Alumni-Spotlight: Fraunhofer IOF-Alumnus Alexandre Gatto

»Wir sind quitt!« - Fraunhofer IOF-Alumnus Dr. Alexandre Gatto

Den IOF-Alumnus Alexandre Gatto (links) verbindet mit dem Nobelpreisträger für Physik 2018, Gérard Mourou, weit mehr als das gleiche Fachgebiet. Die beiden haben sich auf den Photonics Days in Jena 2019 kennen und schätzen gerlernt.
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Den IOF-Alumnus Alexandre Gatto (links) verbindet mit dem Nobelpreisträger für Physik 2018, Gérard Mourou, weit mehr als das Fachgebiet. Die beiden haben sich auf den Photonics Days in Jena 2019 kennen und schätzen gerlernt.

Wenn in einigen Jahren Autoscheiben oder Fenster in Straßenbahnen personalisierte Informationen einblenden, auf Gesten reagieren oder die Temperatur messen, dann könnte das eines der Projekte sein, mit denen sich Alexandre Gatto aktuell als Leiter des Bereichs Mikrostrukturierte Optik mit seinem Team bei Carl Zeiss in Jena beschäftigt. In den nächsten Jahren ist laut Gatto mit ersten Anwendungen für Smart Glass zu rechnen, eine Technologie, die über die letzten Jahre mit viel Engagement in dem Team vorangebracht wurde. Wenn es dafür keinen Nobelpreis gibt, dann hat das statischtische Gründe - doch dazu später mehr. Von Marseille aus ging der gebürtige Franzose für eine Postdoktoranden-Stelle an das Fraunhofer-Institut für Optik und Feinmechanik IOF und mit kleinen Zwischenstationen ist der Physiker dem Standort Jena, der Optik und auch dem IOF treu geblieben.

 

Sie waren mehr als fünf Jahre bei Fraunhofer beschäftigt. Auf welchem Weg sind Sie zum IOF gekommen?

Das war einfach! Nach meiner Promotion an der Universität Aix-Marseille am Institut Fresnel war ich auf der Suche nach einer Stelle. Es gab damals das Austauschprogramm Training and Mobility Research, an dem sich auch das Fraunhofer IOF beteiligte. In meinem Fachbereich war das IOF schon damals sehr renommiert und es gab eine auf 18 Monate befristete Postdoc-Stelle, die sich mit meinen Interessen deckte. Meine Doktorarbeit verteidigte ich noch in Marseille. Direkt im Anschluss stieg ich in das Flugzeug, um mir in Jena das IOF anzuschauen. Damals war zwar das Institut noch nicht so groß wie heute, aber mit einer Verlängerung der Stelle bin ich schließlich 6 Jahre geblieben.

 

Was waren Ihre Schwerpunkte, woran haben Sie geforscht?

Eines der Forschungsziele dieses EU-finanzierten Training Mobility Research Projektes waren optische Spiegelsysteme für Frei Elektronen Laser, die extrem robust sein müssen. Ich hatte über optische Schichten promoviert und kam in die Abteilung Coatings des IOF unter Leitung von Prof. Norbert Kaiser. Dort beschäftigten wir uns mit speziellen Coatings für den UV/VUV-Bereich. Dabei verwendet man Licht aus einer Synchrotron-Quelle, für die sehr große Anlagen nötig sind, wie sie beispielsweise in Triest oder Berlin zu finden sind. Das Licht aus dieser Quelle wird in einem Spiegelsystem »enhanced«. Durch das extreme Synchrotron-Licht sind äußerst widerstandsfähige Beschichtungen nötig. Wir haben gute Ergebnisse mit dem Design von Schicht-Systemen erzielt. Aber neben optischen Eigenschaften spielt natürlich auch das Material eine Rolle. Nach diesem Projekt habe ich verschiedene Industrie-Projekte auch mit unterschiedlichen Abteilungen des IOFs geleitet, zuletzt als Gruppenleiter VUV Optical Coatings. So habe ich in dem Spektralbereich UV/VUV unter anderem verschiedene Verfahren sowie Design-Coatings für die optische Industrie entwickelt.

 

Was ist das Besondere an Fraunhofer?

Es ist die Positionierung die Fraunhofer einnimmt, die exakt zwischen reiner Forschung und der Forschung für die Industrie angesiedelt ist. Natürlich ist auch die Atmosphäre sehr gut und äußerst produktiv. Für mich ist das Fraunhofer-Modell nach wie vor die beste Brücke zwischen Forschung und Anwendung. Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die von der Universität kommen und in die Industrie wechseln wollen, bietet das Fraunhofer-Modell zahlreiche Vorteile. Für mich persönlich bot die Zeit bei Fraunhofer die optimale Vorbereitung, um dann 2005 zur Zeiss Group zu wechseln.

 

Was verwenden Sie dort heute aus der Zeit bei Fraunhofer?

Auf meine derzeitige Tätigkeit habe ich mich zusätzlich durch ein Sonderstudium für den Master of Business Administration vorbereitet. Einige ausgewählte Mitarbeiter konnten sich an diesem berufsbegleitenden Ausbildungsprogramm beteiligen. Dieses Programm der Bradford University School of Management war sehr fundiert und hilft mir heute bei meinen Aufgaben als Manager. Auf der anderen Seite habe ich auch einige Projekte für Fraunhofer akquiriert, von daher sind wir wahrscheinlich quitt! Spaß beiseite! Ich bin nach wie vor sehr dankbar für diese Chance und mit Fraunhofer arbeite ich bis heute regelmäßig in Projekten zusammen.

 

Warum ist Ihre Wahl auf den Standort Deutschland gefallen?

In Deutschland gibt es noch die Max-Planck-Gesellschaft, aber tatsächlich kennt man kaum vergleichbare Beispiele aus anderen Ländern. Zwar existieren beispielsweise in Frankreich oder anderen europäischen Ländern Forschungsinstitutionen mit ähnlicher Ausrichtung, aber die sind bei weitem nicht so erfolgreich – es gibt bislang keine wirklich gute Kopie. Auf der anderen Seite darf man natürlich nicht vergessen, dass auch die Fraunhofer-Gesellschaft nicht über Nacht aufgebaut wurde.

 

Was haben Sie aus der Zeit bei Fraunhofer mitgenommen?

Wie gesagt, ich habe am IOF viel gelernt. Als Projektleiter und Gruppenleiter habe ich mir in über fünf Jahren viele Skills erarbeitet. Das waren meine ersten Management-Aufgaben und meine ersten beruflichen Erfahrungen. Zusätzlich konnte ich so auch gleich Auslandserfahrung sammeln. Das war wirklich sehr spannend. Vor allem konnte ich mich in einem Kontext entwickeln, der mir einen vergleichsweise sicheren Rahmen lieferte. So war der Sprung ins Berufsleben nicht ganz so groß, wie er vielleicht gewesen wäre, wenn ich direkt in die Industrie gegangen wäre.

 

Was sind heute bei ZEISS Ihre Schwerpunkte?

Natürlich nutze ich nach wie vor einige Elemente aus meinen Erfahrungen am IOF, und ich habe dort auch viel erlebt. Methodisch war das eine exzellente Full-Stock-Ausbildung, wie ich es nennen möchte. Allerdings gibt es in einem Konzern andere Herausforderungen und ein großes Unternehmen funktioniert nicht wie ein Fraunhofer-Institut. Ich muss natürlich den technologischen Kontext von optische Mikrostrukturen verstehen, aber in meiner aktuellen Position sind es heute eher Management-Aufgaben, die ich wahrnehme.

 

 

Das bringt uns zu unserer nächsten Frage: Welche Trends sehen Sie für die Zukunft?

In den kommenden Jahren werden wir vermehrt Anwendungen auf Basis mikrostrukturierter Materialien sehen. Was wir bislang mit Linsen und Spiegeln umsetzten, lässt sich auch durch die Änderung einer Oberfläche beziehungsweise der darunterliegenden Struktur erreichen – etwa Projektions- oder Detektionsstrukturen. Wir bei ZEISS sprechen hier von Smart Multifunctional Glass. Damit lassen sich Linsen oder auch Kameras für das Auge nicht erkennbar zum Beispiel in eine Scheibe ‚einbauen‘, die Gestenerkennung oder auch Eyetracking ermöglichen. Glasflächen mit diesen smarten Mikrostrukturen könnten im SmartHome oder bei gewerblichen Gebäuden eingesetzt oder für Beobachtungen und Messungen verwendet werden. Diese Mikrostrukturen könnten unberechtigte Eindringlinge detektieren, Informationen anzeigen und gleichzeitig Sonnenlicht filtern, nur um einige mögliche Anwendungen zu nennen. Dies ist eine einzigartige Technologie, die wir bei ZEISS in Jena vorantreiben.

 

Wann werden wir solche Produkte kaufen können?

Wir stehen hier noch mitten in der Entwicklung. Natürlich haben wir vielfältige Produkte mit vielseitigen Anwendungen im Visier. Wir bauen erste Prototypen mit solchen Funktionalitäten, stehen aber noch vor großen Komplexitäten. Je nach Projekt können wir erste Produkte in zwei bis drei Jahren erwarten. Bei komplexeren Vorhaben werden eher fünf bis sechs Jahre vergehen, bis diese zu kaufen sein werden. Und natürlich sind die Projekte vertraulich, daher kann ich leider noch nicht allzu viel darüber sprechen. Aber wir haben mit verschiedenen Partnern äußerst spannende Projekte.

 

Sie haben ja im Rahmen der Photonics Days, die das IOF mitorganisiert, mit dem Nobelpreisträger Gérard Mourou einen weiteren berühmten Spross Ihrer Geburtsstadt Albertville kennengelernt!

Das war ein toller Abend. Bei dem Dinner der Photonics Days haben wir uns zusammen mit dem Vorstandsvorsitzenden der Carl Zeiss Group, Prof. Michael Kaschke und mit Herrn Prof. Gérard Mourou, dem Nobelträger Physik 2018, unterhalten und auch das eine oder andere Projekt bei Carl Zeiss angesprochen. Herr Mourou ist wie ich in Albertville geboren. Und ich musste unbedingt meinen Witz loswerden. Ich hatte ihm erklärt, dass er meine Chance auf einen Nobelpreis ruiniert hätte! Zunächst war Prof. Mourou erstaunt. Ich habe ihm dann erklärt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Nobelpreise für Physik in die gleiche Stadt gehen, gegen null tendiert. Dann haben wir über Albertville und das Leben dort gesprochen. Wir hatten eine äußerst  lebhafte Unterhaltung. Man merkt schnell, dass Herr Mourou aus den Alpen stammt, er hat den gleichen Humor wie ich.

 

Wir danken Ihnen für das Gespräch, Herr Gatto.