Gewässerkarten liefern wichtige Informationen – etwa über die Gewässertiefe, die Boden- und Uferbeschaffenheit, die Sohlenstruktur, das Längs- und Querprofil, Angaben zur Böschung, zu anliegenden Flurstücken, zu Hafenanlagen und Brückenbauten, zum Gewässerzustand und vieles mehr. Diese Karten müssen regelmäßig von den zuständigen Behörden erhoben und aktualisiert werden, was mit hohem Kostenaufwand verbunden ist, da die Vermessung der Gewässer aktuell mithilfe von Fachkräften auf Kartierungsschiffen manuell durchgeführt wird. Deutlich günstiger lässt sich die Unter- und Überwasserkartierung mit autonomen Wasserfahrzeugen realisieren. Ein solches System haben Forschende des Fraunhofer IOSB in Karlsruhe im Projekt TAPS (Teilautomatisches Peilsystem für Flüsse und Seen) auf Basis eines kommerziellen USV (unmanned surface vessel) entwickelt. Lediglich mit einem zentralen Arbeitsplatz bzw. einem Leitstand an Land verbunden, kartiert das Messboot alle Arten von Binnengewässern und deren Umgebung, wobei die Vermessung sowohl über als auch unter der Wasseroberfläche stattfindet. Ein küstennaher Einsatz ist ebenso denkbar: Die Kartierung ist in der derzeitigen Ausführung bis zu einer Tiefe von 100 Metern möglich.
Hochpräzise 3D-Modelle von der Über- und Unterwasserszenerie
Ausgestattet mit GPS,- Beschleunigungs- und Drehratensensoren sowie einem Doppler Velocity Log (DVL), einem Sensor, der das Boot befähigt, sich inkrementell am Gewässerboden entlangzutasten, ist das Boot in der Lage, sich autonom fortzubewegen. Für die Orientierung des teilautomatischen Peilsystems werden die Sensordaten fusioniert. Für die Kartierung über Wasser kommen Laserscanner und Kameras in Kombination mit einer am Fraunhofer IOSB entwickelten Kartierungssoftware zum Einsatz – die Geräte rekonstruieren hochpräzise 3D-Modelle der Umgebung. Die Unterwasserkartierung wiederum erfolgt mithilfe eines in die Sensorik integrierten Multibeam-Sonars, das ein komplettes 3D-Modell des Grunds erstellt. »Unser Peilsystem ist insofern teilautomatisch, als der Anwender nur noch den zu kartierenden Bereich vorgeben muss. Die Vermessung selbst erfolgt vollautomatisch, die Datenauswertung erfordert nur wenige Mausklicks. Die für die Kartierung und das autonome Fahren erforderlichen Softwaremodule wurden von uns entwickelt«, erläutert Dr. Janko Petereit, Wissenschaftler am Fraunhofer IOSB.
USV umfährt Hindernisse selbstständig
Zunächst wird der Bereich vorgegeben, der vermessen werden soll. Die Software berechnet darauf basierend die Route. Im nächsten Schritt startet das USV, das 2m x 1,5m x 1m misst und mit 64 Kilogramm ein Leichtgewicht ist. Auf seiner Mission weicht es Hindernissen, die der Laserscanner und das Sonar erfassen, selbstständig aus. Während der Fahrt wird für Navigationszwecke ein schnelles 3D-Modell in Echtzeit erstellt, einschließlich dynamischer Objekte wie fahrender Schiffe. Ein zweites hochpräzises 3D-Modell berechnet die Software nach der Datenauswertung, wobei sowohl die Gewässersohle als auch die über der Wasseroberfläche liegende Szene erfasst wird, bewegliche Objekte aber ausgeblendet werden.
Die Tests mit dem Messboot fanden auf verschiedenen Seen statt. Der einsatzfähige Prototyp wird derzeit von der Fraunhofer-Forschungsgruppe »Smart Ocean Technologies SOT« in Rostock in weiteren Projekten mit dem Schwerpunkt Unter- und Überwasserrobotik genutzt.
Software ermöglicht autonome Navigation auf dem Wasser
Die Anwendungsperspektiven der entwickelten Technologie sind vielfältig. Neben dem autonomen Vermessen von Fahrrinnen und baulichen Strukturen ist etwa auch das autonome Ausheben von Wasserfahrstraßen denkbar. Aber auch, wer nur autonom auf Gewässern navigieren möchte, ohne diese zu kartieren, kann den im Projekt entwickelten Software-Stack nutzen. Deshalb sieht Petereit letztlich Einsatz- bzw. Weiterentwicklungsmöglichkeiten für alle Bereiche des Personen- und Gütertransports auf hoher See und auf Binnengewässern. »Künftig wird der autonome Schiffsverkehr auf deutschen Wasserstraßen massiv zunehmen – bis hin zu neuartigen Logistikketten, die Schiene, Straße und Wasser intelligent kombinieren.«
Autonomer Schiffsverkehr erfordert neben Autonomiealgorithmen aber eben auch sehr präzise Karten, die heute mitunter fehlten, so Petereit: »Die manuellen Vermessungsfahrten finden derzeit nur im Ein- bis Zwei-Jahres-Rhythmus statt und liefern im Vergleich zu unseren umfassenden 3D-Modellen deutlich weniger präzise Ergebnisse, sodass der Zustand der Wasserstraßen nicht optimal erfasst wird. Die Vermessung der Flüsse muss daher künftig in einer wesentlich höheren Frequenz mit einem höheren Detailgrad erfolgen. Unser teilautomatisches Peilsystem bietet hier eine kostengünstige Alternative zu aktuellen Vermessungsmethoden«.