Die Industrie möchte und muss ihre Emissionen auch nach Vorgaben der Bundesregierung bis 2030 um rund die Hälfte mindern. Einen großen Beitrag kann hier der Leichtbau leisten, durch den sich jährlich viele Tonnen CO2 einsparen lassen. Im Projekt COOPERATE (kurz für CO2-neutrale, lebensdaueroptimierte, kurzfaserverstärkte Thermoplaste für dynamische Applikationen) widmen sich die Partner der Reduktion von CO2-Emissionen beim Design von mechanisch und dynamisch stark beanspruchten Leichtbau-Bauteilen im Fahrzeugbereich. Dazu gehören etwa lasttragende Kunststoffbauteile wie Motorlager oder Koppelstangen als Teil des Fahrwerks. Um den CO2-Bedarf bei der Produktion von Kunststoffbauteilen zu verringern, kombinieren die Projektpartner zwei Ansätze: Zum einen substituieren sie erdölbasierte durch biobasierte Kunststoffe bzw. faserverstärkte Biopolymere, welche aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden, die zum Beispiel als Nebenprodukte in der Landwirtschaft entstehen. Im Projekt wird aus Leinöl gewonnenes Biopolyamid für langlebige, schwingungsbelastete Leichtbau-Bauteile optimiert. Zum anderen senken die Forschenden die umweltschädlichen Treibhausgasemissionen durch eine werkstoffgerechte Auslegung und Verringerung des Materialeinsatzes. Hierfür entwickeln die Partner verbesserte Methoden zur materialsparenden Auslegung von Bauteilen. Dabei wird unter anderem die Beanspruchbarkeit des Werkstoffs berücksichtigt. Angestrebt ist eine Materialreduktion von 20 bis 30 Prozent. Dies wiederum führt zu einer Verringerung der Prozessenergie, die zum Aufheizen und Aufschmelzen der Werkstoffe benötigt wird.
»Klimaschonende Substitute können über die gesamte Lebensdauer über 50 Prozent CO2-Emissionen einsparen. Wir konzentrieren uns auf das Matrixmaterial im Komposit und halbieren dort die Emissionen gegenüber konventionellem Kunststoff mit 9 Kilogramm CO2 pro Kilogramm auf 4,5 Kilogramm CO2 pro kg Produktgewicht«, sagt Georg Stoll, Projektleiter und Wissenschaftler am Fraunhofer LBF in Darmstadt. »Durch die Gewichteinsparung im Fahrzeugbereich lässt sich außerdem der Verbrauch an Antriebsenergie senken, was wiederum den CO2-Fußabdruck mindert.« An der Optimierung des Designprozesses und der Substitution fossiler Werkstoffe arbeitet das Fraunhofer LBF gemeinsam mit der BOGE Elastmetall GmbH, einem Hersteller von Schwingungssystemen und Kunstoffbauteilen aus dem Automobilsektor, der TECNARO GmbH, welche aus nachwachsenden Rohstoffen Biokunststoffe und Biokomposite entwickelt, und dem Lehrstuhl für Carbon Composites (LCC) der Technischen Universität München. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz BMWK fördert das Vorhaben.
Bessere Ökobilanz und mehr Nachhaltigkeit in der Produktentwicklung
Im Projekt entstehen zudem neue Berechnungsmethoden, welche die Einflüsse der Herstellung auf das quasistatische und zyklische Verhalten der Werkstoffe berücksichtigen. Mit den erweiterten Simulationsmethoden lassen sich je nach Anordnung der Fasern im Bauteil beispielsweise Materialeigenschaften wie Steifigkeit und Festigkeit abschätzen. »Wir simulieren sowohl den Herstellungsprozess als auch das Bauteilverhalten. Dadurch erkennen wir bereits im virtuellen Entwurfs- und Entwicklungsprozess, wie das Bauteil optimalerweise konstruiert werden muss, um weniger Material zu verbrauchen«, so der Forscher. Die erforderlichen Modelle für die Beschreibung des Materialverhaltens im fertigen Bauteil werden am Fraunhofer LBF und am LCC an der TU München
entwickelt, basierend auf experimentell ermittelten Daten vom Fraunhofer LBF und bereitgestellter Daten der BOGE Elastmetall GmbH.
Aus dem Biokunststoff werden derzeit im Spritzgussprozess Proben-Geometrien hergestellt und auf Prüfständen am Fraunhofer LBF charakterisiert. Die Versuche liefern wichtige Erkenntnisse zum Einfluss von Temperatur, Feuchtigkeit und Kerbradien in der Bauteilgeometrie auf die Steifigkeit und Betriebsfestigkeit des Materials. Dabei wird auch das akustische und Vibrationsverhalten berücksichtigt, um ungewollte Vibrationen und störenden Schall effektiv mindern oder vollständig unterdrücken zu können. Schließlich sollen auch zukünftige Kunststoff-Armaturen oder Türverkleidungen nicht klappern oder Geräusche von Motoren für die Fahrzeuginsassen möglichst nicht wahrnehmbar sein. Getestet wird am Prototyp einer Koppelstange, deren Form im Lauf des Projekts verschlankt werden soll, um eine Materialreduktion zu erzielen. »Biobasierte Kunststoffe werden zunehmend leistungsfähiger und erreichen heutzutage fast vergleichbare Eigenschaften wie ihre über viele Jahrzehnte hoch optimierten, fossilen Pendants. Ein nachhaltiges Bauteil zu designen, das die gleichen Lasten bei weniger Gewicht tragen kann als ein Bauteil aus treibhausgasintensiven Werkstoffen, ist dennoch eine große Herausforderung«, erläutert der Forscher.
Mit den neuen, ressourceneffizienten Methoden und den verbesserten, leichtbaubezogenen Materialeigenschaften wollen die Projektpartner den Weg für den Einsatz von biobasierten Kunststoffen in weitere Technologie- und Anwendungsfeldern wie etwa den Maschinenbau ebnen.