Wer unter Atemnot und starken Brustschmerzen leidet, kann von einer koronaren Herzerkrankung (KHK) betroffen sein. Wird sie nicht behandelt, kann es zu schwerwiegenden Folgen bis hin zum Herzinfarkt kommen. Die KHK zählt zu den häufigsten Todesursachen im Erwachsenenalter. Kalkablagerungen an den Innenwänden der Arterien verursachen die Erkrankung. Die Ablagerungen verstopfen die Adern, das Herz wird nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt.
Ärztinnen und Ärzte dehnen daher die Verengung auf, damit das Blut wieder ungestört fließen kann. Hierfür führen sie einen Ballonkatheter mit einer plastischen Stütze – einem sogenannten Stent – in die verengte Arterie. Wird der Ballonkatheter aufgeblasen, dehnt sich der Stent und weitet so die Stenose. Das Problem: Das Gewebe um den Stent kann innerhalb weniger Monate wieder in das Blutgefäß einwachsen. Die Folge ist eine erneute Verengung – die Restenose. Aufgrund dieses Risikos entscheiden sich Ärztinnen und Ärzte immer häufiger für einen alternativen Eingriff, bei dem kein Fremdkörper in den geschädigten Arterien verbleibt: Mit Immunsuppressiva und Zytostatika beschichtete Ballonkatheter erzeugen beim Aufdehnen eine mechanische Erweiterung des Gefäßes. Die dabei übertragenen Wirkstoffe können eine Restenose über lange Zeit verhindern, das heißt ein vermehrtes Zellwachstum des Gewebes aufgrund der mechanischen Beanspruchung und somit den erneuten Verschluss des Gefäßes. Der Wirkstoff wird über die Ballonoberfläche direkt an und in die Arterienwände transportiert.
Die Beschichtung des Katheters mit Medikamenten, gerade auch mit besonders fortschrittlichen, wird derzeit häufig von Fachkräften manuell durchgeführt. Dieser Prozess ist zeitaufwendig und fehleranfällig. Das Verfahren ist speziell, Fachleute mit entsprechender Expertise sind rar.
Prozesssicherheit durch Automatisierung
Ein Team am Fraunhofer IPK erforscht daher, wie sich das mühsame Verfahren zur Beschichtung der Ballonkatheter automatisieren lässt. Im vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundvorhaben »Heliko – Automatisierte und prozesssichere Wirkstoffbeschichtung von Ballonkathetern« entwickeln sie den Prototyp eines Beschichtungsautomaten. Dabei arbeiten sie eng mit der InnoRa GmbH, einer Ausgründung aus der Berliner Charité, und der Organical CAD/CAM GmbH zusammen. InnoRa hat zahlreiche Beschichtungsverfahren entwickelt und patentiert, Organical entwickelt das Maschinensystem für das automatisierte Beschichtungssystem, damit die Ballonkatheter in Großserie gefertigt werden können. Ziel des Projekts ist es, die Ausschussrate zu reduzieren, den Umsatz an Ballons deutlich zu erhöhen und Prozesssicherheit zu garantieren.
Keine leichte Aufgabe, da die mikroskopischen Kristalle des Medikaments im optimalen Fall gleichgerichtet nach außen zeigen sollten. Nur so kann der Wirkstoff besonders schnell und gut in die Zellwände eindringen. Parameter wie die Schichtdicke und die Beschaffenheit der Beschichtungsoberfläche spielen eine entscheidende Rolle. »Die Ballonkatheter müssen das Medikament sofort in die Arterienwand transportieren, dieser Vorgang darf maximal eine Minute beanspruchen, damit die Sauerstoffversorgung des Herzens nicht zu lange unterbrochen wird. Die Oberfläche darf also nicht zu glatt sein, eine gerichtete Kristallkonformation sorgt für einen besseren Übertrag des Wirkstoffs«, erklärt Gregor Dürre, Wissenschaftler am Fraunhofer IPK. Gleichzeitig bewirkt die angestrebte Struktur der Kristalle eine verlängerte Wirkdauer des Medikaments in der Arterienwand. Der Ballonkatheter wird nach der Abgabe des Wirkstoffs entleert und wieder entfernt.
Fragile Membran – diffiziler Beschichtungsprozess
Zahlreiche Faktoren wie Kinematik, Andruckstärke, Beschichtungsgeschwindigkeit, Beschichtungsdauer und Rotationsgeschwindigkeit beeinflussen die Kristallstruktur und somit die Konstruktion des Beschichtungsautomaten. »Der Ballon des Katheters ist eine fragile, extrem dünne Membran, die im ausgedehnten Zustand beschichtet werden muss. Das ist sehr diffizil. Kleinste Fehler führen zu einem Riss der 20 bis 80 Mikrometer dünnen Membran«, sagt Annika Brehmer, Biotechnologin und Kollegin von Gregor Dürre. Dementsprechend herausfordernd ist der Bau der Beschichtungseinheit, eine Aufgabe des Fraunhofer IPK.
Um die Kristallisation der Lösung auf der Ballonmembran in der gewünschten Konformation zu erreichen, ist die präzise Kontrolle der Kristallisationsbedingungen während der Beschichtung notwendig. Zwei Motoren rotieren hierfür den Draht, auf dem der Ballon aufgespannt ist, damit er von allen Seiten gleichmäßig beschichtet werden kann. Der Beschichtungskopf ist in Abhängigkeit zur Ballonmembran positioniert. Der Beschichtungsprozess erfolgt anschließend sequentiell, unter Rotation des Ballons und gleichzeitiger, bahnweiser Verlagerung des Beschichtungskopfs. Ein integriertes hochauflösendes optisches Oberflächenmessgerät übernimmt die Qualitätskontrolle, indem es konstant die Schichtdicke misst. Der Beschichtungsvorgang dauert in der Regel drei bis fünf Minuten.
Der Durchsatz lässt sich im Vergleich zum manuellen Verfahren massiv erhöhen. Vorteile sind die Prozesssicherheit und die Qualitätskontrolle durch das Messgerät. Derzeit optimieren die Forscherinnen und Forscher den Prototyp. In einem weiteren Schritt wird die Wirksamkeit der Ballons in In-vivo-Studien getestet. Der Beschichtungsautomat soll Anfang 2023 marktreif sein.