Ohne Kunststoffe wie Polyethylen, Polypropylen oder Polystyrol, die aus fossilen Rohstoffen hergestellt werden, wären viele Alltagsprodukte undenkbar. Das Problem: Die stoffliche Recyclingquote von Kunststoffen ist hierzulande noch immer zu niedrig. Nach wie vor wird mehr Plastikmüll verbrannt als werkstofflich verwertet. Die Müllverbrennung nutzt zwar das energetische Potential von Abfällen – die Wertstoffe gehen jedoch für immer verloren. In einer echten Kreislaufwirtschaft dürfen Abfälle nicht verbrannt, sondern müssen vermieden, wiederverwertet und wahlweise mechanisch oder chemisch recycelt werden. Das reduziert nicht nur den Bedarf an fossilen Ressourcen, sondern auch die Umweltverschmutzung durch CO2-Emissionen. Zudem bleibt der im Kunststoff enthaltene Kohlenstoff als wichtige Ressource für die chemische Industrie erhalten. Acht Institute und Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft bündeln im Leitprojekt »Waste4Future« (siehe Kasten) ihre Kompetenzen, um neue Lösungen für dieses Ziel zu entwickeln – von der Rohstoffbasis über die Stoffströme und Verfahrenstechnik bis zum Ende des Lebenszyklus eines Produkts. Die Fraunhofer-Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategie IWKS koordiniert das Projekt.
»Kunststoffe bestehen aus Kohlenwasserstoffen. An ihrem Lebensende landen sie in der gelben Tonne und werden anschließend sortiert. Minderwertige Fraktionen, die etwa zu sehr verschmutzt sind, werden verbrannt, hochwertige Fraktionen werden unter anderem nach ihrer Farbe aussortiert und als Rezyklate verkauft. Doch das sortenreine Recycling dieser wertvollen Stoffe ist komplex«, weiß Dr. Gert Homm, Leiter eines Teilprojekts und Wissenschaftler am Fraunhofer IWKS in Alzenau. »So werden viele Verpackungen in den Sortieranlagen erst gar nicht als recycelbar eingestuft und kommen als Restmüll in die Verbrennungsanlage. Schwarzes Plastik erkennen viele der aktuellen Sensoriken nicht, und auch Joghurtbecher mit Aludeckel landen irrtümlicherweise beim Aluminium und dann im Restmüll.«
Abfall von heute, Ressource von morgen
Daher wird im Projekt Waste4Future eine Sensorsuite für Sortieranlagen entwickelt, die unter anderem schwarze Abfallpartikel erkennt. Eine ausgeklügelte Kombination aus verschiedenen Sensoriken wie beispielsweise der Infrarot- und Terahertz-Sensorik der Sensorsuite soll sowohl die Stoffparameter für eine möglichst reine Sortierung als auch die Alterung der Probe bestimmen. Das Alter der Probe ist relevant, um einzuschätzen, ob und wie sich diese für das werkstoffliche Recycling eignet. Ist eine Fraktion zu stark beschädigt, lässt sie sich nicht mehr mechanisch, sondern nur noch chemisch verwerten. Beide Aspekte sollen mit der Sensorsuite erkannt werden: Hier werden verschiedene physikalische Eigenschaften der Kunststoffe (optische, thermische, etc.) durch teilweise selbst entwickelte Sensorik detektiert und miteinander vernetzt. Die erfassten Daten werden mittels Verfahren des Maschinellen Lernens verknüpft und ausgewertet. Die Sensorsuite zur Charakterisierung des Abfalls befindet sich über dem Fließband einer Sortieranlage. Druckluftdüsen sortieren dann wahlweise die gewünschten Zielstoffe oder die unerwünschten Störstoffe aus. Ein Störstoff für das chemische Recycling kann etwa chlorierter Kunststoff sein, dazu gehört etwa Polyvinylchlorid, kurz PVC. Das enthaltene Chlor führt gerade im chemischen Recycling zu erheblicher Korrosion der dazu nötigen Anlagen. Generell gilt: Je sortenreiner die Fraktion, umso hochwertiger ist das Rezyklat.
Beim Detektieren des Kunststoffs durch die Sensorik fällt eine riesige Datenmenge an. »Digitale Zwillinge helfen, den Wust an Daten auf die elementaren Kerndaten zu reduzieren und diese an ein Bewertungsmodell weiterzugeben, das wir im Projekt entwickeln und das die bislang prozessgeführte Recyclingkette zu einer stoffgeführten Kette reorganisiert«, sagt der Forscher. Dabei werden Faktoren wie Energieverbrauch und CO2-Fußabdruck berücksichtigt. Durch die Kombination von neuartiger Sortiertechnik, Digitalen Zwillingen, Machine Learning und Bewertungsmodell wird dynamisch ermittelt, welcher Weg des Recyclings für eine spezifische Abfallmenge der technisch, ökologisch und ökonomisch sinnvollste ist. Das Bewertungsmodell ermittelt die Umweltbilanz und informiert unter anderem, wieviel Energie anfällt, um eine Tonne neuen Kunststoffs herzustellen. Dieser Energieverbrauch wird mit dem Energieverbrauch verglichen, der bei der energetischen Verwertung anfällt. Das Bewertungsmodell bewertet verschiedene Möglichkeiten, Kunststoffe zu recyceln und macht sie miteinander vergleichbar.
Im Projekt prüfen die Partner die möglichen mechanischen (Schmelzextrusion, lösungsmittelbasierte Aufreinigung und Fraktionierung) und chemischen (Solvolyse, Pyrolyse, Gasifizierung) Recyclingverfahren und testen sie auf ihre Tauglichkeit für die unterschiedlichen Kunststoffabfallzusammensetzungen. Zum Projektende im Dezember 2024 sollen dann aus alten Kunststoffen hergestellte Bauteile mit Neuware verglichen werden.
Kreislaufwirtschaft statt thermischer Verwertung
»Eine nachhaltige Gesellschaft mit klimaneutralen Prozessen benötigt erhebliche Anpassungen in den Wertschöpfungsketten, die nur durch Innovationen möglich werden. Dem leisten wir im Projekt Folge, indem wir die optimale Recyclingroute und den optimalen Sortierprozess unter der Berücksichtigung ökonomischer und ökologischer Kriterien berechnen und somit zu einer erheblichen CO2-Minderung im Vergleich zur energetischen Verwertung beitragen und eine weitestgehende Kreislaufführung von kohlenstoffhaltigen Abfällen ermöglichen«, resümiert der Physiker.