Quantencomputing
»Wir haben das Anwendungs-Know-how«
Prof. Manfred Hauswirth, Institutsleiter am Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS in Berlin, über Chancen, Hürden und Anwendungen von Quantencomputern.
Prof. Manfred Hauswirth, Institutsleiter am Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS in Berlin, über Chancen, Hürden und Anwendungen von Quantencomputern.
Prof. Hauswirth: Wir stehen zwar am Anfang bei der Erforschung von Anwendungsszenarien, aber man darf nicht glauben, dass das alles noch ganz weit weg ist. Auch wenn praktische Ergebnisse noch nicht verfügbar sind, entwickeln sich die Technologie und das anwendungsbezogene Know-how sehr schnell weiter. Jeder Euro, der jetzt in die einfache Nutzbarmachung von Quantencomputern fließt, wird sich vielfach rentieren – in Form von Projekten, Wertschöpfung und Arbeitsplätzen in Deutschland. Deshalb ist es wichtig für die Industrie, jetzt in der Startposition zu stehen. Wichtig ist natürlich auch Flankierung durch politische Investitionen in die Zukunft.
Prof. Hauswirth: Europa hat dem sehr viel entgegenzusetzen. Wir haben nicht nur die Expertise in den zugrunde liegenden quantenphysikalischen Prozessen, sondern vor allem ein tiefes Verständnis der möglichen Anwendungen von Quantencomputing: Wir kennen die Produktionsprozesse, haben das nötige Know-how in Materialwissenschaften oder Logistik. Darauf kommt es in der jetzigen Phase, in der Quantentechnologien für die Anwendung erforscht werden, besonders an. Nicht umsonst sind IBM und Google auch in Deutschland tätig, weil sie genau dieses Wissen brauchen.
Prof. Hauswirth: In erster Linie geht es darum, die technische Machbarkeit und Anwendbarkeit zu erforschen. Nicht jeder Algorithmus lässt sich auf einem Quantencomputer abbilden. Wir müssen erproben, welche sich eignen, und sie in einfacher Weise nutzbar machen. Diese Übersetzungsleistung ist die Voraussetzung für praktische Anwendungen, die wir gemeinsam mit Partnern aus der Industrie entwickeln wollen.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Wahrung unserer digitalen Souveränität. Mit einem Standort in Deutschland werden die Daten nach europäischem Recht und unseren Datenschutzstandards verarbeitet.
Prof. Hauswirth: In vielen Bereichen sind heute enorm komplexe Berechnungen nötig, für die wir riesige Computing-Ressourcen benötigen und die sehr lange dauern. Man denke an Simulationen in der Materialforschung, von Verkehrsflüssen, in der finanzmathematischen Preisbildung oder komplexer Transaktionen an Börsen. Viele solcher Simulationen lassen sich zukünftig effizienter mit Quantencomputern durchführen. Dann können wir neue Materialien schneller entwickeln, exaktere Vorhersagen machen, den Verkehr besser steuern, chemische Prozesse für die Batterieentwicklung modellieren oder letztlich auch die Energiewende vorantreiben.
Prof. Hauswirth: Prozesse, in denen der nächste Schritt vom Ergebnis des letzten abhängt, also die Berechnungen aufeinander aufbauen, eignen sich eher nicht für Quantencomputer – also die klassischen Businessprozesse. In alltäglichen Bereichen wie der klassischen EDV, wo Berechnungen im kleineren Maßstab gefragt sind, werden herkömmliche Computer immer effizienter und günstiger sein. Quantencomputer werden eine Ergänzung zu klassischen Computern für bestimmte Probleme darstellen, aber nicht generell alle Computer ersetzen. In vielen Bereichen werden sinnvollerweise Hybrid-Lösungen aus klassischen und Quantencomputern zur Anwendung kommen.
Prof. Hauswirth: Die Stabilität der Quanten und ihrer Verschränkung ist das A und O für die Leistungsfähigkeit eines solchen Computers. Heute ist die Quantenhardware noch extrem empfindlich und es ist ein hoher technischer Aufwand nötig. Der Quantenprozessor muss zum Beispiel auf eine Temperatur nahe dem absoluten Nullpunkt gekühlt, gegen jede Art von Strahlung abschirmt und vor Vibrationen geschützt werden. Den dafür notwendigen technischen Aufwand zu senken, macht derzeit einen großen Teil der Forschung aus.
Prof. Hauswirth: Bis Quantencomputer aus den Laboren in die breite Anwendung kommen, werden sicher zehn Jahre vergehen, vielleicht auch zwanzig. Wichtiger ist es aber, dann, wenn es soweit ist, mit der notwendigen Software und Expertise bereitzustehen. Wir wissen ja heute schon, wohin die Reise geht, denn wir gestalten sie mit. Und Fraunhofer hat eine zentrale Bedeutung dabei, um die Industrie und angewandte Forschung jetzt in Stellung zu bringen und aufzubauen.
Das Interview führte Mandy Bartel.