So sollen es sensorische Methoden erleichtern, insbesondere bei schnell verderblichen Biowaren Qualitätsprognosen zu erstellen und Logistikketten zu optimieren – und damit die tatsächlichen Wünsche der Lebensmittelindustrie und der Verbraucher zu erfüllen. »So wie wir Menschen mehrere Sinne haben, verlassen wir uns auch beim technologischen Ansatz nicht auf einen einzelnen Kanal, sondern kombinieren Sensortechnologien, optische Methoden und intelligente Algorithmen«, sagt Büttner. »Das Ergebnis sind Handgeräte und smarte Software, die auch in kleinen Betrieben einsetzbar sind. Zusätzlich wollen wir Methoden etablieren, mit denen sich die Authentizität sowohl von Rohstoffen als auch von produzierten Lebensmitteln nachweisen lässt«, erläutert Dr. Susann Vierbauch, die das interdisziplinäre Konsortialprojekt koordiniert.
Projekt »SHIELD – Sichere heimische (Bio-)Lebensmittel durch sensorische Detektionsverfahren«