Originalität, wissenschaftliche Exzellenz und das Streben nach innovativen Technologien zum Wohle aller – diese Ziele hat sich die Fraunhofer-Gesellschaft seit ihrer Gründung 1949 auf die Fahne geschrieben. In diesem Sinne vergeben der Freistaat Bayern und die Fraunhofer-Gesellschaft jährlich den »Hugo-Geiger-Preis für wissenschaftlichen Nachwuchs«. Geehrt werden junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für herausragende Promotionsleistungen, die in enger Kooperation mit einem Fraunhofer-Institut entstanden sind.
Die diesjährige Preisverleihung fand im Rahmen der größten Fraunhofer-interne Vernetzungsveranstaltung, des Symposiums »Netzwert« in München statt. Überreicht wurden die Hugo-Geiger-Preise von der Amtschefin des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, Dr. Sabine Jarothe, und Prof. Alexander Kurz, Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft für den Bereich Innovation, Transfer und Verwertung. Das Symposium »Netzwert« ist die größte interne Vernetzungsveranstaltung für alle Fraunhofer-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler und damit ein ideales Forum für die Verleihung des Hugo-Geiger-Preises. Pandemie-bedingt wurde die Veranstaltung wie auch schon im letzten Jahr im hybriden Format durchgeführt. Anlässlich der Preisverleihung gratulierte auch Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger: »Wir ehren mit dem Hugo-Geiger-Preis Nachwuchsforscher, die sich verdient gemacht haben um den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Bayern. Sie tragen mit ihren Arbeitsergebnissen dazu bei, dass wir Arbeitsplätze sichern und Zukunftsaufgaben lösen. Namensgeber des Preises ist der frühere Staatssekretär Hugo Geiger, der bereits 1949 im Wirtschaftsministerium die Fraunhofer-Gesellschaft gegründet und damit den Grundstein gelegt hat für eine außergewöhnliche Erfolgsgeschichte. Heute leisten die Fraunhofer-Institute wesentliche Beiträge für die anwendungsorientierte Forschung in Zukunftsfeldern von der Bioökonomie bis zur Wasserstofftechnik, von der Mikroelektronik bis zur künstlichen Intelligenz. Die Auszeichnung der Preisträger zeigt, dass auch die nächste Generation diese Erfolgsgeschichte weiter fortschreiben wird.«
»Forschung und Innovation sind gefordert, nachhaltige Beiträge zur Bewältigung großer gesellschaftlicher Herausforderungen zu leisten. Auch die in diesem Jahr mit dem Hugo-Geiger-Preis prämierten Dissertationen adressieren zentrale Fragestellungen unserer Zeit: Von der Weiterentwicklung von Solarzellen über die Wiederverwendung von Kunstsoffen bis hin zur Verbesserung der Mensch-Maschine-Interaktion«, sagte Prof. Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft. »Mit ihren exzellenten Promotionsleistungen haben die Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler eindrucksvoll ihr kreatives Potenzial bewiesen. Ganz im Sinne unserer Fraunhofer-Mission haben sie originelle Ideen mit wissenschaftlicher Exzellenz bedarfs- und problemorientiert in Lösungen überführt.«
Platz 1: Mehr Solarstrom auf kleiner Fläche
Der Wirkungsgrad der nahezu ausgereiften Silicium-Einfach-Solarzellen-Technik ist auf maximal 29 Prozent begrenzt. Mehrfachsolarzellen mit selteneren Verbindungshalbleitern erreichen bereits Wirkungsgrade von bis zu 39,2 Prozent und sind damit prädestiniert für den Einsatz auf kleinen Flächen. Für die Nutzung in Flachmodulen sind die Kosten allerdings noch zu hoch. Die Technik wird daher fast ausschließlich in der Raumfahrt eingesetzt. Durch ein materialsparendes Aufbringen der Verbindungshalbleiter gängiger Mehrfachsolarzellen auf eine Basis aus günstigem Silicium können beide Technologien jedoch kosteneffizient vereint werden.
Dr. Markus Feifel entwickelte in seiner Promotion »Hocheffiziente III-V-Mehrfachsolarzellen auf Silicium« am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE eine komplexe und sehr leistungsfähige Solarzellenstruktur, die bereits einige Wirkungsgradrekorde aufstellen konnte. Wichtig war dabei vor allem, an der Grenzfläche zwischen Silicium und der aufgebrachten Verbindungshalbleiterschicht eine geringe Kristalldefektdichte zu erreichen, um Leistungsverluste zu minimieren. Hier gelang Dr. Feifel durch die für dieses Materialsystem erstmals eingesetzte Electron Channeling Contrast Imaging (ECCI)Methode zur Fehlererkennung und -analyse sowie durch eine entsprechende Anpassung der Kristall-Wachstumsbedingungen ein echter Durchbruch.
Platz 2: Geruchsanalyse von recyceltem Kunststoff
Recycling von Kunststoff ist unabdingbar. Der breite Einsatz der recycelten Polyolefinen in verbrauchernahen Anwendungen wird allerdings beschränkt durch Substanzen, die unerwünschte Gerüche verursachen. Geruchsbelastungen können auch ein Indikator sein für weitere unerwünschte und bedenkliche Begleitstoffe im Material.
Dr. Miriam Strangl charakterisierte in ihrer Promotion »Charakterisierung geruchsaktiver Verbindungen in Post-Consumer Polyolefinen«, am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung IVV die geruchsaktiven Substanzen in Kunststoffabfällen und Rezyklaten unterschiedlicher Herkunft mittels eines chemo-analytischen Ansatzes. Von den identifizierten Komponenten konnte ein Großteil zum ersten Mal in einer Kunststoffmatrix nachgewiesen werden. Neu ist an der Arbeit auch die Aufklärung des Ursprungs und möglicher Bildungswege dieser Substanzen sowie die Bewertung einzelner Prozessschritte im Recyclingkreislauf bezüglich ihres möglichen geruchsreduzierenden Effekts. Damit legen die Ergebnisse den Grundstein für die Entwicklung zielgerichteter Strategien zur Desodorisierung von Rezyklaten, um Neuware in hochwertigen Anwendungen durch wettbewerbsfähige, recycelte Sekundärrohstoffe zu ersetzen.
Neben eingeworbenen Wirtschaftserträgen war die Promotion auch Grundlage für das weiterführende EU-Forschungsprojekt »Circular Plastics Network for Training (C-PlaNeT)« mit der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (Fördersumme knapp 4 Mio €). Dr. Strangl war wesentlich an der Konzeptionierung beteiligt.
3. Platz: Mensch-Maschine-Interaktion mit menschlichem Fokus
In ihrer Dissertation »Multifaktorielle Echtzeitdiagnose des Nutzerzustands in adaptiver Mensch-Maschine-Interaktion« am Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE stellt die Psychologin Dr. Jessica Schwarz den Menschen ganz bewusst in den Mittelpunkt. Die Entwicklung der Nutzerzustandsdiagnose RASMUS ermöglicht eine ganzheitliche Erfassung und Bewertung mentaler Zustände und Einflussfaktoren bereits während der Aufgabenbearbeitung. Dadurch kann das technische System bedarfsgerecht und dynamisch an den Menschen angepasst werden.
Hervorzuheben ist vor allem die multifaktorielle Zustandserfassung, die Leistungseinbrüche und verschiedene mentale Zustände registriert. Dies stellt sicher, dass die technikseitige Adaption den Selbstregulierungsstrategien des Nutzenden nicht entgegenwirkt und ermöglicht zusätzlich eine passgenaue Unterstützung seitens der Technik. Der Mensch muss sich nicht an die Maschine anpassen. Die Maschine passt sich an den Menschen an, die Verantwortung bleibt beim Menschen – eine wichtige ethische Komponente der Arbeit.
Die Erkenntnisse der Promotion wurden bereits in einer Marineanwendung umgesetzt. Hier zeigte sich, dass eine solche kontext- und zustandsabhängige Anpassung der Technik zur Verbesserung von Arbeitssicherheit und Arbeitsergebnis beitragen kann. Weitere Anwendungsfelder sind beispielsweise Energieleitstellen oder die Luftraumüberwachung. Inzwischen hat Dr. Schwarz die Leitung der Forschungsgruppe »Human Factors Analysis« in der Abteilung Mensch-Maschine-Systeme des Fraunhofer FKIE übernommen.