Zur Eindämmung des Ausbruchgeschehens der COVID-19-Pandemie werden präventiv Maßnahmen wie Hygieneregeln, Kontaktbeschränkungen und verringerte Teilnehmerzahlen bei öffentlichen und privaten Veranstaltungen umgesetzt. Diese sind notwendig zur Kontrolle des Infektionsgeschehens, haben aber gleichzeitig Auswirkungen auf weite Bereiche des privaten und gesellschaftlichen Lebens sowie auf Wirtschaft, Bildung und Kultur. Um individuelle Freiheit und den Schutz vor COVID-19 in Einklang zu bringen, sind daher insbesondere flächendeckende Tests zur schnellen Identifikation von Infizierten erforderlich.
Testergebnis innerhalb von 40 Minuten
Forscherinnen und Forscher der Fraunhofer-Gesellschaft arbeiten an der Entwicklung eines SARS-CoV-2-Testverfahrens, das die bisherige minimale Nachweiszeit von vier Stunden auf 40 Minuten verkürzen könnte – und durch den Wegfall komplexer und kostspieliger Analysegeräte eine mobile Vor-Ort-Testung ermöglichen soll. Im Gegensatz zu anderen Schnellnachweisen, wie den kürzlich eingeführten Antigentests, gelingt dies mit der sogenannten Loop-Mediated-Isothermal-Amplification-Methode (LAMP). Das Grundprinzip dieser Methode beruht auf dem Nachweis von Teilen der viralen genetischen Information. Im Gegensatz zum aktuellen Standardtest basiert die Nachweisreaktion nicht auf einer Polymerase-Kettenreaktion (PCR), sondern auf der isothermalen Vermehrung der gewünschten Zielsequenzen des Virus.
Anstelle eines Abstrichs, der von vielen Probanden und Patienten als unangenehm empfunden wird, könnte der neue Test auch über eine Mundspülung erfolgen.
Darüber hinaus lässt sich das Verfahren anpassen – so könnte perspektivisch auch der Nachweis anderer Erreger möglich sein.
Verbreitung und Einschränkungen wirksam begegnen
Michael Kretschmer, Ministerpräsident des Freistaats Sachsen, sagt: »Die Corona-Pandemie ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Bei der Entwicklung neuer Verfahren profitiert Deutschland von seiner starken Wissenschafts- und Forschungslandschaft und seinen exzellenten Fachkräften. Das neue Fraunhofer-Testverfahren mit seiner kurzen Nachweiszeit und seiner mobilen und kostengünstigen Anwendung kann zu einem echten Problemlöser bei der Eindämmung der Corona-Infektionen werden. Ich danke den Forscherinnen und Forschern der Fraunhofer-Gesellschaft für diese großartige Innovation und wünsche für die Zertifizierung des Verfahrens viel Erfolg.«
»Die Entwicklung des neuen Testverfahrens durch Fraunhofer ist ein wichtiger Schritt, um sowohl der Verbreitung von SARS-CoV-2 als auch den Limitierungen, die das Virus mit sich bringt, wirksam zu begegnen«, erklärt Prof. Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft. »Die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, wie verwundbar unser Alltag und unsere Lebenswelt sind. Wir handeln entschlossen, um die medizinische Krise schnellstmöglich zu überwinden. Seit Beginn der Pandemie konzentriert sich Fraunhofer auf eine Forcierung von direkten Anti-Corona-Projekten aus dem Medizin- und Gesundheitssektor, darunter die Impfstoffentwicklung, notwendige innovative Diagnostik und Medikamentenentwicklung, die Bereitstellung von IT-Kapazitäten sowie gezielte Vorlaufforschung. Um zudem die Wirtschaft nachhaltig zu ertüchtigen, greifen wir kleinen und mittleren Unternehmen mit FuE- und Qualifizierungsangeboten unter die Arme. Mit diesen Initiativen fördern wir den Erhalt hiesiger Kompetenz und Know-how-Kapazität und tragen zur Sicherung der Resilienz und Technologiesouveränität Deutschlands und Europas bei.«
»SARS-CoV-2 vermehrt sich schon im Rachen und wird hauptsächlich durch Tröpfcheninfektion und Aerosole leicht übertragen. Es gilt, das zeigen die aktuellen Zahlen, mehr denn je, die weitere Ausbreitung rasch und effektiv zu unterbinden oder mindestens zu verlangsamen«, erläutert Prof. Gerd Geißlinger, Gesundheitsforschungsbeauftragter der Fraunhofer-Gesellschaft und geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME. »Eine wichtige Maßnahme ist, dass der Test zu den Hotspots kommen muss: Nur so haben wir eine Chance, infizierte Personen frühzeitig und schnell zu identifizieren und zielführend Kontakte zu minimieren und so der Pandemie hoffentlich Einhalt zu gebieten.«
Mobiles Testlabor
Um eine künftige Vor-Ort-Prüfung, beispielsweise für den Einlass zu Veranstaltungen oder für Reihenuntersuchungen an Schulen oder Betrieben zu ermöglichen, wurden alle für den LAMP-Test benötigten Geräte und Materialien in den Prototypen eines mobilen Labors in der Größe eines Transporters integriert. Dieser Prototyp wurde gemeinsam von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Fraunhofer IME aus Münster, Aachen und Frankfurt sowie dem Fraunhofer IBMT aus Sulzbach konzipiert und innerhalb von zwei Wochen in die Praxis umgesetzt. Der Prototyp des mobilen Testlabors wird heute am Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU in Dresden erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.
Mit dem Prototypen des Corona-Testmobils würde nach einer künftigen Zertifizierung als nächster Schritt ein weiterer Baustein zur Kontrolle des COVID-19-Infektionsgeschehens für die Aufrechterhaltung privater, wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und kultureller Aktivitäten in der Pandemie zur Verfügung stehen