Das Jahresgutachten 2024 der Expertenkommission Forschung und Innovation ist vor dem Hintergrund des Spannungsverhältnisses multipler aktueller Krisen einerseits und langfristig ausgerichteter Transformationsanforderungen andererseits zu lesen.
Künstliche Intelligenz als Zukunftstechnologie weiter ausbauen
Den Expertinnen und Experten zufolge hat Deutschland bei der Entwicklung und Anwendung von Künstlicher Intelligenz Nachholbedarf. Sie fordern mehr Rechenkapazitäten und KI-Kompetenzen. Künstliche Intelligenz, kognitive Systeme und Maschinelles Lernen spielen eine entscheidende Rolle in der künftigen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft.
Die Fraunhofer-Gesellschaft entwickelt an vielen Instituten Schlüsseltechnologien für KI und ihre Anwendungen. Dabei ist das Thema der Datenverfügbarkeit und Datenqualität hervorzuheben. Hier befindet sich Fraunhofer in einer hervorragenden Position, da durch die gemeinsamen Forschungsarbeiten von Industrie und Fraunhofer-Instituten anwendungsspezifische Daten zur Verfügung stehen. Somit ist Fraunhofer in der Lage, den Unternehmen spezifische KI-Lösungen anzubieten, bei denen die Datensouveränität gewährleistet bleibt. Im Themenfeld der generativen KI ist Fraunhofer maßgeblich beim OpenGPT-X Konsortium vertreten. Dort werden große KI-Sprachmodelle entwickelt, auf deren Basis sich Anwendungen realisieren lassen, die sich speziell an europäische Bedürfnisse richten. »Unsere Forschung leistet wesentliche Beiträge zur Entwicklung von sicheren, vertrauenswürdigen und ressourceneffizienten KI-Technologien und orientiert sich eng am praktischen Bedarf von Unternehmen und Gesellschaft«, erklärt Prof. Holger Hanselka, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft.
Mehr Nutzung von Smart Farming
Das Jahresgutachten widmet sich auch Themen, denen in Zukunft auch öffentlich mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht werden sollte, wie etwa der Landwirtschaft und ihren Transformationspotenzialen. Aufgrund der wachsenden Anforderungen an Umweltschutz, Lebensmittelqualität und Nachhaltigkeit sieht sich die Landwirtschaft bei begrenzten Landflächen, fossilen Ressourcen und Fachkräftemangel immer größeren Herausforderungen gegenüber. Mit hochindividualisierten, automatisierten und nachhaltigen Technologien leistet die Initiative »Biogene Wertschöpfung und Smart Farming« der Fraunhofer-Gesellschaft einen Beitrag zur langfristigen Sicherung und Zukunftsfähigkeit der regionalen Landwirtschaft, der Steigerung der Wertschöpfung beim Erzeuger und der Lebensmittelproduktion. Prof. Hanselka erläutert: »Unser Ziel ist die Entwicklung neuer Technologien für eine nachhaltige Erzeugung und Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Produkte: vom Saatgut bis zum veredelten Produkt. Denn hier muss in besonderem Maß sowohl die ökologische als auch die technologische Komponente berücksichtigt werden, damit unser Land zukunftsfähig ist.«
Dual-Use-Forschung in Deutschland
In Fragen der öffentlichen Sicherheit, Cybersecurity oder militärischen Auseinandersetzungen spielt der Einsatz moderner Technologien eine zentrale Rolle und kann im Ernstfall entscheidend sein. Auch Ergebnisse der zivilen Forschung können hier im Sinne des Dual-Use zum Einsatz kommen und ein entscheidender Vorteil sein, bestehende Technologien ergänzen oder neue Entwicklungen anstoßen – die Expertinnen- und Expertenkommission fordert entsprechend die Dual-Use-Forschung zu stärken. »Ein Land wie Deutschland muss seine Fähigkeiten nutzen, um Antworten auf Fragen der Verteidigung zu liefern. Um unsere Sicherheit und Resilienz gegenüber militärischen, technischen, terroristischen, natürlichen und kriminellen Bedrohungen auszubauen, ist es daher essentiell, auch zivile Projekte auf ihre Einsatzfähigkeit für Sicherheit und Resilienz zu prüfen«, betont Holger Hanselka, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft. »Fraunhofer erhält übrigens seit jeher einen Teil seiner Haushaltsmittel aus dem Verteidigungsministerium, wir liefern Technologien für Verteidigung, Vorbeugung und Sicherheit. Für uns ist das geübte Praxis, im deutschen Forschungssystem haben wir noch nicht überall das entsprechende Bewusstsein. Dafür brauchen wir zunächst eine Wende im Zeitgeist, der wir uns als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellen müssen.«
Neue Impulse im Transfer
Die Forschung in Deutschland erzielt exzellente Ergebnisse. Die Herausforderung ist es, diese Ergebnisse schnell und effizient in die Anwendung zu überführen und so für Wirtschaft und Gesellschaft nutzbar zu machen. Dieser Transfer soll unter anderem durch die DATI neue Impulse erhalten. Weitere, bereits angelaufene Initiativen sollen die Innovationsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft zusätzlich und vor allem nachhaltig stärken, beispielsweise das auch im EFI-Jahresgutachten empfohlene Ausloten neuer Transferpfade, die Erleichterung des IP-Transfers an Spin-offs aus der Wissenschaft und verbesserte Anreizsysteme für Gründungen. »Um den Transfer in Deutschland zu beschleunigen und die geforderten Ziele zu erreichen, braucht es einen engen und konsequenten Schulterschluss zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Als Schnittstelle zwischen Forschung und Anwendung kann Fraunhofer, wie keine andere Forschungseinrichtung, hier einen essenziellen Beitrag leisten, Innovationen markt- und zukunftsorientiert zu entwickeln und unseren Standort nachhaltig und langfristig zu stärken«, so Prof. Hanselka.