In Produktions- und Logistikszenarien ist 5G eine Schlüsseltechnologie für neue Lösungen. Es ermöglicht den Ersatz von Kabelverbindungen durch echtzeitfähige und zuverlässige Vernetzung mit kurzen Latenzzeiten (0,5 bis 500 ms) und automatisierte Produktionsprozesse durch eine genaue Lokalisierung (zwischen 0,2 und 10 m).
Im 5G-Testbed individuelle Anforderungen und Bedürfnisse simulieren und testen
Als realitätsnahe Umgebung für das 5G-Testbed »Industrie 4.0« dient das Innen- und Außengelände des Test- und Anwendungszentrums L.I.N.K., kurz für Lokalisierung, Identifikation, Navigation, Kommunikation, am Standort Nürnberg. Alle Outdoor-, Indoor- und Übergangsbereiche des Testgeländes sind mit ineinandergreifenden Kommunikations- und Lokalisierungslösungen ausgestattet. So können dort vielfältige Industrieanwendungen in praxisrelevanten Einsatzszenarien erprobt werden. Profitieren können vor allem Fertigungs- und Logistikunternehmen, Anbieter von Lokalisierungssystemen, Systemintegratoren und Mobilfunkunternehmen, die einen einfachen Zugriff auf eine 5G-Testinfrastruktur benötigen, um ihre Lösungen zu erproben und marktfähig weiterzuentwickeln.
Thomas von der Grün, Projektleiter 5G-Bavaria-Testbed Industrie 4.0, erläutert: »Die Implementierung von Industrie 4.0-Anwendungen in 5G-Netzen ist herausfordernd. Daher bieten wir mit einem Stand-alone-Campusnetz auf 3,7 Gigahertz-Basis eine zentrale Anlaufstelle für das Testen industrienaher Anwendungen in frühen Stadien einer Entwicklung. Unsere Mission ist es, Unternehmen und Partnern dabei zu helfen, schon heute in ihren Anwendungen zu erleben, was sie erst in ein bis zwei Jahren vom 5G-Standard erwarten können. Wir möchten und können ihnen heute schon zeigen, was die Technologie leisten kann.«
Das 5G-Testbed für Industrie 4.0-Anwendungen des Fraunhofer IIS begleitet den Über-gang von der Forschung und Standardisierung in den Alltag eines Unternehmens. Es bietet eine offene Testumgebung, in der kundenspezifische Anwendungen aus den Bereichen Industrie und Logistik unter realistischen Bedingungen mit neuester Mobilfunk-technik in einem eigenständigen 5G-Campusnetz getestet werden können.
»Mit dem 5G Testbed-Industrie 4.0 können Unternehmen den industriellen Einsatz von 5G vorbereiten und ihre Anforderungen und spezifischen Geschäftsprozesse von Anfang an berücksichtigen«, erklärt Thomas von der Grün. »In sicherer Umgebung können neu standardisierte 5G-Features schon vor der flächendeckenden Verfügbarkeit getestet werden. Auch kleine und mittlere Unternehmen können so technologische Möglichkeiten und Grenzen frühzeitig ausloten und wertvolle Erfahrungen für die Einrichtung, Be-trieb und Nutzung eines eigenen Campusnetzes sammeln.« Dadurch, dass es sich bei dem 5G Bavaria Testbed um ein nicht öffentliches Stand-alone-Netzwerk handelt, sind alle Komponenten des 5G-Netzes lokal installiert und im Zugriff.
5G kann die Leistungsfähigkeit drahtloser Verbindungen im Industrieumfeld erheblich steigern und eröffnet somit neue Möglichkeiten, auch komplexere und sicherheitskriti-sche Anwendungen drahtlos zu realisieren. »Denkbar ist der Einsatz beispielsweise zur effizienten Steuerung fahrerloser Transportsysteme (FTS) in dichtbebauten Hallen ohne Sichtverbindung bis hin zu kooperativ agierenden Drohnenschwärmen«, so von der Grün. »Aber auch die Abbildung von Verkehrsflüssen, ein effizientes Routenmanage-ment oder eine optimale Auslastung lassen sich mit der Unterstützung von 5G umset-zen. Vernetze Logistikströme tragen darüber hinaus zur Unfallverhütung und damit einer gesteigerten Arbeitssicherheit bei.«
Open-RAN als herstellerneutraler und flexibler Ansatz
Der 5G-Standard ermöglicht eine flexible und dynamische Architektur des 5G-Testbeds. Die offene Schnittstellendefinition auf Basis des sogenannten Open-RAN-Ansatzes (Radio Access Network) ermöglicht die Kombination von Komponenten verschiedener Hersteller. Die Virtualisierung erlaubt es, Software-Funktionen zum Beispiel für eine Lokalisierung innerhalb des 5G-Netzes direkt auf dem Betriebsgelände bedarfsgerecht zu verteilen. Dadurch reduziert sich beispielsweise die Latenz.
Hintergrund: 5G als neuer Standard
Die Mobilfunkwelt treibt derzeit mit Hochdruck den Übergang von LTE zu 5G in öffentlichen Netzen. Der neue Standard wird künftig deutlich mehr für industrielle und logistische Anwendungen bieten. Auch Smart Grids und das vernetzte Fahren erfahren durch 5G einen kräftigen Schub. Damit haben Unternehmen aus völlig neuen Branchen die Chance, geplante Produkte und Anwendungen auf neuesten Mobilfunktechnologien aufzubauen. Dazu ist es entscheidend zu wissen, was heute schon in der Standardisierung vorangetrieben wird und was für die Implementierung in die Netze der Mobilfunk-anbieter vorgesehen ist. Um im Zeitfenster bis zur kommerziellen Verfügbarkeit handlungs- und entscheidungsfähig zu sein, ist das Erproben und Entwickeln zukunftsbeständiger Kommunikations- und Lokalisierungsanwendungen mit passenden Testeinrichtungen und Detailkenntnissen aus der fortlaufenden 5G-Standardisierung ein wichtiger Erfolgsfaktor.
Die Initiative »5G Bavaria« des Fraunhofer IIS begleitet daher den Übergang von der Forschung und Standardisierung in die Anwendung. Sie bietet Unternehmen die Mög-lichkeit zur Evaluierung von neuen Funktionalitäten von 5G bereits vor der Marktverfüg-barkeit in einem 5G-Gesamtsystemkontext mittels Simulation und Emulation im Labor sowie in realer Mobilfunkumgebung. So wird 5G für Unternehmen und Anwender aus vertikalen Märkten erfahr- und nutzbar und sie können ihre 5G-bezogenen Anwendungen und Entwicklungen frühzeitig testen und weiterentwickeln.
Während der Hannover Messe vom 12. bis 16. April, die 2021 digital stattfinden wird, können Interessierte sich zum Thema 5G-Testbed für Industrie 4.0-Anwendungen auf dem virtuellen Fraunhofer-Stand informieren.