Arzneimittel sind im Internet mitunter deutlich günstiger als in Apotheken. Doch während man sich beim Direktkauf vor Ort auf die Qualität der Medikamente verlassen kann, bleibt bei den Online-Schnäppchen vielfach die Unsicherheit, ob einem nicht doch eine unwirksame oder anders zusammengesetzte Fälschung untergejubelt worden sein könnte. Künftig könnte man solche Fragen schnell und einfach klären: Mit einem Chip-Spektrometer, das Forscherinnen und Forscher am Fraunhofer ENAS derzeit entwickeln. »Unser Infrarot-Spektrometer wiegt nur etwa ein Gramm und soll perspektivisch nicht mehr kosten als einen Euro«, sagt Dr. Alexander Weiß, Abteilungsleiter am Fraunhofer ENAS. »Damit ließe es sich beispielsweise in Smartphones integrieren.« Zum Vergleich: Bisher wiegen Infrarot-Spektrometer einige Kilogramm, die Kosten liegen bei einigen Tausend Euro. Zwar gibt es bereits transportable Geräte, die etwas weniger auf die Waage bringen. Doch auch diese sind für den Massenmarkt ungeeignet – sowohl hinsichtlich der Kosten und der Größe als auch, was die Bedienung und Auswertung der Ergebnisse angeht. Weitere Anforderungen, um auf dem Massenmarkt bestehen zu können: Die Komplexität der Technologie muss gering sein – sprich, sie muss einfach bedienbar sein – und die Herstellungsweise sich für den Massenmarkt eignen.
Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten
Die möglichen Anwendungen sind keineswegs auf Medikamentenfälschungen beschränkt. »Unser Spektrometer ist für allerhand Einsatzbereiche interessant – etwa um Nahrungs- und Futtermittel hinsichtlich des Reifgrades oder mikrobielle Zersetzungen zu beurteilen, die Luftqualität in Innenräumen und Fahrzeugen zur gesteuerten Klimatisierung zu messen oder auch Schadstoffe in Luft, Wasser oder Nahrung zu detektieren.« Dazu sendet das Spektrometer – ebenso wie herkömmliche Infrarotspektrometer auch – Lichtstrahlen im Infrarotbereich aus. Das Licht verschiedener Wellenlängen wird dann mittels eines durchstimmbaren Filters zerlegt und mittels integrierter Wellenleiter zu einem Detektor geführt. Gitterkoppler mit Nanostrukturen bündeln dabei etwa das von einer zu testenden Tablette reflektierte Licht in integrierten Wellenleitern. Soll die Luftqualität untersucht werden, gelangt stattdessen das Licht in eine spezielle in der Ebene integrierte Absorptionszelle. Trägt man auf, bei welcher Wellenlänge wie viel Licht zum Detektor gelangt, erhält man ein charakteristisches Spektrum, das ähnlich wie ein Fingerabdruck bei jeder Probe unterschiedlich ist. Eine gefälschte Tablette, die sich anders zusammensetzt, hat also ein anderes Spektrum als das Originalmedikament.
Doch wie ist es dem Forscherteam gelungen, die Baugröße des Spektrometers derart stark zu reduzieren, wo die generelle Funktionsweise doch ähnlich ist? »Herkömmliche Spektrometer bestehen meist aus diskreten mehr oder weniger gut integrierten Komponenten. Wir haben dagegen sowohl die Führung der Strahlung als auch die Spaltung der einzelnen Wellenlängen und die Detektion in einer Ebene integriert – wir sprechen daher auch von einem Inplane-Spektrometer«, erläutert Weiß.
Einfache Bedienung, kostengünstige Herstellung
Soll das Spektrometer künftig beispielsweise in Smartphones integriert werden können, ist allerdings nicht nur eine kleine Baugröße gefragt. Zudem muss sich das System einfach und intuitiv bedienen lassen und dem Nutzer anschließend klare Auswertungen vorlegen. Auch hier haben die Forscherinnen und Forscher bereits einen Ansatz: Intelligente, lernende Algorithmen. »Setzt eine große Menge von Menschen die Technologie ein, lernt das System schnell dazu«, sagt Weiß. Für den Anwender heißt das: Er zückt sein Handy, startet das Spektrometer über eine spezielle App, hält es über eine der Tabletten und bekommt zusätzlich eine Handlungsanleitung, wie die Messung korrekt durchgeführt wird. Das Spektrometer erstellt automatisch das Spektrum, und die Software vergleicht es mit Vergleichsspektren, die durch Fachpersonal in einer Datenbank hinterlegt wurden. Je mehr Nutzer das System verwenden, desto größer werden die Vergleichsmöglichkeiten. Dem Nutzer wird nur das Ergebnis angezeigt, beispielsweise »Originalmedikament«. Ein weiterer Knackpunkt sind die Herstellungskosten des Spektrometers. Auch diese hat das Forscherteam von Anfang an mit im Blick. »Wir haben das Spektrometer so entworfen, dass es sich über die herkömmlichen Technologien der Mikrosystemtechnik in Massenfertigung kostengünstig produzieren lässt. Hersteller können direkt auf die Prozesse setzen, die bei den großen Fabrikationslinien, kurz FABs, Standard sind«, sagt Weiß.
Erste Spektrometer-Chips haben die Forscher bereits hergestellt, der Proof-of-Concept ist erbracht. Nun stehen verschiedene Charakterisierungen auf dem Programm: Bewegen sich die einzelnen Komponenten wie gewünscht? Wird das Licht, das in die Wellenleiter eingekoppelt wird, in ausreichendem Maß weitergeleitet? Das entsprechende Equipment für diese Charakterisierungen wurde von der Forschungsfabrik Mikroelektronik finanziert. Laufen diese Untersuchungen wie erhofft, könnte das Spektrometer in etwa zwei Jahren den Weg in den Massenmarkt finden.