Empfindliche Lebensmittel automatisiert zu transportieren, zu sortieren und zu verpacken, ist alles andere als trivial. Die Roboter müssen die Waren schnell und hochdynamisch ansteuern, dürfen Schaumküsse, Eier, Fleischbällchen, Kekse, Pralinen, Donuts und Co. dabei aber nicht durch Druckstellen oder andere Makel beschädigen. Forschende am Fraunhofer IEM in Paderborn haben im Rahmen eines Förderprojekts des Landes Nordrhein-Westfalen einen Roboter-Greifer entwickelt, der für den Einsatz in der Lebensmittelbranche prädestiniert ist. Den Beweis liefert das System auf der Hannover Messe 2023 am Fraunhofer-Gemeinschaftsstand in Halle 16, Stand A12, wo es an einem Cobot-Arbeitsplatz Schaumküsse bewegt, ohne die empfindliche Schokoladenglasur zu beschädigen.
Das Greifsystem lässt sich mit zwei, drei oder vier Fingern umsetzen und eignet sich daher für unterschiedlichste Anwendungsfälle – so ist auch die automatisierte Handhabung von anderen empfindlichen Gütern wie Glas denkbar. »Die Finger mit kunststoffbasierter, nachgiebiger, flexibler Oberfläche greifen empfindliche Materialien sensitiv, sodass Beschädigungen vermieden werden. Gleichzeitig agiert der Roboter-Greifer hochdynamisch und passt sich dadurch problemlos an Produktionsabläufe an. Die erforderliche Balance zwischen Schnelligkeit und Feingefühl ist jederzeit gewahrt«, sagt Dr. Christian Henke, Abteilungsleiter Scientific Automation am Fraunhofer IEM. Präzise und dynamische Regelungstechnik ermöglicht ein gezieltes Einstellen der Fingerbewegungen und die diffizile Ansteuerung der Waren. Die in den Fingern integrierte Sensorik ermittelt die erforderliche Anpresskraft.
Ressourcenschonender Betrieb durch elektrischen Antrieb
Der besondere Vorzug des Systems: Der Greifer wird nicht pneumatisch, sondern elektrisch betrieben. So arbeitet er energieeffizient und nutzt bereits bestehende Stromanschlüsse. »Herkömmliche Greifersysteme werden pneumatisch betrieben, was mit einem hohen Energieverbrauch verbunden ist. Die Erzeugung von Druckluft ist mit einem geringeren Wirkungsgrad verbunden, der durch häufige Leckagen in den Leitungen zusätzlich gemindert wird«, erläutert der Ingenieur.
Schutzzäune in der Produktion sind überflüssig
Mit einer Linearachse, also einer horizontalen Schiene, lässt sich der Aktionsradius des Systems erweitern. Hierfür wird der Greifroboter auf eine vertikale Hubsäule montiert, die wiederum auf der Linearachse angebracht ist. Der Greifer selbst eignet sich dank seiner sensorbasierten Umfelderkennung für die sichere Mensch-Roboter-Kollaboration. Dies gilt jedoch nicht für die beiden Achsen – die Linearachse und die Hubsäule. Um den kompletten Arbeitsplatz kollaborativ zu gestalten, haben die Forscherinnen und Forscher eine 360-Grad-Umfelderkennung entwickelt, die die Achsen in der Länge und in der Höhe überwacht und die sich in den Sockel der Linearachse integrieren lässt. »Durch dieses Multisensorsystem, bestehend aus Abstands- und Thermografiesensoren, wird die komplette Anordnung aus Cobot und Achsen kollaborativ. Auf Schutzzäune können Unternehmen somit verzichten«, sagt Henke. »Der Greifer lässt sich auf Wunsch mit der Linearachse inklusive Multisensorsystem kombinieren, er ist jedoch auch autonom einsetzbar.« Erste Tests waren erfolgreich, aktuell sucht das Team des Fraunhofer IEM nach Partnern, die den Vertrieb des Roboter-Greifers übernehmen.