Der Bau eines öffentlichen Gebäudes und insbesondere eines Forschungsinstituts hat es in sich. Denn solche Bauwerke sind keine Gebäude von der Stange. Labore mit spezieller Technik oder besonderen Lüftungsanlagen müssen geplant und während des Baus, den Anforderungen entsprechend, richtig umgesetzt werden. Dabei ist schon in der Planungsphase an Vieles zu denken. Die Institutsleiter und Institutsleiterinnen von Forschungseinrichtungen oder Fachkräfte aus der Verwaltung eines Instituts wissen zwar sehr genau, was sie für den wissenschaftlichen Betrieb benötigen. Diese Wünsche in ein ganz neues Gebäude und eine Kostenkalkulation zu übertragen, die alle, auch baurechtliche Anforderungen erfüllen, ist aber eine ganz andere Sache. Am Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg wurde deshalb ein digitales Werkzeug entwickelt, das die Anforderungsaufnahme von öffentlichen Gebäuden erleichtert und transparenter macht: das digitale Raumbuch – ein Softwarewerkzeug, das alle Anforderungen an das neue Gebäude oder den Umbau digital sammelt und speichert. Es bildet die Grundlage für die Budgetierung, die Planung und die Ausführung des Bauprojekts. Das digitale Raumbuch wird auf der Messe BAU, die als digitales Format umgesetzt wird, vom 13. bis zum 15. Januar 2021 präsentiert.
Werkzeug zur Unterstützung der BIM-Methode
Das digitale Raumbuch folgt der Idee der Digitalisierung des Bauens, die dabei als wesentliche Grundlage die Methode Building Information Modeling (BIM) sieht. Mit BIM verabschiedet sich die Baubranche vom klassischen zweidimensionalen Bauplan, der statisch ist und immer wieder zu Missverständnissen führt. Das Herz von BIM ist ein dreidimensionales Abbild der Realität eines Gebäudes inklusive aller Daten, die bislang noch oftmals unübersichtlich auf Word- und Exceltabellen, technischen Zeichnungen oder gar Bauplänen aus Papier verteilt sind.
Den BIM-Gedanken unterstützt das digitale Raumbuch, das zunächst für Neubauten oder Umbauten an den Fraunhofer-Instituten entwickelt worden ist. Es trägt insbesondere dazu bei, die Zusammenarbeit zwischen den Instituten und der zentralen Bauabteilung der Fraunhofer-Gesellschaft in München zu optimieren. Darüber hinaus soll es künftig vergleichbaren Organisationen der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellt werden. Dabei meistert es gleich zwei Herausforderungen. Zum Ersten ist jedes Fraunhofer-Institut anders. Deshalb werden an jeden Neu- oder Umbau ganz spezielle Anforderungen gestellt. Ein Standardgebäude, wie die Filiale einer Lebensmittelkette, reicht hier nicht aus. Das heißt, dass die Kostenkalkulation und Planung jedes Mal quasi bei Null beginnen muss. Zum Zweiten haben die Baubeauftragten in den Instituten, die geschäftsführenden Institutsleiter und Institutsleiterinnen oder Mitarbeitenden, die dazu abgeordnet werden, meist keine Erfahrung im Bau.
Die Baubeauftragten durch die Planung leiten
Hier schafft das digitale Raumbuch den Durchblick: Es hilft den Baubeauftragten in den Instituten, die Räume zu planen und den Bedarf an Arbeitsplätzen abzuschätzen. »Das Raumbuch schlägt den Baubeauftragten eines Instituts beispielsweise Musterräume vor, aus denen sie die für sich geeigneten auswählen können«, erklärt Stefanie Samtleben vom Fraunhofer IFF in Magdeburg, die das digitale Raumbuch zusammen mit Kolleginnen und Kollegen konzipiert hat. Die Software leitet die Baubeauftragten durch den sehr umfassenden Anforderungskatalog. Dieser enthält alle Vorgaben, Attribute, die ein Gebäude erfüllen muss: Die Zahl der Steckdosen in den Räumen, die Tragfähigkeit der Böden, die Art der Fenster – zu öffnen oder nicht, den Bedarf an Abschattung. »Damit stellen wir sicher, dass tatsächlich alle wichtigen Attribute berücksichtigt werden, die für eine erste Kostenabschätzung bei der zentralen Bauabteilung der Fraunhofer-Gesellschaft in München wichtig sind«, sagt Stefanie Samtleben. Aufgrund dieser Kostenabschätzung kann das Bauprojekt dann bei Bund und Land beantragt werden.
Das digitale Raumbuch macht einen schnellen Abgleich zwischen dem ursprünglichen Bauherrenmodell, das die Anforderungen enthält, und dem daraus entwickelten Architektenentwurf möglich. »Damit können wir beispielsweise sehr schnell erkennen, ob die Nutzungsflächen korrekt verteilt worden sind«, sagt die Mathematikerin.
Andere Bauvorhaben als Vorbild
Und noch etwas soll das digitale Raumbuch künftig leisten. Es soll verhindern, dass jedes neue Projekt, jede Budgetplanung, jede Kostenabschätzung »bei Adam und Eva« beginnt. »Bislang gibt es keine Möglichkeit, aus ehemaligen Bauprojekten zu lernen und die Kosten eines Neubaus anhand ähnlicher Gebäude abzuschätzen«, beschreibt Stefanie Samtleben das Problem. »Die Daten liegen einfach nicht in nutzbarer Form vor, sodass man beispielsweise aus der Verteilung der Nutzfläche, der Büros und Labore keinen Euro-Wert generieren kann.« Das soll mit dem Raumbuch anders werden. »Wir wollen darin ein Archiv aufbauen, in dem die Informationen von abgeschlossenen Bauprojekten so gespeichert werden, dass man daraus Preisinformationen gewinnen kann.« Das Ziel: Das Raumbuch soll in der Datenbank ganz automatisch vergleichbare Bauprojekte identifizieren. Das würde die Kostenplanung bei einem Neubau extrem verkürzen.
Obwohl das digitale Raumbuch zunächst als BIM-Werkzeug für die Fraunhofer-Gesellschaft entwickelt wurde, steht es künftig anderen Anwendern für öffentliche Bauvorhaben zur Verfügung. Aktuell wird es bei Bauprojekten der Universität Mainz und der Helmholtz-Gemeinschaft getestet. An der Entwicklung des Raumbuchs waren neben dem Fraunhofer IFF, das Fraunhofer-Institut für Arbeitsorganisation IAO, das Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP und die Abteilung C3 für Bauangelegenheiten und Liegenschaften der Fraunhofer-Gesellschaft beteiligt.