Renommierter Produktionsforscher Professor Hans-Jürgen Warnecke verstorben
»Lust auf Leistung« war sein Lebensprinzip. Prof. Hans-Jürgen Warnecke war ein Forschergeist, ein Stratege, Reformer und Visionär, der den Zeitgeist im Ingenieurwesen in den letzten 40 Jahren maßgeblich prägte und das Innovationswesen in der angewandten Forschung aktiv mitgestaltete. In der Nacht vom 19. auf den 20. März 2019 ist der Altpräsident der Fraunhofer-Gesellschaft, ehemaliger Lehrstuhlinhaber des Instituts für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb (IFF) der Universität Stuttgart sowie Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA nach längerer Krankheit verstorben. Prof. Hans-Jürgen Warnecke wurde 84 Jahre alt.
Hans-Jürgen Warnecke studierte Maschinenbau, Fachrichtung Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik, an der Technischen Hochschule Braunschweig. Danach arbeitete er in verantwortlicher Position bei den Rollei-Werken, Franke & Heidecke in Braunschweig. 1970 folgte Hans-Jürgen Warnecke einem Ruf der Universität Stuttgart und übernahm als ordentlicher Professor die Leitung des Lehrstuhls für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb sowie 1971 auch die Leitung des Fraunhofer IPA in Stuttgart. Unter seiner Führung entwickelte dieses sich zu einem der größten und erfolgreichsten Fraunhofer-Institute. 1981 wurde aus der Hauptabteilung Arbeit und Organisation des IPA das Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO unter Leitung von Prof. Hans-Jörg Bullinger gegründet.
Zu den wissenschaftlichen Kernthemen von Hans-Jürgen Warnecke zählte in dieser Zeit vor allem die Automatisierung durch den Einsatz von Industrierobotern. Im Jahr 1992 fasste Hans-Jürgen Warnecke seine Erfahrungen und Gedanken zur Unternehmensführung und zur Organisation von Fabrikbetrieben in dem Buch »Die Fraktale Fabrik« zusammen, das in Wissenschaft und Wirtschaft große Aufmerksamkeit und internationale Anerkennung erlangte.
»Wir alle sind Prof. Hans-Jürgen Warnecke zu großem Dank verpflichtet. Sein vorbildliches Schaffen, gepaart mit zwischenmenschlicher Wärme und motivierender Antriebskraft für neue Wege, sind uns Vorbild, Ansporn und Verpflichtung zugleich«, sagt Fraunhofer-Präsident Prof. Reimund Neugebauer. »Das Konzept der Fraktalen Fabrik, das Hans-Jürgen Warnecke in den frühen 90er Jahren des letzten Jahrhunderts vorgestellt hat, ist nach wie vor hochaktuell und sinnstiftend für viele produzierende Unternehmen. Die visionäre Kraft dieses Organisationsmodells zeigt sich noch heute deutlich in vielen Veränderungsprozessen auf dem Weg zu agilen und flexiblen Produktionsstrukturen.« In Prof. Warneckes Amtszeit als Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft in den Jahren 1993 bis 2002 verdoppelte sich das Gesamtbudget der Forschungsorganisation auf eine Milliarde Euro. Warnecke setzte in dieser Zeit auf eine stärkere Zusammenarbeit mit der Wirtschaft. Der Anteil der Wirtschaftserträge erhöhte sich von 28 auf 40 Prozent. Mit der Einführung eines einheitlichen Corporate Designs stärkte er das Marken- und Erscheinungsbild und erhöhte den Bekanntheitsgrad der inzwischen mehr als 60 Fraunhofer-Institute weit über die Grenzen Deutschlands hinaus. Durch die Profilierung in fachorientierte Verbünde und nachfrageorientierte Allianzen eröffnete er der Organisation neue Möglichkeiten des Schaffens von Synergien und des strategischen Agierens.
Neben seinen Verpflichtungen als Hochschullehrer und Forscher hat Hans-Jürgen Warnecke sich immer auch für die Weiterentwicklung der Ingenieurwissenschaften und deren Verankerung in der Gesellschaft, Wirtschaft, in Forschungsvereinigungen sowie Fachverbänden persönlich eingesetzt, und er hat auch vielfältige Aufgaben für die Gemeinschaft übernommen. In den Jahren 1994 bis 1997 war er Präsident des Vereins Deutscher Ingenieure VDI. Über viele Jahre gehörte er auch dem Präsidium des Deutschen Instituts für Normung DIN an. Mit innerer Überzeugung hat er sich Aufgaben und Fragen gewidmet, wie »Forschung und Normung« zueinander zu bringen sind. Warnecke war Mitglied in zahlreichen Vorständen, Aufsichtsräten, Beiräten, Stiftungen und Präsidien. Er war wissenschaftlicher Leiter und Mitherausgeber von Fachzeitschriften und hat in zahlreichen Fachveröffentlichungen und Fachbüchern sein Wissen der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt.
Prof. Hans-Jürgen Warneckes Wirken wurde mit vielen Auszeichnungen, Preisen und Ehrungen im In- und Ausland gewürdigt und in der Öffentlichkeit bekanntgemacht. Hierzu gehören mehrere Ehrendoktorwürden und Ehrenprofessuren von in- und ausländischen Universitäten, die Verleihung des VDI-Ehrenrings und des VDI-Ehrenzeichens, des Niedersächsischen Verdienstordens, der Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg, des Bayerischen Verdienstordens, des Ehrenrings der Eduard-Rhein-Stiftung, der Grashof-Gedenkmünze des VDI sowie die Verleihung des Großen Bundesverdienstkreuzes.
»Prof. Warnecke war Lehrer, Forscher, Manager und Mentor in einer Person. Kaum jemand hat die Verbindung von Wissenschaft und Lehre sowie zur Wirtschaft so beherrscht wie er. Nun ist dieses verdienstvolle Leben zu Ende gegangen. Sein Werk lebt über seine Schüler und Mitarbeiter weiter, von denen heute viele in der Industrie und in der Wissenschaft Verantwortung tragen«, so Prof. Thomas Bauernhansl, Institutsleiter des Fraunhofer IPA. »Wir werden Prof. Hans-Jürgen Warnecke immer ein ehrendes Andenken bewahren.«