Alumni-Spotlight - Rodrigo Pastl, Fraunhofer IPK

Vom Berliner IPK kehrte Rodrigo Pastl als Botschafter für das UN-Programm UNIDO nach Brasilien zurück. Parallel dazu erforscht und entwickelt er auch Biogasanlagen.

Von Fraunhofer IPK als UNIDO-Botschafter zurück nach Brasilien - Dr.-Ing. Rodrigo Pastl

Dr.-Ing Rodrigo Pastl
© Privat
Eine der Versuchsanlagen, in denen das Forschungsunternehmen CIBiogás Methangas produziert. Im Hintergrund zu sehen ist das Wasserkraftwert Itaipú Binacional am Rio Paraná. Es ist mit einer Leistung von 14.000 Megawatt eins der größten Wasserkraftwerke der Welt. An das Krafwerk, an dem Brasilien und Paraguay beteiligt sind, schließt sich ein Forschungscampus an.
© CIBiogás ER
Eine der Versuchsanlagen, in denen das Forschungsunternehmen CIBiogás Methangas produziert. Im Hintergrund zu sehen ist das Wasserkraftwert Itaipú Binacional am Fluss Paraná. Es ist eins der größten Wasserkraftwerke der Welt mit einer Leistung von 14.000 Megawatt. An das Krafwerk, an dem Brasilien und Paraguay beteiligt sind, schließt sich ein Forschungscampus an.
Ziel von CIBiogás sind vor allem denzentrale kleine Anlagen, die zum Beispiel in direkter Nähe von großen Mastbetrieben entstehen sollen. Aus den Abfallprodukten dieser Betriebe werden Strom und Gas gewonnen.
© CIBiogás ER
Ziel von CIBiogás sind vor allem denzentrale kleine Anlagen, die zum Beispiel in direkter Nähe von großen Mastbetrieben entstehen sollen. Aus den Abfallprodukten dieser Betriebe werden Strom und Gas gewonnen.

»Nur ein bisschen Deutsch lernen« wollte Dr.-Ing. Rodrigo Pastl, als er 2013 von Brasilien aus nach Berlin kam. Er ist knapp fünf Jahre lang geblieben und erfüllte sich am Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik seinen größten Traum. Ausgerüstet mit einem »Schwarzen Gürtel« und dem richtigen Mindset ist er nun als Klimaretter zurück in seiner Heimat. Er ist Botschafter für das Wirtschaftsprogramm UNIDO der Vereinten Nationen, optimiert als Manager Digitalization and Quality Biogasanlagen und bringt deutsche Technologien in die Tropenregion.

Herr Pastl, wie sind Sie zu Fraunhofer gekommen?

Ich habe nach meinem Master in Brasilien als Global Management Trainee bei dem Bergbauunternehmen Vale S/A gearbeitet. Als Telemetrie Ingenieur war ich zunächst als Koordinator dann als interner Manager für das Wartungs- und Instandhaltungsmanagement sowie die Planung zuständig. In meinem ersten Urlaub bin ich nach Berlin gereist. Eigentlich wollte ich zunächst nur Mal etwas Deutsch lernen.

In Deutschland haben mich Dr.-Ing. Tiago Borsoi Klein, Research-Fellow am Fraunhofer IPK und Dr.-Ing. David Domingos, Managing Director beim Fraunhofer Projekt Zentrum Advanced Manufacturing ITA, zu Fraunhofer eingeladen. Beide hatte ich 2010 während meiner Masterarbeit bei ITA in Brasilien kennengelernt. Ein Stipendium der brasilianischen Regierung ermöglichte es mir meinen größten Traum wahr werden zu lassen: In Deutschland meinen PhD zu machen. Warum? Weil ich Maschinenbauer bin und deutsche Qualität hier unschlagbar ist!

Wie ging es dann weiter?

Ende 2017 hat das Fraunhofer IPK zusammen mit dem Instituto Tecnológico de Aeronáutica (ITA) das Fraunhofer Project Center for Advanced Manufacturing @ ITA eröffnet. Das Center, kurz FPC@ITA, unterhält eine strategische Kooperation zwischen dem IPK und der brasilianischen Universität. So arbeitete ich dort als Gastwissenschaftler und habe verschiedene Projekte und Kooperationen im Bereich Industrie 4.0 und additive Fertigung koordiniert. Parallel dazu betreute ich Studenten, etwa für ein Six-Sigma-Projekt (Green Belt). Einige meiner damaligen Studenten sind deshalb in sehr guten Positionen. Das ist eine großartige Erfahrung! Ich selber habe auf diesem Weg das Six-Sigma Black Belt Zertifikat erhalten.

Am IPK habe ich auch einige Partnerschaften zwischen Brasilien und deutschen Organisationen auf den Weg gebracht, wie etwa die Kooperation zwischen der brasilianischen Botschaft, der TU Berlin, Fraunhofer IPK und DAAD für das Programm »Science without Borders«.

In der Zeit bei Fraunhofer IPK war ich in dem von Prof. Eckart Uhlmann geleiteten Bereich »Produktionssysteme« in der Abteilung »Produktionsmaschinen und Anlagenmanagement«, wo ich an Herrn Eckhard Hohwieler berichtete. Das war für mich sehr bereichernd und dafür bin ich auch nach wie vor sehr dankbar. Schließlich habe ich bei Prof. Eckart Uhlmann promoviert. Mein Projekt wurde damals sogar in den Jahresbericht des Instituts aufgenommen.

Woran haben Sie geforscht?

Wir haben eine Plattform entwickelt, die Qualität im Prozess des selektiven Laserschweißens sicherstellt. Über diesen Prozess hinaus haben wir auch Daten aus der Anlage herangezogen. »Additive Manufacturing AM 4.0« ist eine App für dezentrale Online-Prozess- und Maschinenüberwachung. Damit sind schnelle Reaktionen auf Situationen möglich, die die Qualität beeinträchtigen. Mit Hilfe von intelligenten Algorithmen kann die App auch unterschiedliche Systeme und Zustände der Maschine identifizieren. Das bedeutet, die App ermöglicht auch vorausschauende prädiktive Wartung.

Hat Sie diese Tätigkeit auf Ihre aktuelle Aufgabe vorbereitet?

Auf jeden Fall! Das wichtigste, was ich aus der Zeit bei Fraunhofer mitgenommen habe ist, wie man Forschung in der Praxis anwendet, um neue Ideen zu entwickeln. Mit diesem Mindset bin ich nach Brasilien zurückgekehrt. In meiner Heimat verfolge ich jetzt Projekte für Instandhaltungsprozesse und Projekte für Maintenance, die ich mit Netzwerken, Industrie 4.0 und Data Science verknüpfe.

Wie genau sehen diese Projekte aus?

Im Grunde fülle ich derzeit zwei Rollen aus. Ich arbeite für das Forschungsinstitut CIBiogas-ER und bin parallel dazu Consultant für UNIDO, die United Nations Industrial Development Organisation. Zum ersten Mal gibt es bei UNIDO ein Projekt für die Erweiterung der Anwendung von Biogas im Süden Brasiliens. Das ist auf fünf Jahre angelegt. Mit UNIDO unterhalten wir darüber hinaus auch Partnerschaften mit verschiedenen Ländern, da ich für die »Tropikalisierung« unterschiedlicher Technologie verantwortlich bin, zählt natürlich Deutschland zu meinen absoluten Prioritäten.

 

© CIBiogás ER
Die Anlagen von CIBiogás produzieren unter der Leitung von Rodrigo Pastel nicht nur Strom. Das Gas aus landwirtschaftlichen Abfällen kann zum Beispiel auch als Treibstoff für Fahrzeuge verwendt werden.

Wie sieht Ihre Tätigkeit bei CIBiogas-ER aus?

Wir sind ein unabhängiges Forschungsinstitut im Technologie-Park ITAIPU, dem größten Wasserkraftwerk der Welt. An dem Forschungs-Projekt sind mehr als 20 Unternehmen und Organisationen beteiligt. Wir erforschen die Produktion und Anwendungen von Biogas und Biomethan. Der von mir neu gegründete Bereich »Digitalisierung und Qualität« untersucht, wie wir diese Prozesse mit Hilfe von Data Science, IoT und kontinuierlichen Verbesserungsprozessen optimieren können.

Wir gewinnen aus Müll Energie, das ist nachhaltig. Das Thema hat aktuell sehr großes Potential. Foz do Iguaçu lieg in einer Region Brasiliens, die sehr stark landwirtschaftlich geprägt ist, Gülle, Bioabfälle oder auch Abfälle aus Restaurants sind also im Überfluss vorhanden, und wir gewinnen daraus Methan. So können wir Energie gewinnen und die Abfälle belasten nicht mehr die Umwelt. Zurück bleibt ein großartiger Dünger, den man wieder auf den landwirtschaftlichen Flächen ausbringen oder verkaufen kann.

Inzwischen sind wir mit dem Forschungsstandort schon sehr weit und wir sehen großes internationales Interesse an unserer Arbeit. Durch das UNIDO-Programm erreichen wir zusätzliche Aufmerksamkeit. In einem ersten Projekt mit ITAIPU Binacional, dem derzeit größten Staudamm der Welt, arbeiten wir an einem Großauftrag für 17 Biogas-Anlagen. Die meisten davon werden in der Nähe von Schweinemastbetrieben entstehen. Von diesen 17 Anlagen werden 16 Profit abwerfen und darüber hinaus können sich diese Betriebe nicht nur selbst, sondern auch weitere Verbraucher in der Region dezentral mit Strom versorgen. Damit verringern wir zusätzlich den Verbrauch von Feuerholz und anderen Energieträgern. Wir helfen mit anderen Worten, Emissionen von klimaschädlichen Gasen zu reduzieren.

Wie wichtig sind regenerative Energiequellen für Brasilien?

Zwischen 50 und 60 Prozent unserer Matrix besteht aus erneuerbarer Energie. Elektrische Energie stammt in Brasilien zu 80 Prozent aus erneuerbare Energie. Der Ausbau der Wasserkraft ist aber inzwischen regulatorisch stark eingeschränkt. Deswegen treibt die Regierung auch die Entwicklung alternativer Quellen wie Solarenergie oder Biogas voran, unter anderem mit entsprechenden Gesetzen. Allerdings ist das Thema in der Bevölkerung noch nicht so recht angekommen.

Wie sieht Ihre Tätigkeit für UNIDO aus?

Ich bringe Technologien in unsere Region, suche Antworten auf die Fragen, was braucht Brasilien? welche Technologien können speziell in unserer Region von Nutzen sein, die für Biogas und Biomethan in Brasilien angepasst und angewendet werden können? Dafür gehen wir international auf Unternehmen zu, mit dem Ziel einen Match zu finden und so unsere Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen.

So haben wir im Februar dieses Jahres ein Abkommen mit dem Wirtschafts- und WissenschaftsZentrum Brasilien-Deutschland e. V. (WWZ-BD) für eine Zusammenarbeit in den Bereichen Unternehmen, Ausbildung, Wissenschaft und Technologie unterzeichnet. Wir arbeiten darüber hinaus auch mit dem WWZ-BD zusammen, um den Kontakt zu Unternehmen herzustellen, die nach Brasilien expandieren wollen. Wir führen viele aussichtsreiche Gespräche und haben auch Kontakte mit einigen namhaften Partner, wie beispielsweise Zeiss und verschiedenen deutschen Startups.

Das ist eine tolle Herausforderung. So kann ich an der Entwicklung Brasiliens mithelfen! Deswegen und wegen meiner Tochter, die jetzt knapp ein Jahr alt ist, bin ich aus Deutschland nach Brasilien zurückgekehrt.

Wir danken Ihnen für das Gespräch, Herr Pastl.