Realistisch betrachtet werden in absehbarer Zeit nur noch sehr wenige berufliche Aufgabengebiete in Deutschland ohne Künstliche Intelligenz auskommen. Erobert KI unsere Arbeitswelt? Dieser Sichtweise und den damit verbundenen Sorgen wollen die Fachleute des Fraunhofer IAO in Stuttgart begegnen: KI-Studios heißt ihr Projekt – mit dem Ziel, Verständnis zu schaffen, Ängste zu nehmen und Gestaltungsmöglichkeiten sichtbar zu machen. Mit zahlreichen, eigens für das Projekt entwickelten interaktiven Demonstratoren, Workshops und Veranstaltungen zeigen die Forschenden, wie KI-Technologie funktioniert, wie sie im Berufsalltag Anwendung findet und wie sich ihr Potenzial bestmöglich nutzen lässt.
»Das Besondere an unserem Projekt ist, dass wir uns direkt an Beschäftigte und deren Interessenvertretung richten, etwa den Betriebsrat in den Unternehmen. Es geht uns darum, KI greifbar und begreifbar zu machen, den Mitarbeitenden ein Gefühl dafür zu geben, wo KI in ihrem Arbeitsumfeld sinnvollerweise zum Einsatz kommen könnte, was das konkret für sie bedeutet und an welcher Stelle sie entsprechend etwas anders gestalten möchten«, präzisiert Verena Pohl, Spezialistin für angewandte KI am Fraunhofer IAO, das Vorhaben des KI-Studio-Teams.
Erlebniswerkstätten mit mobilem Einsatzteam
Im September 2023 eröffnete das erste KI-Studio in München, im Februar 2024 kam ein weiteres in Stuttgart hinzu. Diese stationären Erlebniswerkstätten des Fraunhofer IAO ergänzt das KI-Infomobil, ein Bus, der das Projekt direkt zu den Unternehmen bringt: Das Projektteam hat praxisnahe Demonstratoren im Gepäck und erarbeitet in Workshops mit den Beschäftigten vor Ort, an welchen Stellen KI-Anwendungen in ihrem Unternehmen sinnstiftend sein können und welche Schritte noch zu gehen sind, um ein solches Vorhaben erfolgreich umzusetzen.
»Wir möchten die Unternehmen und ihre Beschäftigten in eine mündige, aktive Rolle führen, weg vom passiven Ohnmachtsempfinden. Damit sie fundierte Entscheidungen treffen können, müssen sie die KI und ihre Grund-Funktionsweisen verstehen«, macht Dennis Klau deutlich, Experte für angewandte KI am Fraunhofer IAO. Um dieses Verständnis zu schaffen und ein unbefangenes Experimentieren mit der Technologie zu ermöglichen, haben die Fachleute ihr KI-Infomobil mit zwei Arten von Demonstratoren ausgestattet. Die eine veranschaulicht konkrete Anwendungsszenarien, der andere Typus sind Technologie-Demonstratoren, die die Funktionsweise von KI erlebbar machen: Wie funktioniert ein Sprachmodell? Wie arbeitet ein Bildgenerator? Welche Auswirkungen haben die Trainingsdaten auf die KI?
»Wir klären darüber auf, dass eine KI kein Wissensmodell ist, dass ein Sprachmodell seinen Output über eine Wahrscheinlichkeitsverteilung definiert und dass ein Bildgenerator ein Bild nicht aus einzelnen Elementen des Trainingsmaterials zusammenwürfelt. So zeigt eines unserer interaktiven Exponate zum Beispiel, wie KI aus Pixelwerten Schritt für Schritt eine Darstellung generiert«, erläutert KI-Spezialist Klau. Ein weiteres Exponat verdeutlicht, welche Auswirkungen die Trainingsdaten auf eine KI haben; warum etwa ein Chatbot spricht, was er spricht und wie sich das Verhalten und die Aussagen einer KI verändern, wenn man die Trainingsdaten abwandelt.
Ein Demonstrator aus der Kategorie der Einsatzszenarien wiederum fokussiert auf Dokumentenanalyse: Interessierte können Dokumente einscannen und herausfinden, welches Angebot am besten auf eine fiktive Ausschreibung passt. »Die KI registriert, was sie auf den eingereichten Seiten findet, ordnet es im Hinblick auf das Leistungsverzeichnis ein und stellt das Ergebnis übersichtlich dar. Hier können wir sehr gut zeigen, wie Künstliche Intelligenz bei solch manuellen Tätigkeiten wirklich gut entlasten und Entscheidungen auch ein Stück weit objektivieren kann«, erläutert Verena Pohl.
Der Zukunft die Hand reichen
An der Einführung von KI wird in naher Zukunft in vielen Unternehmen kein Weg vorbeiführen. Die entsprechenden Technologien aktiv und konkret mitzugestalten, ist essenziell, sollen die Lösungen eine echte Unterstützung im Arbeitsalltag bieten. Das kann nur gelingen, wenn die Mitarbeitenden einbezogen, ihre Interessen und Kompetenzen bei der Entwicklung berücksichtigt und ihre Fragen zu Themen wie Arbeitsplatzsicherheit oder Datenschutz überzeugend beantwortet werden.
Die Fraunhofer-IAO-Expertinnen und -Experten bieten mit ihrer Aufklärungs- und Vermittlungsarbeit eine ganz entscheidende Hilfestellung für eine erfolgreiche Transformation – und das flächendeckend über ganz Deutschland. Bis Ende 2024 entsteht gemeinsam mit der Universität Stuttgart in dem durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) geförderte Projekt ein ganzes Netzwerk mit Partnern, die zusätzliche Demonstratoren entwickeln, Veranstaltungen anbieten und damit das Angebot der Fraunhofer-IAO-Erlebniswerkstätten ergänzen. Um möglichst auch viele kleine und mittelständische Unternehmen direkt an ihren eigenen Standorten zu erreichen, bestücken die Fachleute zudem aktuell ein zweites Infomobil. Für eine Nutzung im eigenen Betrieb lässt sich unkompliziert über den Webauftritt des Projekts eine Anfrage platzieren.
Da das KI-Infomobil mit seinem Team im Rahmen der Hannover Messe einen Stopp am Messestand der Fraunhofer-Gesellschaft (Halle 2, Stand B24) einlegt, können Interessierte vom 22. bis 26. April 2024 auch dort mithilfe der Demonstratoren des Fraunhofer-IAO-Teams KI-Technologien erleben und Berührungsängste in der Interaktion abbauen.