»Wir sind quitt!« - Fraunhofer IOF-Alumnus Dr. Alexandre Gatto
Wenn in einigen Jahren Autoscheiben oder Fenster in Straßenbahnen personalisierte Informationen einblenden, auf Gesten reagieren oder die Temperatur messen, dann könnte das eines der Projekte sein, mit denen sich Alexandre Gatto aktuell als Leiter des Bereichs Mikrostrukturierte Optik mit seinem Team bei Carl Zeiss in Jena beschäftigt. In den nächsten Jahren ist laut Gatto mit ersten Anwendungen für Smart Glass zu rechnen, eine Technologie, die über die letzten Jahre mit viel Engagement in dem Team vorangebracht wurde. Wenn es dafür keinen Nobelpreis gibt, dann hat das statischtische Gründe - doch dazu später mehr. Von Marseille aus ging der gebürtige Franzose für eine Postdoktoranden-Stelle an das Fraunhofer-Institut für Optik und Feinmechanik IOF und mit kleinen Zwischenstationen ist der Physiker dem Standort Jena, der Optik und auch dem IOF treu geblieben.
Sie waren mehr als fünf Jahre bei Fraunhofer beschäftigt. Auf welchem Weg sind Sie zum IOF gekommen?
Das war einfach! Nach meiner Promotion an der Universität Aix-Marseille am Institut Fresnel war ich auf der Suche nach einer Stelle. Es gab damals das Austauschprogramm Training and Mobility Research, an dem sich auch das Fraunhofer IOF beteiligte. In meinem Fachbereich war das IOF schon damals sehr renommiert und es gab eine auf 18 Monate befristete Postdoc-Stelle, die sich mit meinen Interessen deckte. Meine Doktorarbeit verteidigte ich noch in Marseille. Direkt im Anschluss stieg ich in das Flugzeug, um mir in Jena das IOF anzuschauen. Damals war zwar das Institut noch nicht so groß wie heute, aber mit einer Verlängerung der Stelle bin ich schließlich 6 Jahre geblieben.
Was waren Ihre Schwerpunkte, woran haben Sie geforscht?
Eines der Forschungsziele dieses EU-finanzierten Training Mobility Research Projektes waren optische Spiegelsysteme für Frei Elektronen Laser, die extrem robust sein müssen. Ich hatte über optische Schichten promoviert und kam in die Abteilung Coatings des IOF unter Leitung von Prof. Norbert Kaiser. Dort beschäftigten wir uns mit speziellen Coatings für den UV/VUV-Bereich. Dabei verwendet man Licht aus einer Synchrotron-Quelle, für die sehr große Anlagen nötig sind, wie sie beispielsweise in Triest oder Berlin zu finden sind. Das Licht aus dieser Quelle wird in einem Spiegelsystem »enhanced«. Durch das extreme Synchrotron-Licht sind äußerst widerstandsfähige Beschichtungen nötig. Wir haben gute Ergebnisse mit dem Design von Schicht-Systemen erzielt. Aber neben optischen Eigenschaften spielt natürlich auch das Material eine Rolle. Nach diesem Projekt habe ich verschiedene Industrie-Projekte auch mit unterschiedlichen Abteilungen des IOFs geleitet, zuletzt als Gruppenleiter VUV Optical Coatings. So habe ich in dem Spektralbereich UV/VUV unter anderem verschiedene Verfahren sowie Design-Coatings für die optische Industrie entwickelt.
Was ist das Besondere an Fraunhofer?
Es ist die Positionierung die Fraunhofer einnimmt, die exakt zwischen reiner Forschung und der Forschung für die Industrie angesiedelt ist. Natürlich ist auch die Atmosphäre sehr gut und äußerst produktiv. Für mich ist das Fraunhofer-Modell nach wie vor die beste Brücke zwischen Forschung und Anwendung. Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die von der Universität kommen und in die Industrie wechseln wollen, bietet das Fraunhofer-Modell zahlreiche Vorteile. Für mich persönlich bot die Zeit bei Fraunhofer die optimale Vorbereitung, um dann 2005 zur Zeiss Group zu wechseln.
Was verwenden Sie dort heute aus der Zeit bei Fraunhofer?
Auf meine derzeitige Tätigkeit habe ich mich zusätzlich durch ein Sonderstudium für den Master of Business Administration vorbereitet. Einige ausgewählte Mitarbeiter konnten sich an diesem berufsbegleitenden Ausbildungsprogramm beteiligen. Dieses Programm der Bradford University School of Management war sehr fundiert und hilft mir heute bei meinen Aufgaben als Manager. Auf der anderen Seite habe ich auch einige Projekte für Fraunhofer akquiriert, von daher sind wir wahrscheinlich quitt! Spaß beiseite! Ich bin nach wie vor sehr dankbar für diese Chance und mit Fraunhofer arbeite ich bis heute regelmäßig in Projekten zusammen.
Warum ist Ihre Wahl auf den Standort Deutschland gefallen?
In Deutschland gibt es noch die Max-Planck-Gesellschaft, aber tatsächlich kennt man kaum vergleichbare Beispiele aus anderen Ländern. Zwar existieren beispielsweise in Frankreich oder anderen europäischen Ländern Forschungsinstitutionen mit ähnlicher Ausrichtung, aber die sind bei weitem nicht so erfolgreich – es gibt bislang keine wirklich gute Kopie. Auf der anderen Seite darf man natürlich nicht vergessen, dass auch die Fraunhofer-Gesellschaft nicht über Nacht aufgebaut wurde.
Was haben Sie aus der Zeit bei Fraunhofer mitgenommen?
Wie gesagt, ich habe am IOF viel gelernt. Als Projektleiter und Gruppenleiter habe ich mir in über fünf Jahren viele Skills erarbeitet. Das waren meine ersten Management-Aufgaben und meine ersten beruflichen Erfahrungen. Zusätzlich konnte ich so auch gleich Auslandserfahrung sammeln. Das war wirklich sehr spannend. Vor allem konnte ich mich in einem Kontext entwickeln, der mir einen vergleichsweise sicheren Rahmen lieferte. So war der Sprung ins Berufsleben nicht ganz so groß, wie er vielleicht gewesen wäre, wenn ich direkt in die Industrie gegangen wäre.
Was sind heute bei ZEISS Ihre Schwerpunkte?
Natürlich nutze ich nach wie vor einige Elemente aus meinen Erfahrungen am IOF, und ich habe dort auch viel erlebt. Methodisch war das eine exzellente Full-Stock-Ausbildung, wie ich es nennen möchte. Allerdings gibt es in einem Konzern andere Herausforderungen und ein großes Unternehmen funktioniert nicht wie ein Fraunhofer-Institut. Ich muss natürlich den technologischen Kontext von optische Mikrostrukturen verstehen, aber in meiner aktuellen Position sind es heute eher Management-Aufgaben, die ich wahrnehme.