Wenn eine Herzklappe nicht mehr richtig öffnet und schließt, muss sie oftmals durch ein künstliches Pendant ausgetauscht werden. Der Trend geht zur biologischen Klappe, da der Patient keine blutverdünnenden Medikamente wie Marcumar einnehmen muss. Mechanische Klappen hingegen erfordern die lebenslange Einnahme von Gerinnungshemmern. Der Nachteil der Bioprothesen, die entweder aus Aortenklappen von Schweinen oder aus Herzbeutelgewebe von Rindern hergestellt werden: Sie halten in der Regel maximal 15 Jahre, da Verkalkung und Materialermüdung die Funktionsfähigkeit der Klappensegel beeinträchtigen. Kristallines Hydroxylapatit lagert sich an den Segeln ab und löst die Verkalkung aus – Experten bezeichnen diesen Vorgang als Kalzifizierung. Mit neuen chemischen Vorbehandlungen wollen Forscherinnen und Forscher am Fraunhofer IKTS die Verkalkung stoppen. Dabei arbeiten sie eng mit dem Institut für Angewandte Medizintechnik, Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen und dem Meshalkin National Medical Research Center im russischen Novosibirsk zusammen.
»Biologische Herzklappen halten durch eine spezielle Behandlung zwar viele Jahre, aber es kommt dennoch zu Verschleißerscheinungen, sodass diese Prothesen nach 10 bis 15 Jahren ausgetauscht werden müssen«, sagt Dr. Natalia Beshchasna, Wissenschaftlerin am Fraunhofer IKTS. Durch die Ablagerung von Kalziumphosphatverbindungen werden die mechanischen Eigenschaften des Materials beeinträchtigt. Die künstliche Klappe verengt sich, die Folge ist ein gestörter Blutdurchfluss.
Üblicherweise werden die Prothesen mit Glutaraldehyd vorbehandelt. Das häufig verwendete Fixationsmittel stabilisiert unter anderem das Kollagengerüst der Klappenprothese. Um den Kalzifizierungs- und Degenerationsprozess zu vermeiden oder zu verzögern, nutzen Dr. Beshchasna und ihre Partner neue chemische Verbindungen. Für die Versuche wählten sie Herzbeutelgewebe (Perikardgewebe) als Basismaterial und stabilisierten es mit Wirkstoffmolekülen. Im Gegensatz zur klassischen Vernetzung mit Glutaraldehyd setzten sie auf Diepoxid und Bisphosphonat. »Glutaraldehyd bindet gut an Kollagen, nicht jedoch an Elastin, das auch Bestandteil des Perikardgewebes ist. Daher sucht man nach Alternativen, wir haben uns für Diepoxid entschieden«, erklärt die Ingenieurin. Die Vernetzung erfolgte mit und ohne die Zugabe von Bisphosphonaten – Medikamenten, die in den Knochenstoffwechsel eingreifen und etwa zur Therapie von Osteoporose verwendet werden.
Großes Potenzial für Diepoxide und Bisphosphonate
Zunächst wurden die Gewebeproben mit Glutaraldehyd, Diepoxid, Diepoxid plus Bisphosphonat, Diepoxid plus dem milden Konservierungsmittel Optiphen drei Wochen lang präpariert. Dadurch erhielten die Gewebeproben neue Eigenschaften. Anschließend wurde ein vierwöchiger Kalzifizierungstest durchgeführt, um die Wirkung der genannten Präparation unter beschleunigten Konditionen im Labor zu testen. Der pH-Wert der Lösungen war gepuffert und entsprach dem des humanen Blutplasmas. »Wir haben insgesamt acht Herzklappen mit vier Lösungen unterschiedlich chemisch vorbehandelt und mit klassischen Verfahren wie Rasterelektronenmikroskopie, Raman-Spektroskopie und Mikrocomputertomographie analysiert, welche Gewebebehandlung am besten gegen die Langzeitkomplikation der Verkalkung wirkt«, sagt die Forscherin. Das Ergebnis des In-vitro-Tests: Diepoxide und Bisphosphonate sind aufgrund ihrer sehr guten Vernetzung des Gewebes eine vielversprechende Alternative zu Glutaraldehyd. Die Forschenden sehen großes Potenzial für diese kombinierte Behandlung. »Herzbeutelgewebe hat eine Neigung zur Bindung von Kalziumionen, die wiederum Phosphationen binden, was die Kalzifizierung des Herzklappenersatzes begünstigt. Diepoxide und Bisphosphonate können dieser Langzeitkomplikation entgegenwirken und die Reaktion zwischen Kalzium- und Phosphationen verhindern«, so Beshchasna.
Als nächstes müssen die erfolgversprechenden Ergebnisse in weiteren In-vitro- und In-vivo-Tests sowie in klinischen Experimenten bestätigt werden. »Bislang ist es nicht gelungen, eine ideale Klappenprothese zu konstruieren. Wir hoffen, diesem Ideal mit unserer neuen chemischen Vorbehandlung einen Schritt näher zu kommen.«