Für die nötige hohe Abbildungsqualität der Optiken ist ihre Oberflächenbeschaffenheit entscheidend, da keine Oberfläche frei von Unvollkommenheiten ist. Selbst Kristalle, die einem idealen Festkörperbild sehr nah kommen, weisen Störstellen auf. Um daher bereits beim Design einer Optik die richtigen Kompromisse zu finden, benötigt man detaillierte Spezifikationen – etwa welcher Grad nicht perfekter Stellen akzeptabel ist und wie diese Werte etwa durch eine notwendige Beschichtung beeinflusst werden.
Diese Daten liefert das Fraunhofer IOF, das vielfältige Streulichtmesssysteme und -sensoren sowie dazugehörige Analysemethoden und Streulichtmodelle entwickelt. Damit ist es möglich, mit einer virtuellen Beschichtung das Streulicht bereits vor der aktuellen Fertigung vorherzusagen. Darüber hinaus können prozessbegleitend komplexe Optiken charakterisiert werden – sprich, die Oberflächen können basierend auf ihren Design- und Konstruktionsdatensätzen automatisiert überprüft und vollflächig beurteilt werden.
»Dies ermöglicht ein optimiertes Verhältnis von Herstellungsaufwand und Nutzen. Das wird beispielsweise bei Optiken für Satelliten deutlich. Hier besteht die Herausforderung, mehrere gleichartige Optiken als Flugmodell, als Rückstellbaugruppe usw. herzustellen, wobei man sich bei Anwendungen mit kurzen Wellenlängen an den Grenzen der technischen Fertigungsmöglichkeiten bewegt. Eine prozessbegleitende und aussagekräftige Analyse, wie sie durch Streulichtmessungen möglich ist, ist daher essentiell«, so Dr. Marcus Trost, Leiter der Charakterisierungsgruppe beim Fraunhofer IOF.
Deutliche Vorteile des Streulichtmessverfahrens
Traditionell gemessen werden Oberflächenimperfektionen mittels Mikroskopie, Interferometrie oder mit taktilen Verfahren, bei denen mit einer Diamantnadel die Oberfläche abgetastet wird. Diese Verfahren sind allerdings sehr aufwändig und zeitintensiv. Bei glatten Oberflächen bietet die Streulichtmesstechnik dagegen eine bereits bewährte Alternative aufgrund der hohen Sensitivität, schnellen und berührungslosen Messwertaufnahme und hohen Robustheit – so ist sie gegen Vibrationen unempfindlich. Um beispielsweise die Oberfläche eines Spiegels mit 60 cm Durchmesser vollflächig mit einem Rasterkraftmikroskop zu überprüfen, würde man mehr als 40 Jahre benötigen. Mit Streulichtverfahren gelingt dies hingegen bereits in wenigen Stunden.
Diese Methode ist daher passend für die sich stetig erhöhenden Anforderungen an optische Komponenten für Industrie und Forschung. Und sie ermöglicht, nicht nur hohe Ansprüche an Funktion und Qualität zu befriedigen, sondern auch Kosten und Fertigungszeiten zu optimieren. Das Fraunhofer IOF hat daher bereits internationale Nachfrage von Produzenten optischer Systeme zur Charakterisierung von Optiken, ist aber auch gut vernetzt in Deutschlands »Optical Valley« im Raum Jena.
Aktuelle Satellitenmissionen profitieren bereits
Das Know-how des Fraunhofer IOF floss bereits in die Herstellung und Optimierung einiger Satellitenoptiken, etwa beim aktuell finalisierten deutschen Erdbeobachtungsinstrument unter Führung der DLR-Projekt EnMAP (Environmental Mapping Analysis Program) zur bisher spektral hochaufgelösten und genauen Erfassung des Ökosystems auf der Landoberfläche. Oder auch in Missionen des Sentinel-Programms der ESA zur multispektralen Erdbeobachtung. Und schließlich schickt die Esa dieses Jahr ein neues Weltraumteleskop ins Weltall: »Euclid« soll die Tiefen des Universums neu vermessen und neue Erkenntnisse über Dunkle Materie und Dunkle Energie ermöglichen.
In den Produktionsprozess integrierbar
Durch die Vibrationsunempfindlichkeit lässt sich diese Methode im Gegensatz zu den klassischen Messverfahren gut in den Produktionsprozess integrieren. So zeigt Abbildung 2 die Integration eines kompakten Streulichtsensors in eine Ultrapräzisions-Diamantdrehmaschine, der speziell für die schnelle und flexible Rauheits- und Defektcharakterisierung entwickelt wurde. Somit kann die Charakterisierung der Oberflächenrauheit bereits direkt im Fertigungsprozess erfolgen – und bei Bedarf können Prozessparameter angepasst werden.
Die Messsysteme des Fraunhofer IOF folgen damit auch den Kriterien des Fraunhofer-Leitprojektes »Hierarchische Schwärme als auslastungsoptimierbare Produktionsarchitektur« (SWAP), das neue technologische Konzepte für eine Produktion der Zukunft aufzeigen will – vor allem von der klassischen Bearbeitung eines Werkstücks in einer definierten Prozessreihenfolge hin zur kollaborativen und (teil)autonomen Produktion.