Der Bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger überreichte die Preise im Rahmen der größten Fraunhofer-Netzwerkveranstaltung, dem Netzwert-Symposium in München. »Die Fraunhofer-Gesellschaft schlägt in ihrer Arbeit die Brücke von der Forschung in die wirtschaftliche Umsetzung und ist damit ein unerlässlicher Innovationspartner für die Unternehmen in Bayern und Deutschland. Deshalb freue ich mich besonders, dieses Jahr wieder drei vielversprechende Nachwuchswissenschaftlerinnen mit dem Hugo-Geiger-Preis für ihre Forschungsarbeiten auszeichnen zu können. In ihren Arbeiten gelingt es den Preisträgerinnen auf anschauliche Weise, wissenschaftliche Qualität mit praktischer Relevanz zu vereinen«, sagte Hubert Aiwanger.
Prof. Holger Hanselka, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, hob die Leistungen der Preisträgerinnen hervor: »Um den wirtschaftlichen Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas zu stärken, setzen wir gemeinsam mit Unternehmen originelle Ideen und wissenschaftliche Erkenntnisse in Innovationen um. Dieser Transferansatz, kombiniert mit wissenschaftlicher Exzellenz und unternehmerischem Denken, ist das zentrale Leitmotiv der Fraunhofer-Gesellschaft und zieht sich als roter Faden durch die herausragenden Promotionsarbeiten der Preisträgerinnen. Ich gratuliere Frau Dr. Kerstin Müller, Frau Dr. Patricia Erhard und Frau Dr. Sarah Klein herzlich zu ihren außergewöhnlichen Leistungen!«
Platz 1: Thermisch verformbare Plastikalternative aus Cellulose
414 Millionen Tonnen Plastik wurden 2023 weltweit produziert – über 90 Prozent davon aus fossilen Rohstoffen. Kunststoff ist praktisch, flexibel verformbar und universell einsetzbar. Aber eben auch umweltschädlich, nicht abbaubar und abhängig vom endlichen Erdölnachschub. Dennoch machen biobasierte Kunststoffe aus Pflanzen wie Mais oder Holz bislang lediglich 0,7 Prozent der gesamten Plastikproduktion aus. Denn sie sind in ihren Eigenschaften längst nicht so flexibel. Bisherige chemische Ansätze, sie ähnlich verformbar zu machen, gehen mit dem Verlust der natürlichen Struktur der Cellulose und damit ihrer Eigenschaften wie der biologischen Abbaubarkeit einher. Zudem sind chemische Verfahren oft aufwändig und mit hohen Kosten verbunden.
Einen physikalischen Ansatz, um aus Pflanzen-Cellulose thermoplastisch verarbeitbaren Kunststoff zu gewinnen, hat Dr. Kerstin Müller vom Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV in ihrer Doktorarbeit gefunden. Sie nutzt kompatible Polymilchsäuremoleküle als Abstandshalter, um zwischen den engen langkettigen Cellulose-Molekülen aus Holz, Baumwolle oder anderen Pflanzen mehr Platz und Flexibilität zu schaffen. Dafür löst sie die Cellulose in einer ionischen Flüssigkeit, einem speziellen Lösemittel, und verbindet die Moleküle mit denen der Polymilchsäure. Das Resultat ist ein neuartiges und bioabbaubares Material, das auch thermisch verformt werden kann.
In ihrer Arbeit hat die Forscherin jedoch nicht nur die Thermoplastizität von Cellulose im Labormaßstab optimiert, sondern das Material auch in einen industriellen Prozess überführt. In einem herkömmlichen Extruder lässt sich die entwickelte Mischung im großen Maßstab herstellen und steht als Granulat für eine weitere Verarbeitung bereit. So kann das Material vielseitig verwendet werden, etwa im Agrarbereich für ökologisch abbaubare Baumwuchshüllen, Töpfe oder Clips für Pflanzen. Auch Möbel und andere Formteile sind für die Innenanwendung denkbar. Für ihre wegweisende, praxisnahe Doktorarbeit wird Dr. Kerstin Müller mit dem 1. Platz des Hugo-Geiger-Preises geehrt.
Platz 2: Schlickerbasierter 3D-Druck keramischer Gießkerne
Die Gießereitechnik ist ein jahrtausendealtes Verfahren, mit dem heute immer komplexere Bauteile gefertigt werden – im Automobilbau, der Luft- und Raumfahrt oder der Medizintechnik. Der 3D-Druck von Sandkernen ist daher bereits Bestandteil der Serienfertigung. Die Gießkerne bilden beim Umgießen mit Metallschmelze die innenliegenden Hohlräume in Gussbauteilen ab und werden nach dem Guss wieder mechanisch entfernt. Angesichts wachsender technischer Anforderungen an die Komplexität von Bauteilen müssen immer filigranere Gießkerne den hohen mechanischen und thermischen Belastungen im Gießprozess standhalten.
Dr. Patricia Erhard vom Fraunhofer-Institut für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV hat in ihrer Promotion das Verfahren des 3D-Drucks von Gießkernen weiterentwickelt: Anstelle von Sand trägt sie schichtweise eine keramische Suspension auf, die sie nach dem Trocknen mit Binder bedruckt. Dies ermöglicht feinere Oberflächenstrukturen, eine größere Temperaturstabilität und eine hohe Festigkeit, die im nachgelagerten Sinterprozess eingestellt werden kann. Damit eröffnen sich neue Möglichkeiten für die Gestaltung filigraner Innenstrukturen in Gussbauteilen.
Eine Herausforderung war es, die hochfesten Kerne am Ende aus dem Bauteil zu entfernen. Oft werden keramische Kerne konventionell in einem umweltbelastenden Prozess chemisch ausgelaugt. Die Forscherin nutzte hingegen die Gestaltungsfreiheit des 3D-Drucks, um Sollbruchstellen im Inneren der Gießkerne zu integrieren. Sie fand ein geeignetes Gießkerndesign zur Umsetzung filigraner Kühlstrukturen in Elektromotorengehäusen, das den hohen Belastungen beim Gießen standhält, jedoch beim Aufschrumpfen des Metalls kontrolliert versagt. Dieser neue Ansatz ermöglicht einen nachhaltigen Gesamtprozess und einen Transfer in weitere Industrien wie die Luft- und Raumfahrt oder Medizintechnik.
Platz 3: Weiterentwicklung von Hochleistungsfaserlasern und -laserdioden
Laser sind in nahezu allen Wachstumsbranchen elementar, sei es in der Luft- und Raumfahrt, im Energiesektor, der Medizintechnik, Halbleiterindustrie oder Telekommunikation. Als Schlüsseltechnologie ermöglichen sie dort eine nachhaltigere und energieeffizientere Umsetzung industrieller Anwendungen. Mit ihrer Promotion ebnet Dr. Sarah Klein vom Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT den Weg zur Weiterentwicklung industrierelevanter Hochleistungsfaserlaser und -laserdioden.
Ihr Ziel war es, die Effizienz, Langlebigkeit und Fehleranfälligkeit dieser Laserquellen für industrielle und medizinische Verfahren zu verbessern. Ihr innovativer Ansatz: Sie integrierte die Resonatorspiegel der Faserlaser, welche die Strahlung verstärken, direkt in die Faser. Das vereinfacht den Aufbau und erhöht die Robustheit. Bisher wurden diese Spiegel extern angebracht und erforderten eine aufwendige Justage. Diese faserintegrierte Lösung wird möglich durch die Verwendung sogenannter Faser-Bragg-Gitter (FBG).
Zudem untersuchte die Forscherin die Frequenzstabilisierung von Laserdioden, um deren Leistung effizienter nutzbar zu machen. Laserdioden sind zwar kostengünstig und effizient, jedoch limitiert in ihrer Strahldichte. Die Entwicklung neuer FBG-Techniken kann die spektrale Emissionsbandbreite reduzieren und damit die Brillanz der Laser erhöhen. Die Erkenntnisse aus ihrer Promotion leisten einen Beitrag zu neuartigen Faser- und Diodenlasern, die effizienter und vielseitiger in verschiedenen Industrien einsetzbar sind, etwa für Zukunftstechnologien wie laserbasierter Trägheitsfusion.
Gründerpreis: Bioinspirierte Oberflächenfunktionen
Zusammen mit dem Hugo-Geiger-Preise wurde außerdem der Fraunhofer Gründerpreis für eine am Markt aktive und erfolgreiche Ausgründung verliehen. Dieser ging an Fusion Bionic, ein Spin-off des Fraunhofer-Instituts für Werkstoff- und Strahltechnik IWS und der TU Dresden. Dessen laserbasierte Oberflächenfunktionalisierung ist inspiriert von natürlichen Oberflächen wie dem Lotusblatt, der Haifischhaut, Collembolen oder dem Morpho-Schmetterling und bietet Funktionen wie Selbstreinigung, Vereisungsschutz, antibakterielle Wirkung, Dekoration oder Widerstandsminderung. Das Spin-off überträgt diese Effekte durch eine innovative Lasertechnologie auf technische Oberflächen.
Der Hugo-Geiger-Preis
Am 26. März 1949 fand unter der Schirmherrschaft des Staatssekretärs Hugo Geiger im Bayerischen Wirtschaftsministerium die Gründungsversammlung der Fraunhofer-Gesellschaft statt. Aus Anlass ihres 50-jährigen Bestehens rief das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie den »Hugo-Geiger-Preis für wissenschaftlichen Nachwuchs« ins Leben. Der Preis wird jährlich an drei junge Forschende vergeben und würdigt hervorragende, anwendungsorientierte Promotionsarbeiten, die in enger Kooperation mit einem Fraunhofer-Institut angefertigt wurden. Die Einzelpreise sind mit 5000, 3000 und 2000 Euro dotiert. Die Einreichungen bewertet eine Jury mit Vertretern aus Forschung und Entwicklung sowie der Wirtschaft. Kriterien der Beurteilung sind wissenschaftliche Qualität, wirtschaftliche Relevanz, Neuartigkeit und Interdisziplinarität der Ansätze.