Rund 33 Prozent der Kinder und Jugendlichen über fünf Jahre sind aktuell weltweit kurzsichtig. Wissenschaftlichen Studien zufolge könnte ihr Anteil bis 2050 um rund sieben Prozentpunkte steigen. Mit zunehmendem Alter könnten mehr als 740 Millionen Kinder damit auch an den möglichen Spätfolgen einer Kurzsichtigkeit, der Myopie, leiden: Netzhautablösungen, grauem Star oder Makula-Degeneration.
Um nicht nur das Sehvermögen zu korrigieren, sondern auch dem Voranschreiten der Kurzsichtigkeit und möglichen Folgeerkrankungen entgegenzuwirken, gibt es in speziellen Brillengläsern für Kinder bereits Mikrolinsen: Durch einen überlagernden Brennpunkt in der Peripherie verlangsamen sie das Längenwachstum des Augapfels, das die Myopieprogression auslöst.
Laser Swelling bietet maximale Flexibilität
Eine neue Methode, mit der sich Mikrolinsen kostengünstiger und individualisiert herstellen lassen, haben Forscher des Fraunhofer IMWS entwickelt. Beim Laser Swelling werden Kunststoffe, die für Brillengläser benutzt werden, mit einem fokussierten Infrarot-Laser bestrahlt. Dabei regt der Laser, der als lokale Wärmequelle fungiert, Wassermoleküle an, die im Polymer enthalten sind. Die Moleküle bewegen sich, es entsteht ein innerer Druck, der sich nur nach oben entladen kann. So bildet sich eine Wölbung auf der Oberfläche, die auch nach der Bestrahlung bleibt: eine Mikrolinse.
»Da sich der Laserstrahl sehr präzise auf Oberflächen positionieren lässt, können wir deutlich kleinere Mikrolinsen herstellen als mit dem bisherigen Verfahren«, erklärt Prof. Thomas Höche, Initiator der Technologie und Leiter des Geschäftsfelds Optische Materialien und Technologien am Fraunhofer IMWS. »So lassen sich die Mikrolinsen auf Brillengläsern sehr flexibel anordnen – und können damit individuell auch auf kleine Brillenträger zugeschnitten werden.«
Neben der Individualisierung birgt das Laser Swelling weitere entscheidende Vorteile im Vergleich zur bisherigen Produktionsweise. Beim bisher angewandten Spritzgussverfahren wird das Polymer in eine Matrize aus Glas oder Metall gedrückt und anschließend wieder aus der Form gelöst. Dieses Vorgehen ist nicht nur aufwendig, auch die Werkzeuge müssen gereinigt und mit der Zeit ausgetauscht werden. Beim Laser Swelling ist hingegen kein Werkzeug nötig, das Verfahren arbeitet berührungslos. Da kein Material abgetragen wird, entsteht auch kein Mikroplastik.
»Mit dem Laser Swelling sind wir zudem sehr flexibel, was die Größe der Mikrolinsen betrifft sowie ihre Form. Von sphärisch über asphärisch bis hin zu Zylinderlinsen ist alles realisierbar«, so Thomas Höche.
Eingesetzt werden kann Laser Swelling laut Höche in diversen Bereichen, etwa zur Erzeugung von Mikrolinsen auf Intraokularlinsen, für Mikrofluidik-Komponenten, zur Verbesserung der Hafteigenschaften von Polymeroberflächen oder für kompakte Mikroskope. Zudem ließen sich Medizinprodukte wie Spritzen mithilfe Laser Swelling dezent markieren: Medikamente oder Vakzine können zum Beispiel mit einem Code versehen werden, der eine Tracking-Nummer enthält und mit der geeigneten Beleuchtung sichtbar wird. So könnte er darüber Aufschluss geben, ob es sich um ein Originalprodukt handelt.
Für ihre Technologie haben Höche und sein Team weltweit Schutzrechte angemeldet und kümmern sich aktuell um den Verwertungsprozess. Ihren Fokus legen sie derzeit nach wie vor auf die Brillenglasindustrie: »Unsere Vision ist eine individualisierte Sehhilfe, die sich auf den Bedarf bestimmter Berufsgruppen zuschneiden lässt.«