Rund 20 000 Kilometer über der Erde ziehen Navigationssatelliten ihre Bahnen – mit einer Geschwindigkeit von etwa vier Kilometern pro Sekunde. Von dort senden sie permanent Daten zu ihrer aktuellen Position samt atomuhrgenauem Zeitstempel. Zahlreiche Anwendungen hängen von diesen Daten ab: Vom Navigationssystem im Auto bis hin zu kritischen Infrastrukturen, wie Energie-, IT- oder Mobilfunknetzen. Doch ist dieses System verwundbar: Störsender, auch Jammer genannt, können den Empfang von Satellitennavigationssignalen verhindern und Täuscher, sogenannte Spoofer, können zum Beispiel Navigationssystemen falsche Orts- und Zeitinformationen vorspielen. Im zivilen Bereich gab es bisher allerdings keine Alternative zu den ungeschützten Satellitendaten – bis jetzt.
Galileo Satellitennavigationsempfänger: Vertrauenswürdig, robust und täuschungssicher
Ein Forscherteam am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS in Nürnberg hat diese Lücke geschlossen: Mit robusten, vertrauenswürdigen und täuschungssicheren Empfängertechnologien auf Basis von europäischen Galileo-Navigationssignalen. Stellvertretend für das Team werden Alexander Rügamer, Dr. Günter Rohmer und Dr. Wolfgang Felber mit dem Joseph-von-Fraunhofer-Preis ausgezeichnet. Die Jury begründet die Preisvergabe unter anderem mit der Pionierarbeit im Bereich der serverbasierten Kryptoempfänger und -systeme. »Das Galileo Public Regulated Service, kurz PRS-System, ist das weltweit erste verschlüsselte Signal für die Nutzung im zivilen hoheitlichen Bereich«, sagt Rügamer. Es bietet verschiedene Vorteile: Da Galileo ein ziviles, europäisches System ist, bestehen keinerlei Abhängigkeiten von den USA oder Russland, deren Systeme von militärischen Einrichtungen betrieben werden. Zudem ist es robust gegen Jamming und Spoofing. Einen PRS-Empfänger für zivile Einsätze, der Zugang nur für autorisierte Anwender möglich macht, wurde vom IIS-Forscherteam entwickelt. Diese Empfängertechnologie wurde bereits in Polizei- und Feuerwehrautos verbaut, um Praxiserfahrungen für zukünftige Produkte zu sammeln.
Serverbasierte Empfänger: Auch miniaturisierte, energiesparsame und günstige Endgeräte möglich
Für den Massenmarkt sind die neuartigen Empfänger jedoch zu kosten- und aufwandintensiv. »Wir haben PRS-Systeme daher nochmal gänzlich anders gedacht«, erläutert Rohmer. Denn im Grunde ist es ausreichend, die »Signale vom Himmel« aufzuzeichnen, sie statt im Gerät in einer speziellen Server-Infrastruktur auszuwerten und nur die verifizierte Orts- und Zeitinformationen an das Gerät zurückzuschicken. Den entsprechenden weltweit ersten und bisher einmaligen PRS-Server einschließlich Applikationsdemonstratoren betreibt das Forscherteam am Fraunhofer IIS in Nürnberg.
Simulatoren zum Test
Für die Entwicklung konkreter Anwendungen sind Simulatoren unersetzlich. Denn über einen PRS-Signal-Simulator können Hersteller und Anwender grundlegende Fragen beantworten: Wie reagiert der Empfänger, wenn er schnell beschleunigt wird – etwa in Fluggeräten? Funktioniert er auch in Australien? Das weltweit einzige kommerziell erhältliche PRS-System dazu stammte vom britischen Unternehmen Spirent. Aufgrund des Brexits darf die Firma keine Produkte zur Nutzung von PRS-Signale mehr anbieten, denn diese sind EU-Firmen vorbehalten. »Wir haben daher die Weiterentwicklung der PRS-Komponenten für den PRS-Signalsimulator übernommen«, sagt Felber. Damit stammt zwar der Simulator weiterhin aus Großbritannien, alles rund um die PRS-Daten kommt jedoch aus dem Fraunhofer IIS.