KI durchzieht bereits heute viele Lebensbereiche. Davon konnten sich die zahlreich angereisten ehemaligen Fraunhofer-Mitarbeitenden am 20. November in Berlin auf dem 4. Fraunhofer-Alumni-Summit ein umfassendes Bild machen - Bei Führungen am Fraunhofer IPK, dem Heinrich-Hertz-Institut oder der mit hochkarätigen Sprecherinnen und Sprechern aus Politik, Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft besetzten Fachtagung des Summits. Und natürlich gab es für die ehemaligen Mitarbeitenden der Fraunhofer-Gesellschaft viele Gelegenheiten zur Vernetzung.
Mehr als 130 Teilnehmende kamen am 20. November nach Berlin, um am Fraunhofer IPK und Fraunhofer HHI den 4. Fraunhofer-Alumni-Summit zu begehen. Für viele Besucherinnen und Besucher war es ein Wiedersehen mit der ehemaligen Wirkungsstätte. Das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK beeindruckte mit Präsentationen in der großen Werkshalle und KI-basierten Lösungen beispielsweise für KI-gestütztes Greifen bei Roboterarmen. Das Fraunhofer-Institut für Nachrichtentechnik, Heinrich-Hertz-Institut HHI, präsentierte den aktuellen Forschungsstand der Optimierung von 5G-Mobilfunktechnologien mit Unterstützung von KI. Besucherinnen und Besucher konnten zudem im TiME Lab (Tomorrow’s Immersive Media Experience Lab) des HHI einen Eindruck davon gewinnen, wie wir in Zukunft Kinofilme erleben werden.
Höhepunkt des Abends war die Summit-Night mit den Vorträgen und der Podiumsdiskussion. »2019 feiern wir 70 Jahre Fraunhofer, unsere Alumni waren Teil dieses Erfolges und trugen dazu bei, dass die Fraunhofer-Gesellschaft 2019 zu einer Organisation mit knapp 28.000 Mitarbeitenden und einem Umsatz von rund 2,8 Milliarden Euro herangewachsen ist«, so Prof. Dr. Alexander Kurz, Vorstandsvorsitzender des Fraunhofer-Alumni e.V. sowie Vorstand für Personal, Recht und Verwertung der Fraunhofer-Gesellschaft. »Aber Zahlen sind nicht alles, uns geht es heute vor allem um Inhalte und Menschen.« Inhaltlich führte Dr. Michael Mertin, Unternehmensberater, Vorstand des Fraunhofer-Alumni e.V. und Fraunhofer-ILT-Alumnus, durch den Abend.
Augmented Intelligence und Domänenwissen
Wie die Siemens AG vom Einsatz Künstlicher Intelligenz profitiert, machte Dr. Roland Busch, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender, CTO und Mitglied des Vorstands der Siemens AG, an eindrucksvollen Beispielen deutlich: »Früher haben wir Robotern gesagt, was sie tun sollen. Morgen entscheiden die Maschinen selbst, wie sie es tun.«
So trainiert Siemens Industrieroboter, die völlig unterschiedliche Werkstücke selbstständig greifen. Ein anderes Beispiel ist eine autonome Tram, die mit Hilfe künstlicher Intelligenz Unfälle vermeidet. Die Fahrerin oder der Fahrer könne sich daher anderen Aufgaben widmen.
»Es wird alles digital und wir bei Siemens glauben, dass die Kombination aus KI und Domänenwissen entscheidend ist. Daher investieren wir auch nicht in die so genannte generelle KI für die Lösung beliebiger Probleme, sondern wir konzentrieren uns auf sehr spezifische Fragestellungen«, so Dr. Busch. Ein Beispiel dafür ist ein Pilotprojekt im Einkauf von Siemens. Das Unternehmen hat rund 200.000 Zulieferer und kauft pro Jahr für rund 40 Milliarden Euro Güter und Dienstleistungen über rund drei Millionen Bestellungen ein. »Wir verwenden für bestimmte Einkaufsmuster KI-Algorithmen und nehmen eine Eingrenzung vor auf wesentliche Daten wie Zulieferer, Zeitpunkt der Lieferung und historische Werte – der Computer kann solche Entscheidungen angesichts der Größe der Daten besser als Mitarbeiter im Einkauf treffen. Diese können sich auf strategische Themen konzentrieren.« Dank dieser Augmented-Intelligence-Lösung könne das Unternehmen einen signifikanten Betrag einsparen, so Busch.
Dass ein Companion-Ansatz zu den besten Ergebnissen führen kann, zeige sich auch bei der Auswertung von Radiologie-Daten. »Die besten Ergebnisse erzielt man, wenn KI und Radiologin oder Radiologe zusammenarbeiten. Es gibt eine Vorauswahl des Systems und die Mediziner treffen letztlich eine Entscheidung«, verdeutlicht Busch. »Wir wollen Menschen nicht eliminieren, sondern wir versuchen, sie auf das Wesentliche zu fokussieren.«
Auch beim so genannten »Generative Design« kann eine Künstliche Intelligenz Mehrwerte liefern. So hat das Unternehmen einen Hochtemperaturbrenner mit bestimmten Anforderungen von einer KI konstruieren lassen. Das Bauteil ermöglicht vom Aufbau einer Fenchelknolle inspiriert, 50 Prozent weniger Teile und 60 Prozent niedrigere Kosten. »In diesem Beispiel hat der Rechner ein Design entwickelt, auf das eine Ingenieurin oder ein Ingenieur so vielleicht nie gekommen wäre«, so Busch.
Der Markt für Künstliche Intelligenz wird in den nächsten Jahren ein Volumen von mehreren Billionen Dollar umfassen. Dennoch sieht Busch auch Hemmnisse, wie zum Beispiel Datenprobleme: So verbringen hochbezahlte KI-Fachkräfte 70 Prozent der Arbeitszeit damit, Daten aufzubereiten. Bei vielen Unternehmen – vor allem aus dem Bereich Fertigung – gebe es zu wenig Kompetenzen im Bereich KI. Punkte wie Datensicherheit und fehlendes Vertrauen in KI-Lösungen bergen zusätzliche Herausforderungen. Siemens untersuche daher intensiv, wie KI verantwortlich gestaltet werden könne, erklärbar und auch robust.
»Industrielles Design erfordert aber auch tiefes Domänenwissen«, betont Busch. »Auf der Zugstrecke Moskau und St. Petersburg sind die Betreiber mit unseren Zügen 13 Millionen Kilometer ohne einen einzigen technischen Verzug gefahren. Es gab zwar etwa so viel Verschleiß und Fehlfunktionen wie technisch zu erwarten, aber durch unsere Analytik konnten wir jeden drohenden Ausfall mit einer Genauigkeit von sieben bis zehn Tagen vorhersagen und durch rechtzeitige Wartung verhindern.« Für diese Datenauswertung ist jedoch sehr spezifisches Wissen nötig. »Daher ist das Zusammenwirken von KI-Expertinnen oder Experten und dem Fachpersonal mit Domain-Wissen entscheidend – eine Entwicklerin oder ein Entwickler kann nicht morgens an einer Lösung für eine Turbine arbeiten und abends einen Zug optimieren.«