Welche Zahnverfärbungen können Getränke während der Anwendung von Mundspüllösungen mit CHX auslösen und wie lassen sich die Verfärbungen reduzieren? Diese Fragen sollte die materialwissenschaftlich ausgerichtete Studie im Auftrag von GSK Consumer Healthcare (inzwischen Haleon) beantworten. Grund für die häufig auftretende Nebenwirkung sind biochemische Vorgänge im Mundraum: »Farbveränderungen können entstehen, weil das kationisch geladene Chlorhexidin an den negativ geladenen Oberflächen im Mund – also Speichel, Schleimhaut und Zahnschmelz – anhaftet und lange dort verbleibt. Im Gegensatz zu Proteinen – einem Bestandteil von dentaler Plaque, deren Entstehung die Substanz verhindert – binden Farbstoffmoleküle sehr gut an Chlorhexidin. Und je stärker bzw. dauerhafter die Bindung, desto größer die Wahrscheinlichkeit einer Verfärbung«, fasst Dr. Sandra Sarembe, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe »Charakterisierung medizinischer und kosmetischer Pflegeprodukte« am Fraunhofer IMWS, zusammen. »Der Wirkstoff Chlorhexidin an sich besitzt keine färbenden Eigenschaften.«
Studiendesign: Vielfältige Getränkeauswahl
Welche Farbstoffmoleküle besonders stark an Chlorhexidin binden, hängt unter anderem vom pH-Wert der zugehörigen Getränke ab. Um möglichst aussagekräftige Empfehlungen zu deren Auswahl während der Behandlungszeit geben zu können, entschieden sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Fraunhofer IMWS für insgesamt elf Getränke mit verschiedenen pH-Werten und unterschiedlicher Farbigkeit – von der Diätlimonade über Ingwertee bis hin zu Kaffee und schwarzem Tee, jeweils mit und ohne Milch. Wasser diente als Vergleichsmedium. Ein derart breites Setting ist neuartig: So umfassend wurde das Verfärbungspotenzial unterschiedlicher Flüssigkeiten während der Chlorhexidin-Behandlung bislang nicht unter die Lupe genommen. Zum Studiendesign gehörte darüber hinaus ein eigens erstelltes Modell, mit dem die Forschenden die Vorgänge im Mund möglichst realitätsnah abbilden konnten. Dafür verwendeten sie Zahnkronen, die sie zyklisch mit künstlichem Speichel, 0,2-prozentiger CHX-Mundspülung und schließlich den unterschiedlichen Getränken in Kontakt brachten. Insgesamt 28-mal wiederholte das Team den Zyklus, um eine Verwendung von Chlorhexidin über 14 Tage zu simulieren – die typische Anwendungsdauer der Mundspüllösung. Darüber hinaus wurde auch die tägliche mechanische Reinigung der Zähne sowohl mit Wasser als auch mit Zahnpasta in einem Zahnputzsimulator nachgebildet.
Verfärbungsschichten – weniger beständig dank Milchzugabe
Zur Auswertung dokumentierten die Forschenden die Proben fotografisch. Darüber hinaus führten sie wiederholte Farbmessungen durch und analysierten die Zahnoberflächen mittels Rasterelektronenmikroskopie. Im Ergebnis zeigte sich, dass der Konsum von Getränken mit einem hohen Anteil an Farbstoffmolekülen unter CHX-Behandlung beständige Oberflächenschichten auf dem Zahn verursacht: »Wie vermutet, lösten Schwarztee und Rotwein die stärksten Verfärbungen aus; Kaffee oder Bier lagen im mittleren Bereich. Die Ablagerungen ließen sich durch das Putzen mit Zahnpasta deutlich besser entfernen als nur mit Wasser, was aber die Reihenfolge bezüglich der Stärke der Verfärbung nicht beeinflusste«, so Sandra Sarembe. »Interessant war die Beobachtung, dass das Verdünnen von Schwarztee und Kaffee mit Milch die Struktur der entstandenen Verfärbungsschicht verändert und sie deutlich weniger beständig macht.« Eine wichtige Empfehlung, die Zahnärztinnen und Zahnärzte behandelten Personen aussprechen können, ist damit der Hinweis, Kaffee und Tee während der Anwendung von Chlorhexidin möglichst nur mit Milch zu sich zu nehmen. Darüber hinaus empfiehlt es sich, die Zähne konsequent mit Zahnpasta zu putzen und einen möglichst großen zeitlichen Abstand zwischen der Mundspülung und dem Essen oder Trinken einzuhalten.
Mikrostrukturbasierte Diagnostik, innovative Modellentwicklung
Die Struktur der einzelnen Verfärbungsschichten, die je nach Art von konsumiertem Getränk und Reinigungsform unterschiedlich ausfiel, konnten die Forschenden unter anderem durch Rasterelektronenmikroskopie in ihren kleinsten Details sichtbar machen, dokumentieren und analysieren. Spezifische Testmodelle wie diese sowie angepasste Prüftechnologien tragen dazu bei, dass das Fraunhofer IMWS seit vielen Jahren ein gefragter Forschungspartner für Unternehmen aus dem Bereich der Zahn- und Mundhygiene ist. »Neben mikrostrukturbasierter Diagnostik wie der Rasterelektronenmikroskopie (REM) oder der Computertomographie (µ-CT) zählen oberflächensensitive Analyseverfahren wie ToF-SIMS (Time-of-Flight Secondary Ion Mass Spectrometry) zu den Kernkompetenzen«, berichtet Sandra Sarembe. Damit und mit ihrer breiten materialwissenschaftlichen Kompetenz befördert die Forschungsgruppe den Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, erdenkt innovative Lösungen und Strategien oder optimiert die Modellentwicklung für Studien – nicht nur, wenn es um die Untersuchung von Verfärbungen während der Chlorhexidin-Behandlung geht.