Für die nächste Phase der Energiewende ist die zunehmende Verflechtung der Energiesektoren Strom, Wärme und Verkehr auf der Basis sektorengekoppelter Energieinfrastrukturen der Schlüssel zur Senkung der CO2-Emissionen und zur verbesserten Integration erneuerbarer Energien. Insbesondere die Geothermie hat das Potenzial, eine zentrale Rolle bei der Energieversorgung der Zukunft zu spielen. Sie kann die Versorgung von Fernwärmenetzen ergänzen, wenn verstärkt fossil getriebene Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen aus dem Netz gehen.
Basierend auf einer eingehenden Analyse vorhandener Strukturen und Expertisen – und unter Berücksichtigung von Faktoren wie dem Strukturwandel in Deutschland – baut die Fraunhofer-Gesellschaft daher die Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG auf. Auf diesem Weg soll der Markt für die Anwendung von Geothermie und Technologien zur Kopplung der Energiesektoren Wärme, Strom und Verkehr noch gezielter erschlossen werden. Schwerpunktthemen sind Energieinfrastrukturen und Sektorenkopplung, Wärmebergbau und Speicherung, Bohrlochtechnologien, Georessourcen und die Entwicklung der dafür benötigten Technologiebausteine, Energietechnik sowie CO2-Abscheidung.
Der Parlamentarische Staatsekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung Thomas Rachel sagt: »Die Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie wird herausragende Energieforschung zu zentralen Zukunftsthemen ermöglichen. Sie wird dazu beitragen, den Forschungsstandort Deutschland auf wichtigen Feldern der Energiewende wie der Entwicklung von digitalen Lösungen zur Sektorkopplung noch schneller voranzubringen. Besonders freut mich der revierübergreifende Aufbau der Einrichtung. So sichern und verstärken wir die Energieforschungskompetenzen im Rheinischen Revier und in der Lausitz und schaffen hochwertige Arbeitsplätze vor Ort.«
»Die avisierten energiewirtschaftlichen Themen haben eine hohe Relevanz für die deutsche und globale Energiewende. Sie ergänzen das Fraunhofer-Portfolio und haben ein erhebliches Potenzial für die angewandte Forschung«, erklärt Prof. Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, anlässlich des Startschusses für die Fraunhofer-Einrichtung IEG. »Darüber hinaus setzen wir mit der Ansiedlung der Fraunhofer-Einrichtung IEG in zwei vom Strukturwandel betroffenen Regionen ein deutliches Zeichen: Es müssen gerade hier neue Wertschöpfungsketten aufgebaut werden mit der Chance, die Weiterentwicklung der betroffenen Region durch Innovationen zukunftsfähig zu gestalten.«
Integration des »Internationalen Geothermiezentrums Bochum«
Das zum 1. Januar 2020 in die Fraunhofer-Gesellschaft integrierte »Internationale Geothermiezentrum Bochum (GZB)« wird als ein Kernbaustein für die neue Einrichtung in die Fraunhofer-Gesellschaft aufgenommen und an den Standorten Bochum und Aachen/Weisweiler ausgebaut und vergrößert. Mit der Ruhr-Universität Bochum und der Hochschule Bochum, der derzeitigen Heimat des GZB, wird die Fraunhofer-Gesellschaft eng kooperieren, um so neben der Technologie auch hochqualifizierte Fachkräfte auszubilden, die für die Energiewende insbesondere im Wärmesektor dringend notwendig sind. Am Standort Aachen werden in Zusammenarbeit mit der RWTH Aachen die Aktivitäten zur Nutzung von Georessourcen sowie thermischer und stofflicher Speicher angesiedelt. Darüber hinaus wird am RWE-Kraftwerk in Weisweiler ein Großlabor für tiefengeothermische Technologien zur Wärme-, Kälte- und Stromerzeugung eingerichtet.
Am Einrichtungsteil Jülich, am Open District Hub Research Center, werden digitale Lösungen für eine Kopplung von Strom, Wärme und Verkehr auf Quartiersebene entwickelt. Durch die Schaffung von informationellen Technologien und Marktmechanismen entstehen Lösungen, die auf verschiedene Quartiere in Deutschland ausgerollt werden können.
Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, sagt: »Die Energiewende kann nur gelingen, wenn wir neue technologische Ansätze und Ideen aus der Wissenschaft gezielt fördern und weiterentwickeln. Die Erforschung der Geothermie in Bochum, Aachen und Weisweiler sowie der Sektorenkopplung in Jülich sind entscheidende Schritte auf dem Weg zu einer kohlenstoffarmen Energieversorgung. Die Fraunhofer-Gesellschaft findet dafür in Nordrhein-Westfalen ein hervorragendes Umfeld mit einer dichten Hochschul- und Forschungslandschaft und einer großen Zahl an Unternehmen der Energiebranche vor. Eine besondere Rolle spielt dabei die Hochschule Bochum, die in den letzten Jahren mit der Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen eine exzellente Geothermieforschung aufgebaut hat.«
»Die Hochschule Bochum freut sich auf diese Kooperation mit der neu gegründeten Fraunhofer-Einrichtung«, erklärt Hochschulpräsident Prof. Dr. Jürgen Bock. »Für das Themenfeld der Geothermie wird sie einen neuen Studiengang einrichten. Gemeinsame Berufungen für ihn sind ebenfalls Bestandteil der zukünftigen Zusammenarbeit mit der Fraunhofer IEG.«
Geleitet wird der Einrichtungsteil »Geothermie und Speichertechnologien« von Prof. Rolf Bracke, Geologe und Direktor des GZB: »Auch nach dem Ende des fossilen Energiezeitalters kommt dem unterirdischen Raum eine besondere Bedeutung zu für die Gewinnung und Speicherung von Wärmeenergie und Energierohstoffen. Der Untergrund bleibt ein zentrales Element zukünftiger vernetzter Energieinfrastrukturen. In nur wenigen Regionen weltweit sind die Technologien und das Know-how zu dessen Nutzung so konzentriert vorhanden wie in den westdeutschen und den ostdeutschen Bergbaurevieren. Deshalb wird die Fraunhofer IEG eine Vielzahl von Unternehmen der traditionellen Energiebranche bei der Umstellung ihres Technologieportfolios auf CO2-arme Verfahren unterstützen«, erläutert Bracke.
Aufbau des Einrichtungsteils Energieinfrastrukturen in der Lausitz
Der Standort in Cottbus mit Außenstelle in Zittau soll Fragen der Infrastruktur zur Kopplung der Energiesektoren Wärme, Strom, Gas und Verkehr erforschen. Hierzu wird an der Lausitz der Einrichtungsteil »Energieinfrastrukturen« zu den Schwerpunkthemen Wärme- und Gasinfrastrukturen aufgebaut. Die BTU Cottbus-Senftenberg wird dabei ihre umfangreichen wissenschaftlichen Kompetenzen und Erfahrungen im Design und Betrieb großer Kraftwerksanlagen einbringen. Schwerpunktthemen in Zittau sind Energietechnik und Fertigungstechnik für thermodynamische Wandler in Zusammenarbeit mit der Hochschule Zittau/Görlitz.
Brandenburgs Wissenschaftsministerin Dr. Manja Schüle: »Die im Cottbuser Einrichtungssteil geplante Forschung und Entwicklung zu Energieinfrastrukturen ist von zentraler Bedeutung für die Energiewende. Mit der Gründung dieser Einrichtung treibt die Fraunhofer-Gesellschaft auch unter Nutzung bereits vorhandener Kompetenzen im Bereich der Energietechnologien an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg die Forschung zur Transformation des deutschen Energiesystems voran und trägt zudem maßgeblich zur Strukturentwicklung in der Lausitz bei. Das ist ein zentraler Teil unserer Strategie: Mit der gezielten und nachhaltigen Ansiedlung von hochkarätigen Forschungseinrichtungen im Umfeld der BTU stärken wir den Forschungsstandort Lausitz, befördern Innovation und die wirtschaftliche Entwicklung und gestalten die Zukunft der Region.«
Dr. Eva-Maria Stange, Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst in Sachsen, sagt: »Wir freuen uns über das Engagement der Fraunhofer-Gesellschaft auch außerhalb der großen Universitätszentren. Mit der geplanten Etablierung der Außenstelle der Fraunhofer-Einrichtung IEG in Zittau und der Fokussierung auf wichtige Zukunftsthemen an der Schnittstelle von Leichtbau/Kunststofftechnik und Energietechnik/Mechatronik wird die gewinnbringende Kooperation zwischen der Hochschule Zittau/Görlitz und dem Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU weiter geschärft. Das ist ein herausragendes Beispiel dafür, wie es mit der Bündelung von Kompetenzen gelingen kann, wesentliche Beiträge zur Weiterentwicklung der wertschöpfenden Industrie und zu einem erfolgreichen Strukturwandel in der Region zu leisten.«
Die amtierende Präsidentin der BTU Cottbus-Senftenberg, Prof. Christiane Hipp sagt: »Wir haben den Prozess der Ansiedlung intensiv begleitet und werden auf den Gebieten der Wärme- und Gas-Infrastrukturen, der Energiespeicher sowie der Sektorenkopplung eng mit der neuen Einrichtung zusammenarbeiten. Dazu verfügen wir an unserer Universität über das Know-how, die Sektorenkopplung näher zu untersuchen und eine Optimierung der Prozesse zu erzielen. Die gemeinsam erarbeiteten Ergebnisse werden neue, optimierte Betriebsweisen der Energiesysteme ermöglichen und damit einen Beitrag zum Gelingen der Energiewende leisten. Wir freuen uns sehr darauf, uns in diese gemeinsame Arbeit für den Klimaschutz einzubringen.«
Prof. Mario Ragwitz, Physiker mit jahrelanger Erfahrung am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI, wo er seit 2018 die stellvertretende Leitung innehat, übernimmt die Leitung des Einrichtungsteils Energieinfrastrukturen. »Wir werden neue Sektor-übergreifende Technologien für gekoppelte Infrastrukturen unter Berücksichtigung verschiedener Flexibilitätsoptionen entwickeln, um deren Entwicklungs- und Digitalisierungsbedarfe anwendungsnah zu analysieren und zu optimieren, Kundenlösungen zu entwickeln und Marktpotenziale abzuschätzen. Unser Ziel ist es, durch unsere Forschung die Energiewende weiter zu beschleunigen und gleichzeitig die Regionen, die vom Ausstieg aus der Kohleverstromung intensiv betroffen sind, mit Innovationen zu unterstützen und neue Perspektiven zu schaffen«, so Ragwitz.
Struktureller und institutioneller Aufbau
Für den strukturellen und institutionellen Aufbau der neuen Einrichtung sind Bau- und Investitionsmittel sowie Betriebsmittel notwendig. Gleichwohl ist angestrebt, dass sich die Fraunhofer-Einrichtung IEG von Anbeginn an gemäß dem Fraunhofer-Finanzierungsmodell zusätzlich aus Aufträgen der Wirtschaft sowie über Projektförderungen der öffentlichen Hand, insbesondere der Sitzländer, finanziert. Für eine erste Phase hat der Bund 25 Mio €, die drei Sitzländer 2,7 Mio € für den Betriebsaufbau bereitgestellt. Außerdem stellen Bund und die drei Sitzländer 50 Mio € für Baumaßnahmen und Erstausstattungen.