Es wird viel gebaut in der Bundesrepublik, doch die Möglichkeiten der Digitalisierung werden in der Baubranche bisher bei Weitem nicht in vollem Maße genutzt. Neuere Arbeitsmethoden wie das »Building Information Modeling« (BIM) können zwar digitale Planungsdaten liefern, werden aber bisher nicht flächendeckend eingesetzt. Zudem stoßen sie im Bereich der Vernetzung sowie bei kurzfristigen Umplanungen, die auf dem Bau zur Tagesordnung gehören, an ihre Grenzen. Viele Schritte werden daher weiterhin separat und manuell eingeleitet. Automatisierte, aufeinander abgestimmte, transparente Vorgehensweisen und einheitliche Standards in der Kommunikation und Planung fehlen.
Das Projekt Infra-Bau 4.0 soll diese Lücke schließen. Gefördert vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr entwickelt eine Vielzahl an Konsortialpartnern aus Wissenschaft und Bauindustrie eine digitale Kommunikationsplattform, die es ermöglichen soll, Infrastrukturprojekte effizienter zu gestalten und somit Arbeitsaufwand, Zeit und Kosten zu reduzieren. Die technisch-wissenschaftliche Leitung hat das Fraunhofer IESE in Kaiserslautern inne und bringt dabei jahrelange Expertise aus dem Bereich der Digitalen Ökosysteme in das Projekt mit ein. »Unter einem digitalen Ökosystem verstehen wir einen soziotechnischen Verbund, in dem Unternehmen, Technik und Personen über eine digitale Plattform miteinander kooperieren und jeder Akteur dabei individuell von der Teilnahme profitiert«, erklärt Denis Feth, Expert »Security and Privacy Technologies« am Fraunhofer IESE und technisch-wissenschaftlicher Leiter des Projekts. »Im Rahmen des Projekts hat unser Institut das Thema in seiner gesamten Breite betrachtet: Wie muss so eine Plattform für die Baubranche aufgebaut sein? Was können Anreize zur Teilnahme sein? Wie können wir einen sicheren Datenaustausch ermöglichen?«
Metaplattform hält Fäden zusammen
Die Infra-Bau-4.0-Plattform bildet das Ergebnis all dieser Überlegungen. Als digitales Ökosystem vernetzt sie vom Bauleiter über die Planerin bis hin zum einzelnen Bauarbeiter alle Bauakteure miteinander. Sogar Baumaschinen können eingebunden werden. So wird eine digitale Projekthierarchie abgebildet, die der realen Situation auf der Baustelle entspricht. Jede Person hat dabei einen eigenen Account, über den sie mit anderen Akteuren interagieren kann. Der Informationsaustausch ist so klar strukturiert und bleibt nachvollziehbar.
»Wichtig war und ist uns, dass das Benutzen unserer Plattform für die Beteiligten keinen zusätzlichen Aufwand bedeutet und es keine Hürden in der Anwendung gibt«, betont Feth. »Wir wollen auch gar nicht mit bereits bestehenden Lösungen in Konkurrenz treten. Ganz im Gegenteil: Alle Beteiligten interagieren weiterhin mit ihren gewohnten Tools. Wir halten mit unserer Metaplattform im Hintergrund die Fäden zusammen und ermöglichen den Austausch.« Von der BIM-Software über Projektmanagementlösungen bis hin zu spezifischen Baumaschinenanwendungen sind bereits zahlreiche branchenübliche Baustellen-Tools angebunden.
Durch die Plattform können Daten nicht nur ausgetauscht, sondern darüber hinaus mithilfe von Methoden der künstlichen Intelligenz auch geschickt weiterverwendet werden, erklärt Feth: »Wenn es derzeit auf dem Bau zu ungeplanten Änderungen im Ablauf kommt, müssen Planer weitestgehend manuell mit diesem Problem umgehen. Unsere Plattform dagegen kann auf Basis der gesammelten Daten fundierte Entscheidungsvorschläge liefern, die hinsichtlich Parametern wie Kosten und Zeit optimiert sind, und so den Planern eine wertvolle Hilfestellung geben.«
Folgeprojekt in Planung
Das Projekt Infra-Bau 4.0 startete im Sommer 2020 und konzentrierte sich zunächst rein auf die Phase der Bauausführung. In einem ersten Schritt wurden mithilfe von realistischen Fallbeispielen die Anforderungen an die Plattform erhoben. Es folgten die technische Konzeption und das Ausdetaillieren der Plattform, bevor dann anschließend mit der tatsächlichen Umsetzung begonnen wurde. Zuletzt fanden eine erste grobe Evaluierung der Funktionalitäten durch die Projektpartner sowie eine Abschlussveranstaltung statt. Mit dem Jahreswechsel endete das Projekt offiziell.
Denis Feth ist mit dem bisher Erreichten sehr zufrieden: »Wir haben innerhalb von eineinhalb Jahren enorm viel auf die Beine gestellt und konnten zeigen, dass unsere Kommunikationsplattform technisch umsetzbar und vielfältig einsetzbar ist. Unser Konsortium und unsere Geldgeber sind weiterhin vom Potenzial unserer Idee überzeugt.« Daher ist das Folgeprojekt bereits in Planung und soll zeitnah starten. Im weiteren Verlauf wollen die Projektpartner unter anderem den Fokus auf weitere Bauschritte ausweiten und die Plattform in einem realen Baustellenkontext einsetzen und evaluieren.